Von Stefan Frank
Unter Führung von CDU und Grünen hat der Oldenburger Stadtrat es am Montagabend geschafft, eine von der SPD eingebrachte Anti-BDS-Resolution so zu entkernen, dass die BDS-Unterstützer auf den Zuschauerrängen die Verabschiedung der Resolution mit Freude und Beifall quittierten.
Seit drei Jahren versucht der Anführer der Israelboykott-Bewegung BDS, Christoph Glanz (alias „Christopher Ben Kushka“), sich Zutritt zum städtischen Kulturzentrum PFL zu erstreiten, um dort für die Kampagne zum Boykott jüdischer Israelis zu werben. Gerne würde er dort „BDS-Workshops“ abhalten, antiisraelische Propagandafilme unter für ihn günstigeren Bedingungen zeigen als bei der misslungenen Freiluftvorführung am letzten Freitag, oder dem Krawallmacher Ronnie Barkan eine Bühne bieten, der sich derzeit in Berlin vor Gericht verantworten muss, weil er 2017 in Berlin eine Veranstaltung der israelischen Holocaustüberlebenden Dvora Weinstein an der Humboldt-Universität gestört hat. Das alles ist Glanz verwehrt, weil Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) zu Israelboykotteuren eine erfreulich klare Position hat: Sie müssen, was die Stadt Oldenburg und ihre Veranstaltungsräume betrifft, draußen bleiben.
Dass eine antisemitische Kampagne wie BDS, die den Staat Israel zerstören will und versucht, Juden von Musikfestivals oder Sportveranstaltungen auszuschließen, nichts in städtischen Gebäuden zu suchen hat, sollte eigentlich selbstverständlich sein; dies sollte nicht die Position einer einzelnen Partei sein, sondern aller Demokraten. So wie in Frankfurt, München, Dortmund oder jetzt in Essen, wo sogar die katholische Kirche sich zu Wort meldet und sagt, dass sie mit den BDS-Unterstützern in ihren Reihen („Pax Christi“) nichts zu schaffen hat.
Leider herrschen in Oldenburg andere Verhältnisse. Die SPD steht dort mit ihrer klaren Haltung gegen BDS allein, auch wenn der Stadtrat sich am Montagabend von BDS, so wörtlich: „distanziert“ hat. Die SPD-Fraktion hatte im Februar eine Resolution unter dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus! – Keine Zusammenarbeit mit der antisemitischen BDS-Bewegung“ eingereicht. In der Vorlage heißt es:
„Die Stadt Oldenburg bekennt sich vorbehaltlos zu ihrer historischen Verantwortung aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Sie steht im Einklang mit den Grundpfeilern der deutschen Außenpolitik solidarisch zu Israel und bekennt sich uneingeschränkt zu Israels Recht auf Existenz und Selbstverteidigung. Gerade wegen ihrer besonderen Verantwortung aus ihrer Stadtgeschichte verurteilt die Stadt Oldenburg ganz entschieden alle Formen von offenem und verdecktem Antisemitismus und alle Formen religiöser oder politisch motivierter Gewalt und Diskriminierung. Darüber hinaus lehnt sie jegliche Inhalte und Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ab. Das Handeln der Stadt Oldenburg und ihrer Organisationseinheiten sowie der städtischen Gesellschaften orientiert sich strikt an diesen Grundsätzen.“
Dieser erste Teil wurde am Montagabend vom Stadtrat beschlossen. Gestrichen wurden aber auf Antrag der CDU die Punkte, die festgelegt hätten, was Antisemitismus ist, und die der BDS-Kampagne tatsächlich einen Riegel vorgeschoben hätten. Gestrichen wurde etwa der Satz: „Die Stadt Oldenburg übernimmt die ‚Arbeitsdefinition Antisemitismus‘ in ihr Verwaltungshandeln.“ Eingefügt wurde stattdessen der bedeutungsschwache Satz: „Die Stadt Oldenburg distanziert sich von den Aktivitäten der BDS-Kampagne.“ Und auch der folgende Absatz wurde gestrichen:
