Erweiterte Suche

Oman: Angeworben als Arbeiterin, geendet als Sklavin

In der Regel wird den Frauen sofort bei ihrer Ankunft im Oman der Pass abgenommen
In der Regel wird den Frauen sofort bei ihrer Ankunft im Oman der Pass abgenommen (© Imago Images / Melzer)

Frauen werden dazu verleitet, in den Oman zu gehen, um dort zu arbeiten, doch tatsächlich sind sie Gefangene und der Gnade missbräuchlicher Arbeitgeber ausgeliefert.

Wie in vielen Ländern der Golfregion herrscht auch im Oman das sogenannte Kafala-System, das Arbeiter aus anderen Ländern in die Falle lockt, weil es sie rechtlich an seinen Sponsor, in der Regel den Arbeitgeber, bindet. Die meisten Arbeitsmigranten im Oman sind Frauen aus Asien und Afrika, die in der Regel einen Zweijahresvertrag unterschreiben, um als Dienstmädchen oder Reinigungskräfte in Privathaushalten zu arbeiten. 

Während dieser Zeit dürfen sie den Arbeitgeber nicht wechseln und das Land nicht ohne Erlaubnis des Sponsors verlassen. Wenn sie aus den sklavenähnlichen Verhältnissen zu entkommen versuchen, in denen sie sich wiederfinden, werden sie wie Kriminelle behandelt, und es kann sogar Anklage wegen Flucht gegen sie erhoben werden.

Die Arbeitsbedingungen sind nur vage geregelt, sodass viele Hausangestellte im Oman wie Gefangene leben, die gezwungen sind, bis zu 20 Stunden täglich für große Familien zu arbeiten und kaum Freizeit zu haben. Die sie engagierenden Familien zahlen oft hohe Summen an Personalvermittlungsagenturen für ein Hausmädchen und achten darauf, dass sie den größtmöglichen Nutzen aus dieser Investition ziehen. Die britische Tageszeitung The Telegraph dokumentierte unlängst Erfahrungsberichte malawischer Dienstmädchen, die alle von langen Arbeitszeiten, mangelnder Freiheit und in einigen Fällen sogar von körperlicher Misshandlung bis hin zu Vergewaltigung und Morddrohungen erzählten.

Sind die Frauen, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage, die ihnen aufgetragenen Arbeiten zu verrichten, werden sie von den Vermittlungsagenturen in deren Rekrutierungsbüro zurückgebracht und dort solange festgehalten, bis deren Angehörige Geld für ihre Freilassung bezahlen. 

Leibeigene

Die Agenturen werben auf E-Commerce-Websites, aber auch auf Facebook mit der »sofortigen Lieferung«weiblicher Hausangestellter. Der Preis hängt von der Nationalität ab, wobei etwa Frauen aus Malawi oder der Elfenbeinküste mit einer Einstellungsgebühr von 2.300 Dollar und einem Monatsgehalt von 220 bis 260 Dollar zu den billigsten gehören. 

In ihren Heimatländern werden den Frauen von lokalen Arbeitsvermittlern oft Bürojobs angeboten und ihnen vorgemacht, sie könnten durch ihren Arbeitsaufenthalt im Oman der Hoffnungslosigkeit und Armut im eigenen Land entkommen. Diese Vermittler verkaufen die Frauen an omanische Büros weiter, die sie in Empfang und ihnen den Pass abnehmen, sobald sie in der Hauptstadt Muscat gelandet sind. Wird den Frauen klar, dass sie betrogen wurden und sich in einem sklavenähnlichen Status von schlechtbezahlten Zwangsarbeiterinnen befinden, ist es zu spät, denn es gibt kein Entkommen mehr aus dem Kafala-System, in das sie unwissend geraten sind: Sie sind ihren Arbeitgebern völlig ausgeliefert, müssten sich mit hohen Summen freikaufen und begehen eine Straftat, wenn sie zu fliehen versuchen. 

Viele der angeblich Tausenden von Frauen, die vor ihren Arbeitgebern geflohen sind und nun untergetaucht leben, haben nur sehr wenige legale Möglichkeiten, den Oman zu verlassen. Eine Ausreise per Flugzeug ist schlichtweg unmöglich. Den Frauen wird das Boarding verweigert, selbst wenn sie noch im Besitz eines Passes sind.

Alle paar Jahre erlässt der Oman eine Amnestie, im Zuge derer alle Frauen, gegen die eine Anklage wegen Flucht anhängig ist, das Land verlassen können. »Die Amnestien sind der einfachste Weg nach draußen«, sagt Ekaterina Porras Sivolobova, Gründerin der Organisation Do Bold, einer Nichtregierungsorganisation, die in den Golfstaaten arbeitet, um Wanderarbeitnehmer zu unterstützen und ihre Rückkehr in die Heimat zu erleichtern. 

Ein weiterer Ausweg seien Verhandlungen mit den Arbeitgebern, was allerdings schwierig sei, »denn in 99 Prozent der Fälle verlangen sie Geld. Sie haben viel an die Vermittlungsagentur gezahlt und wollen ihr Geld zurück.« Sind die Verhandlungen erfolgreich, wird das Arbeitsvisum der Frau annulliert und sie kann das Land verlassen.

Manchmal werden Frauen, die unter dem Vorwurf der Flucht verhaftet werden, aus dem Land abgeschoben, was jedoch ein gefährlicher Ausweg ist. In diesen Fällen werden die Frauen nämlich oft mehrere Monate lang im Gefängnis festgehalten, bevor sie freigelassen werden. Obendrein müssen sie ihr Rückflugticket selbst bezahlen.

Einige Länder mit einer großen Zahl von Arbeitsmigranten versuchen auch, bilaterale Abkommen mit dem Oman zu schließen, um ihre Bürger zurückzuholen. So hat Malawi vor Kurzem versucht, ein solches Abkommen mit dem Land zu schließen, allerdings sind die Gespräche bislang ergebnislos geblieben.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!