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Die Oktopus-Doktrin: Neue Phase im Schattenkrieg gegen das iranische Regime

Die iranischen Revolutionsgarden hatten in den vergangenen Wochen eine Reihe außergewöhnlicher Todesfälle zu verzeichnen. (© imago images/UPI Photo)
Die iranischen Revolutionsgarden hatten in den vergangenen Wochen eine Reihe außergewöhnlicher Todesfälle zu verzeichnen. (© imago images/UPI Photo)

Während sich im Iran außergewöhnliche Todesfälle häufen, spricht Israels Premier von einem »strategischen Kurswechsel« gegenüber dem Iran.

Die Serie an außergewöhnlichen Todesfällen im Iran reißt nicht ab. Im Mai fiel ein hoher Offizier der für die Pasdaran-Auslandseinsätze verantwortlichen Quds-Brigaden einem Attentat zum Opfer. Kurz danach wurde bei einem zunächst als »Unfall« bezeichneten Drohnenangriff auf einen Stützpunkt bei Parchin ein Ingenieur getötet, der für das Verteidigungsministerium gearbeitet haben soll und von den Behörden als »Märtyrer« eingestuft wurde.

Sodann stürzte Ali Esmaelzadeh, ein hochrangiges Mitglied der Revolutionsgarden, unter ungeklärten Umständen von seinem Balkon in Teheran in den Tod. Er soll bei der geheimnisumwobenen »Einheit 840« gearbeitet haben, die für Tötungsaufträge an fremden Staatsbürgern im Ausland zuständig ist. (Mutmaßungen zufolge könnte es sich hierbei allerdings um einen inszenierten Selbstmord gehandelt haben – Esmaelzadeh soll unter Spionageverdacht für Israel gestanden sein.)

Dann berichtete die New York Times über den mysteriösen mutmaßlichen Vergiftungstod zweier Wissenschaftler. Der eine, Ayoub Entezari, soll als Luftfahrtingenieur für ein militärisches Forschungszentrum in Yazd an Antriebssystemen für Raketen und Flugzeuge gearbeitet haben. Der andere, Kamran Aghamolaei, sei ein Geologe gewesen, der unbestätigten Berichten zufolge in der Atomanlage nahe Natanz gearbeitet habe.

Mit Ali Kamani, der für die Luft- und Raumfahrtabteilung der Revolutionsgarden gearbeitet haben soll, und einem Wissenschaftler namens Mohammad Abdous verloren gleich zwei Männer unmittelbar hintereinander bei Autounfällen ihr Leben, die Waffen für die Hisbollah entwickelt haben sollen.

Und zuletzt starb mit Wahab Premarzian ein weiterer Offizier der Revolutionsgarden, der in der Luft- und Raumfahrtabteilung der Pasdaran tätig gewesen sein soll.

Strategischer Kurswechsel

Diese Häufung an Todesfällen unter Männern, die allesamt entweder den Revolutionsgarden angehörten oder aber mit Waffenentwicklung zu tun hatten, ist jedenfalls äußerst auffällig, und viele Finger deuten bei der Suche nach den Verantwortlichen in Richtung Israel.

Wie Jonathan Spyer im Wall Street Journal bemerkt, war Premier Naftali Bennett schon länger der Meinung, dass der jüdische Staat sich nicht mehr bloß auf das iranische Atomwaffenprogramm konzentrieren dürfe, sondern dieses als einen Teil des regionalen Vormachtstrebens des iranischen Regimes betrachten müssen. Als damaliger Verteidigungsminister habe Bennett im Februar 2020 zu Journalisten gesagt:

»Wenn die Tentakel des Oktopusses dich treffen, musst du dich nicht nur gegen die Tentakel wehren, sondern auch dafür sorgen, dass der Kopf erstickt wird. … Jahrelang haben wir gegen die iranischen Tentakel im Libanon, in Syrien und im Gaza-Streifen gekämpft, aber wir haben uns nicht genug darauf konzentriert, den Iran selbst zu schwächen. Jetzt vollziehen wir einen Paradigmenwechsel.«

Am Montag vor zwei Wochen soll Bennett Ynet News zufolge vor dem Außenpolitik- und Verteidigungsausschuss des israelischen Parlaments bestätigt haben, dass Israel im vergangenen Jahr einen »strategischen Kurswechsel« vorgenommen habe:

»Israel operiert gegen die vielen Tentakel des iranischen Terrors, und zwar nicht nur auf die Art und Weise, wie es in den vergangenen Jahrzehnten getan wurde. Die Zeiten, in denen der Iran Immunität genoss, wenn er Israel angriff und über seine Stellvertreter Terrorismus verbreitete, sind vorbei. Wir sind immer und überall im Einsatz und werden dies auch weiterhin tun.«

Immer und überall – das heißt vor allem auch, dass der Kopf des Oktopusses zunehmend ins Visier genommen werden dürfte. Bennetts Äußerung bestätigt damit, was hier bereits Ende Mai analysiert wurde: dass der israelische Schattenkrieg gegen das iranische Regime in eine neue Phase eingetreten ist.

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