„Für Raumvergaben sowie Vermietungen wird festgelegt, dass Organisationen und Personen, die Veranstaltungen in städtischen Einrichtungen durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, von der Raumüberlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten ausgeschlossen werden, da diese Kampagne nach der ‚Arbeitsdefinition Antisemitismus’ als antisemitisch angesehen wird.“
Indem der CDU-Änderungsantrag – der zusammen mit Grünen, AfD, FDP und einem Teil der Linken (zwei von vier Abgeordneten der Linken unterstützten den SPD-Antrag) jeglichen Bezug zu BDS-Unterstützern strich und stattdessen einen Gummiparagraphen einfügte, wonach diejenigen ausgeschlossen werden sollen, „die sich in der Vergangenheit nachweislich antisemitisch geäußert haben“, macht er die Resolution fast bedeutungslos. Eingeführt wird ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Auslegung bedarf: Was bedeutet „nachweislich antisemitisch“, wenn es keine Definition von Antisemitismus gibt? Wie will man Antisemitismus erkennen, wenn man nicht weiß, was Antisemitismus ist? Man muss sich vor Augen halten, dass deutsche Rechtssprechung festgestellt hat, dass etwa ein Brandanschlag auf eine Synagoge keineswegs antisemitisch ist, sondern „Kritik an Israel“. Weil deutsche Gerichte Antisemitismus so gut wie nie anerkennen, ist es in Deutschland zudem riskant, irgendjemanden als Antisemiten zu bezeichnen, wie der Fall Jürgen Elsässer gegen Jutta Ditfurth gezeigt hat.
Antisemitismus ohn Antisemiten
Dazu passt die folgende Anekdote über den Umgang mit Antisemiten in Oldenburg. Weil der Verfasser es leid war, dass Christoph Kiefer, der Lokalredakteur der Nordwest-Zeitung (NWZ), die Unterstützer der BDS-Kampagne stets respektvoll als „Israelkritiker“ bezeichnet – was zu absurden Schlagzeilen führt wie: „Stadt plant Hausverbot für Israelkritiker“ – schrieb er im März 2018 folgenden Leserbrief:
„Man sollte die ‚BDS’-Boykottbewegung nicht als ‚israelkritisch’ bezeichnen, sondern als das, was sie ist: eine Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, Israel zu vernichten, durch einen Boykott von Gütern und Menschen. BDS-Gründer Omar Barghouti – der selbst an der Universität Tel Aviv studiert hat – will Israel durch einen arabischen Staat ersetzen. Dass die BDS-Bewegung nur jüdische, nicht aber arabische Israelis boykottieren und ausgrenzen will, macht die rassistische Stoßrichtung klar. Dieser Antisemitismus, der an mittelalterliche Judengesetze und den Nationalsozialismus erinnert, ist der Grund, weshalb Demokraten aus ganz verschiedenen Parteien die BDS-Bewegung bekämpfen.“
Darauf erhielt er folgende Antwort des Redakteurs Christoph Kiefer:
„Vielen Dank für Ihren Leserbrief. Die Tatsachenbehauptung, BDS sei antisemitisch, ist auf dem Hintergrund der Rechtsprechung anfechtbar. Da wir für Tatsachenbehauptung auch in Leserbriefen verantwortlich sind, bitte ich die Zuschrift entsprechend zu ändern und neu zu schicken.“
Eine solche Rechtssprechung gibt es freilich nicht (wer hätte denn auch im Namen von BDS Klage einreichen sollen, die PFLP und die Hamas?), der Fall zeigt aber die Paranoia: Niemand in Deutschland traut sich, irgendjemanden im Zusammenhang mit Antisemitismus zu nennen (der berüchtigte Begriff „Israelkritik“ ist in Wahrheit nichts anderes als ein Platzhalter für das Wort, das nicht gesagt und geschrieben werden darf). Das Wort „Antisemitismus“ wollte der Lokalredakteur der NWZ also nicht nur selbst nicht benutzen, sondern es darf auch in keinem Leserbrief vorkommen. Gibt das der Oldenburger CDU im Hinblick auf die nun gefasste Resolution nicht zu denken?
