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Nach dem Olympia-Attentat 1972: »Es ist fast so, als ob man in Dachau tanzen würde«

Trümmer des Hubschreibers, den die Geiselnehmer 1972 mitsamt den darin befindlichen israelischen Geiseln in die Luft jagten. (© imago images/Heinz Gebhardt)
Trümmer des Hubschreibers, den die Geiselnehmer 1972 mitsamt den darin befindlichen israelischen Geiseln in die Luft jagten. (© imago images/Heinz Gebhardt)

Obwohl gerade elf israelische Sportler ermordet worden waren, wurden die Olympischen Spiele im München 1972 ohne Unterbrechung fortgesetzt.

Steve Rosenberg

»Sie sind alle tot.« Mit diesen tragischen Worten teilte der legendäre ABC-Sportmoderator Jim McKay der Welt am 6. September 1972 mit, dass elf israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München von palästinensischen Terroristen ermordet worden waren. Im Jahr 1972 verbreiteten sich die Nachrichten nur langsam, und als McKay die Welt um drei Uhr morgens informierte, schliefen die meisten Menschen noch und erfuhren erst später am Morgen von dem schrecklichen Ereignis.

In diesem Jahr begehen wir den 50. Jahrestag dieses schockierenden, sinnlosen und grausamen Terroranschlags, der in demselben Deutschland stattfand, das für das Dritte Reich und die Endlösung verantwortlich war, nur 27 Jahre nach dem Holocaust.

Als kleiner Junge lernte ich viel über die Olympischen Spiele und hörte Geschichten über die Spiele 1968 in Mexiko-Stadt, zu denen auch die erhobenen »Black Power«-Fäuste von Tommie Smith und John Carlos gehörten. Ich war gespannt auf die Spiele 1972 und darauf, den jüdischen Schwimmer Mark Spitz antreten zu sehen.

Doch am Morgen des 5. September 1972 wurde die Welt erschüttert. Um 4.30 Uhr morgens kletterten fünf palästinensische Terroristen der Gruppe »Schwarzer September« in schwarzen Trainingsanzügen über einen sechs Fuß hohen Zaun und betraten das Olympische Dorf. Sie blieben nicht unbemerkt, aber offenbar schien ihr Verhalten normal zu sein, denn die Athleten kamen und gingen regelmäßig über die Zäune. Die Terroristen trugen Taschen bei sich, in denen sie leicht Waffen verstecken konnten. Zu ihnen gesellten sich drei weitere Terroristen, denen es irgendwie gelungen war, sich Ausweise zu besorgen, die ihnen den Zutritt ermöglichten.

Die Terroristen wussten genau, wo sich die Israelis aufhielten, und klopften an die Tür. Der Ringkampf-Trainer Moshe Weinberg öffnete die Tür und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Er schrie, um seine israelischen Olympia-Kollegen zu warnen, und versuchte, die Terroristen zusammen mit dem Gewichtheber Joseph Romano in Schach zu halten. Aber es gelang ihnen nicht, und beide wurden getötet.

Später am Morgen gab Schwarzer September bekannt, dass sie neun israelische Geiseln festhielten und die Israelis getötet würden, wenn die arabischen Gefangenen nicht freigelassen würden. Schließlich wurde eine Einigung erzielt, und es wurden zwei Hubschrauber organisiert. Die Israelis wurden aufgeteilt und in die beiden Hubschrauber gesetzt. Scharfschützen versuchten jedoch, die Terroristen am Flughafen auszuschalten, und es kam zum Kampf. Die Terroristen sprengten einen der Hubschrauber in die Luft und töteten alle Israelis an Bord. Die verbleibenden Geiseln im zweiten Hubschrauber wurden durch Schüsse der Terroristen getötet.

Die Namen der getöteten Sportler sind David Berger, Ze‘ev Friedman, Yossef Gutfreund, Moshe Weinberg, Yossef Romano, Mark Slavin, Eliezer Halfin, Yakov Springer, Andre Spitzer, Amitzur Shapira und Kehat Shorr. Letztes Jahr, bei Spielen in Tokio, wurden diese Opfer endlich im Rahmen einer Olympischer Spiele gewürdigt.

Unglaublich ist, dass die Ermordung von elf Israelis nicht ausreichte, um die Organisatoren zu veranlassen, die Spiele 1972 abzusagen oder zu unterbrechen. Nichts wurde abgesagt – nicht eine einzige Veranstaltung. »Unglaublich, sie machen weiter«, schrieb Jim Murray von der Los Angeles Times. »Es ist fast so, als ob man in Dachau tanzen würde.« (…)

Während wir die Leistungen jüdischer Sportler ehren, dürfen wir nicht auf die »Münchener elf« vergessen. Möge die Erinnerung an sie ein Segen sein, und mögen wir niemals vergessen, welchen Preis sie für ihr jüdisches und israelisches Leben bezahlt haben.

(Der Artikel ist vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)

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