„Wir wenden uns an Sie, verehrte Botschafter, die eingeladen wurden, die Teile des Evin-Gefängnisses zu besuchen, die die Verantwortlichen ihnen zeigen wollten. Sie alle wissen, dass der Iran und insbesondere die Gefängnisbehörde wegen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen Sanktionen unterworfen sind. Seit Jahren hat der Iran den Sonderberichterstattern der UNO (vormals Ahmed Shaheed, zur Zeit Asma Jahangir) die Einreise und Berichterstattung verwehrt. Nun sind Sie, die in Teheran stationierten Botschafter, ob Sie es wollten oder nicht, zu Sprachrohren der iranischen Täuschungskampagne über die Menschenrechtslage geworden.
Ist Ihnen bekannt, dass das Evin-Gefängnis in Wirklichkeit aus mehreren Abteilungen und Haftanstalten besteht? Hatten Sie die Gelegenheit, Abteilung 209 (die Abteilung des Innenministeriums), Abteilung Doppel A (die Abteilung des Geheimdiensts der Revolutionsgarden) oder Abteilung 241 (die Abteilung des Justizgeheimdiensts) zu besichtigen? Haben Sie die Einzelhaftzellen ohne Fenster, Luftfluss und sanitäre Einrichtung gesehen? Haben sie die Finsternis in den dunklen und engen Räumen und Schächten gesehen, in denen die Verhöre stattfinden? Hat man Ihnen die berühmten Grabeszellen gezeigt? Wie steht es mit den ‚Frischluft‘-Pausen, wenn Gefangene mit verbundenen Augen und bedecktem Haupt an den Händen gefesselt ausgeführt werden? Iranischen Zeitungen zufolge haben Sie ehrenwerte Menschen die Haftbedingungen und Räumlichkeiten des Gefängnisses besichtigt und waren erstaunt, wie vorzüglich alles ist! Hatten Sie Gelegenheit mit den Gefangenen zu sprechen? Erzählten sie Ihnen, wie oft sie verhaftet wurden, wie lang sie in Einzelhaft waren, wie sie verhört wurden und welche körperlichen und psychischen Foltern sie durchgemacht haben? (…)
Man lud Sie ein, um Sie auszunützen und mit etwas Schall und Rauch die Berichte nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen über die Gefängnisse des Landes als ‚unbegründet und haltlos‘ abzutun. Sie hätten etwas tun können, um die Bedingungen in den iranischen Gefängnissen zu verbessern, und können das auch jetzt noch. Doch dazu brauchen Sie einen realistischen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse – anstelle einer zum Schein inszenierten Show.“ (Atena Daemi & Golrokh Iraee’s Open Letter from Evin Prison“)