Weil ein Abgeordneter der Fraktion Linke/Piraten sich bei der Stadtratssitzung am Montag nicht entblödete, BDS einmal mehr unter dem Deckmantel der „Meinungsfreiheit“ zu verteidigen, muss man es einmal klar sagen, wie die Dinge wirklich liegen: Es sind nicht die Antisemiten, sondern die Gegner des Antisemitismus, deren Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt ist. Nicht Antisemitismus ist in Deutschland verboten, sondern die Kritik daran. Es gibt in Deutschland einen Antisemitismus ohne Antisemiten. Niemand stellt den grassierenden Antisemitismus in Abrede; doch keinen Menschen in Deutschland darf man einen Antisemiten nennen (abgesehen vielleicht von dem Verleger Abraham Melzer, der sich vom Landgericht München gewissermaßen hat bescheinigen lassen, dass er „für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt“ ist). Petra Grönke-Müller etwa, die Richterin der Pressekammer des Münchener Landgerichts hatte bei dem Prozess Elsässer gegen Ditfurth im Jahr 2014 die folgende Antisemitismusdefinition angewandt:
„Ein glühender Antisemit in Deutschland ist jemand, der mit Überzeugung sich antisemitisch äußert, mit einer Überzeugung, die das Dritte Reich nicht verurteilt und ist nicht losgelöst von 1933-45 zu betrachten, vor dem Hintergrund der Geschichte.“
Nun mögen doch die Ratsfraktionen der Oldenburger CDU, der Grünen, der FDP, der AfD, der Liberalkonservativen Reformer (WFO-LKR) und der Fraktion Linke/Piraten bitte erklären, wie man angesichts der hier beschriebenen Gepflogenheiten noch irgendjemanden aus städtischen Räumen ausschließen kann, mit der Begründung, dieser habe sich „nachweislich antisemitisch“ geäußert. Der Sachbearbeiter, der einem Antragsteller eine solche Antwort gäbe, würde sofort verklagt werden. Vor Gericht bräuchte der Kläger dann nur zu sagen, dass er das Dritte Reich sehr wohl verurteile und 1945 noch gar nicht geboren gewesen sei – schwups, hätte er sich den Eintritt ins PFL erklagt. Darum war Glanz am Montagabend auch so gut gelaunt.
Genau vor einem solchen Ausgang hatte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck einige Tage vor der Abstimmung in einem Brief an die Fraktionen des Stadtrats eindringlich gewarnt. Er schrieb:
„Was eine antisemitische Äußerung ist, ist in der Rechtssprechung oft umstritten. Die Zivilgerichte haben in der Vergangenheit zum Teil absurde Anforderungen hieran gestellt. (…) Die BDS-Bewegung befördert und bedient oftmals antisemitische Muster. Ob dies jeweils von der Rechtsprechung als eindeutig so anerkannt wird, ist eine offene Frage. Damit wäre die Formulierung im Änderungsantrag, wenn diese nicht zumindest auch um eine eindeutige und explizite Absage an die Raumvergabe durch BDS-Organisationen ergänzt wird, für die Verwaltung schwerer handhabbar.“
Volker Becks warnende Worte verhallten ungehört. In die Resolution, deren Thema ja der Antisemitismus in Oldenburg sein sollte, wurde zudem auf Betreiben der Linken eine Passage eingefügt, wonach der Oldenburger Stadtrat sich für eine „Zwei-Staaten-Lösung“ des arabisch-israelischen Konflikts einsetzt.
Die Ratsdebatte
In der Debatte meldeten sich nur relativ wenige Ratsmitglieder zu Wort, was für das fehlende Interesse an dem Thema spricht. Die Abgeordnete, die für die Grünen sprach, erwähnte, wie viele Zuschriften sie in den vergangenen Tagen erhalten habe (was ihr lästig schien) und wie wenig sie über das Thema wisse (worauf sie stolz zu sein schien). „Erschreckt“ habe sie, dass diejenigen, die ihr geschrieben hätten, entweder ganz auf der einen oder ganz auf der anderen Seite gestanden hätten. An dieser Stelle benutzte sie das Bild von „schwarz und weiß“ und plädierte dafür, dass man doch „miteinander reden“ müsse – offenbar ist sie der Meinung, dass diejenigen, die den Staat Israel zerstören und diejenigen, die das verhindern wollen, sich irgendwo in der Mitte treffen könnten.
Der Abgeordnete der AfD hielt eine bizarre Rede über den britischen „Wirtschaftskrieg“ gegen Deutschland während des Ersten Weltkriegs und erklärte, dass er „Wirtschaftskriege“ generell ablehne, womit auch er das Thema der Sitzung verfehlte. Er schloss sich dem CDU-Antrag an. Für die CDU lobte Ratsherr Olaf Klaukien den Änderungsantrag. Es sei nicht „Aufgabe der Stadt“, „einzelne Gruppen“ auszuschließen, sagte er, ohne seine Forderung zu begründen. Man müsse vielmehr „alle“ Antisemiten aussperren. So hatte er es auch zuvor der NWZ gesagt: „Unser Antrag ist weitgehender: Allen Personen und Gruppierungen, die sich antisemitisch äußern, soll der Zugang zu städtischen Räumen verwehrt werden.“
Da Klaukien Jurist ist, wird er wissen, dass sich mit einem solchen Gummiparagrafen kein Verwaltungsbescheid schreiben lässt. Man muss also leider annehmen, dass die CDU und ihre in dieser Sache Verbündeten die Resolution vorsätzlich sabotiert haben. Indem er die Vorgabe erteilt, dass „allen“ Antisemiten die Räume verweigert werden sollen, sorgt Klaukien in Wahrheit dafür, dass ihnen allen die Tür geöffnet wird (ausgenommen lediglich diejenigen, die von sich selbst sagen, sie seien Antisemiten, was aber eine Sorte ist, die es seit 1945 so gut wie nicht mehr gibt).
Mit dem Verfahrenstrick, der Änderungsantrag sei „weitergehend“ – obwohl er es schon wegen der fehlenden Antisemitismusdefinition eben nicht ist –, schafften es CDU und Grüne, dass der Antrag der Verwaltung gar nicht erst zur Abstimmung gelangte, sondern einzig über den Änderungsantrag abgestimmt wurde. Mit den 28 Stimmen (von 46 anwesenden Ratsmitgliedern) von CDU, Grünen, AfD, FDP, der Hälfte der Fraktion Linke/Piraten und der Fraktion WFO-LKR wurde der Antrag angenommen.
„CDU und Grüne wollten dem OB eins reinwürgen“
Oldenburger, die die Ratssitzung verfolgt hatten, äußerten sich gegenüber Mena Watch anschließend enttäuscht. „Jeder hat die Verpflichtung, sich über Antisemitismus aufzuklären“, sagte die Lehrerin Cordula Behrens, 59. „Das haben CDU, FDP und Grüne nicht getan, was man ihren Redebeiträgen angemerkt hat. Sie hatten genug Zeit, den spezifischen Antisemitismus der Oldenburger BDS aufzudecken und zu benennen, wie er sich gerade in der ‚Apartheid-Week’ letzte Woche wieder einmal gezeigt hat.“ Aus Sicht von Kaveh Niknam, 58, Diplompädagoge aus dem Iran, war das Ergebnis „zu erwarten“ gewesen: „CDU und Grüne wollten dem Oberbürgermeister eins reinwürgen und haben gegen den Antrag gestimmt, weil er von ihm kam.“ Niknam erinnerte daran, dass beide Parteien in anderen Städten für gleichlautende Anträge gestimmt hätten.
Klaus Thörner, Sozialarbeiter und Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Oldenburg, 55, sagte: „Ich finde es fatal, wie die Grünen sich in dieser Diskussion verhalten haben, weil sie sich geweigert haben, sich in irgendeiner Weise inhaltlich zu positionieren und gegen die BDS-Kampagne Stellung zu nehmen.“ Die CDU wiederum falle „hinter die Beschlüsse der Bundespartei“ zurück: „Sie weigert sich konsequent, den Antisemitismus der BDS-Kampagne nachzuweisen. Ich hoffe aber darauf, dass die Verwaltung ihre Position konsequent vertritt und den Antisemitismus der BDS-Kampagne in Erfüllung dieses Auftrags ohne wenn und aber schriftlich dokumentiert.“
Drohende Rechtsunsicherheit
Mena Watch sprach am Dienstag mit der SPD-Ratsfrau Sara Rihl darüber, welche Folgen der Ratsbeschluss für Oldenburg haben könnte. Der Ursprungsantrag, sagt sie, „hätte bedeutet, dass die Arbeitsdefinition Antisemitismus dem Verwaltungshandeln zu Grunde liegt und ein Widmungszusatz zur Vergabe städtischer Räume konkret BDS die Nutzung städtischer Räume untersagt“. Durch den Änderungsantrag der CDU werde der konkrete Widmungszusatz „verunmöglicht“. „Stattdessen muss die Verwaltung nun die gesamte Raumvergabesatzung ändern. Hierfür liegen nach meinen Informationen noch keine Beispiele in Kommunen vor. Während also die Schaffung des Widmungszusatzes zugelassen hätte, BDS ab sofort Räume zu untersagen – und das mit der durch Gerichtsurteile wie in München hergestellten Rechtssicherheit – müssen wir jetzt hoffen, dass die Verwaltung andere Kommunen findet, die ähnliche Satzungsänderungen schon durchgeführt haben.“ Dadurch werde „im besten Falle“ der gesamte Prozess weiter herausgezögert. „Im schlimmsten Fall finden wir keine rechtssichere Möglichkeit der Satzungsänderung.“
Zudem drohten nun ganz neue Debatten, da eine Änderung der gesamten Satzung auch das Ausschließen anderer Diskriminierungsformen notwendig mache. „Jedes Mal, wenn das Thema wird, kommt auch wieder eine neue Extremismusdebatte auf uns zu.“ Ihr leuchte nicht ein, aus welchem Grund Grüne und CDU den Änderungsantrag überhaupt eingebracht hätten. „Keine der Fraktionen verteidigte in der Sitzung BDS, stattdessen wurde in den Redebeiträgen von CDU und Grünen klar, dass auch sie die Auffassung teilen, dass BDS antisemitisch ist.“
Am „meisten geärgert“ habe sie sich jedoch über den Änderungsantrag der Linken/Piraten („Zwei-Staaten-Lösung“) und die diskussionslose Übernahme durch die CDU. „Für mich verschiebt dieser eingefügte Satz über die gewünschte Zweistaatenlösung den gesamten Antrag. Was scheinbar immer noch nicht verstanden wurde, ist, dass es hier nicht darum geht, den Nahostkonflikt zu lösen. Es geht um Antisemitismus.“ Es sei die Taktik von BDS, den Antisemitismus der Kampagne zu „verschleiern“, indem immer dann, wenn dieser thematisiert werde, die Diskussion möglichst schnell darauf gelenkt werde, was Israel angeblich tue. „So vermischen sie durch ihren Aktivismus zwei komplett unterschiedliche Felder. Dass sich CDU, Grüne und Linke jetzt dieser Vermischung anschließen, schockiert mich.“ Auch in den von den BDS-Aktivisten zu Beginn der Ratsdebatte gestellten Einwohnerfragen sei diese Strategie klar erkennbar gewesen, so Riehl. „Statt klare Fragen zum Antrag zu stellen, wurden zum Teil über mehrere Seiten Unterstellungen ausgebreitet. Diese Fragen hatten rein gar nichts mit dem vorliegenden Antrag zu tun.“
Tatsächlich hatte ein Bürger, der von sich behauptete, ein „palästinensischer Flüchtling“ zu sein, den Oberbürgermeister gefragt, ob dieser es nicht „rassistisch“ finde, zu erklären, dass „fünf Millionen Palästinenser eine Gefahr darstellen und antisemitisch sein sollen“. Selbstredend hatte der Oberbürgermeister nichts Derartiges gesagt. Weiter fragte der Fragesteller, wie der Oberbürgermeister „Verantwortung für die deutsche Geschichte übernehmen“ wolle, wenn er den „Millionen Palästinenserinnen und Palästinensern, die bis heute den Preis für die Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden durch die Nazis in Europa zahlen“ – die 6,7 Millionen jüdischen Israelis hält er offenbar für versteckte Kosten des Holocaust – „nicht erlaubt, friedlich mit der BDS-Kampagne für ihre Freiheit zu streiten“.
Wie Sara Riehl sagt, habe Hans-Henning Adler, ein Ratsherr der Linken, dies dann als Vorlage genutzt, um „in Länge auf die Fragen einzugehen“. Ihrer Auffassung nach sei Adler auf den „Trick der BDS-Kampagne reingefallen“, die sich zunutze mache, dass es Leute gebe, die nicht in der Lage seien, „Antisemitismus von Meinungen zum Nahostkonflikt zu unterscheiden“. Sie hoffe, dass es der Verwaltung gelingen werde, eine „rechtssichere Satzungsänderung“ zu verfassen, um die Nutzung städtischer Räume für antisemitische Veranstaltungen zu untersagen, so Riehl.
Ähnlich äußert sich Elvira Grözinger, die Vorsitzende und Sprecherin des Vorstandes der deutschen Sektion von Scholars for Peace in the Middle East (SPME). Die Akademikerorganisation, der international 50.000 Mitglieder und Freunde angehören, wurde als Antwort auf die britischen Aufrufe zum Boykott israelischer Wissenschaftler und der dortigen Hochschulen gegründet und sieht es als ihre Mission, einen „ehrlichen, auf Fakten gegründeten zivilen Diskurs, insbesondere über Angelegenheiten des Nahen Ostens, zu fördern“. Gegenüber Mena Watch sagte Elvira Grözinger, sie erwarte nun „eine baldige, rechtlich bindende und fraktionsübergreifende Entscheidung in dieser Sache“. „Jeder weitere Tag, der vergeht, ohne dass sich die Stadt Oldenburg eindeutig gegen antisemitische Auswüchse positioniert, schadet dem guten Ruf der Stadt.“
Nachtrag: Die Türen öffnen sich schneller, als vom Verfasser geahnt. Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg am Mittwoch entschieden, dass die Stadt im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, „dem örtlichen BDS-Vertreter die Räume gemäß den Allgemeinen Geschäfts- und Benutzungsbedingungen zur Nutzung zur Verfügung zu stellen“. Dieser habe „Anspruch auf Überlassung einer der Räumlichkeiten der Antragsgegnerin zur Durchführung der geplanten Veranstaltungen gemäß § 30 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes“. „Für die anspruchsvernichtende Feststellung, dass der Antragsteller bzw. die BDS-Initiative nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehe, sei die Antragsgegnerin“ – also die Stadt Oldenburg – darlegungs- und beweislastpflichtig.“ Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung könne „aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse“ nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bzw. die BDS-Kampagne „nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ einstehe.