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An Claudia Roth: Antisemitismus bekämpft man nicht nur mit Worten

Sacha Stawsky fordert Claudia Roth in offenem Brief auf, den Kampf gegen Antisemitismus ernst zu nehmen
Sacha Stawsky fordert Claudia Roth in offenem Brief auf, den Kampf gegen Antisemitismus ernst zu nehmen (© Imago Images / imagebroker)

Offener Brief an die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth anlässlich ihres Auftritts bei der Jewrovision 2023.

Sacha Stawski

Sehr geehrte Frau Kulturstaatsministerin Roth,

aus gegebenem Anlass erlaube ich mir, Ihnen im Nachgang zur Jewrovision (nochmals) ein Exemplar des von mir mitherausgegebenen Buches Neu-alter Judenhass zukommen zu lassen. Wie Sie bei der Jewrovision erlebt haben, gibt es allen Grund, Ihre Haltung zum Thema Antisemitismus noch einmal Revue passieren zu lassen und in vielerlei Hinsicht zu überdenken. Vielleicht kann dieses Buch, das heute noch immer aktueller denn je ist, einige Gedankenanstöße dazu geben.

Die Jugendlichen wie auch alle anderen – zu denen auch ich zählte –, die während Ihrer Begrüßungsworte gebuht haben, können Ihnen Ihre Haltung in Bezug auf die Antisemitismus-Skandale der vergangenen Jahre nicht verzeihen. Angefangen von Ihrer Haltung gegenüber der Israelboykott-Bewegung BDS und Ihrer Ablehnung des BDS-Beschlusses des Deutschen Bundestages bis hin zu Ihrer Nicht-Reaktion beziehungsweise Ihrem Nicht-Handeln in Bezug auf die Skandale rund um die documenta: Nichts ist vergessen oder verziehen.

Genauso wenig lässt sich schönreden, wie Sie, allen Warnungen zum Trotz, bei Antisemitismus immer wieder weggeschaut haben, dass Sie BDS nahestehenden oder Antisemitismus fördernden sogenannten »Kulturschaffenden« zu erfolgreichen Karrieren verholfen haben, und dass diese teilweise weiterhin mit staatlicher Förderung beschäftigt oder unterstützt werden. Das hat nicht nur die jüdische Gemeinschaft nicht vergessen. 

Genauso wenig haben wir vergessen, dass Sie im Iran ein Kopftuch aufgesetzt und sich mit dem mörderischen Regime in fröhlicher Runde getroffen haben. Die Fotos von Ihnen mit Repräsentanten dieses Verbrecherregimes haben sich uns allen ins Gedächtnis geprägt.

Liebe Frau Roth, oder liebe Claudia, wie ich Sie genannt habe, als wir noch per Du waren, damals, als wir noch gemeinsam gegen Antisemitismus demonstrierten: Was ist nur schiefgelaufen, dass wir Dich heute zum Lager derer zählen müssen, die Antisemitismus in diesem Land fördern und gegen die wir dementsprechend demonstrieren müssen?

Schöne Worte und nette Reden allein haben nichts mit Antisemitismusbekämpfung zu tun. Am Ende sind es einzig und allein die Taten, die zählen, und Deine Taten in Bezug auf die Förderung von Antisemitismus sprechen leider Bände.

Es ist niemals zu spät, das eigene Handeln zu überdenken und Umkehr zu leisten. Auf der Jewrovision wolltest Du anscheinend eine Art Koscher-Stempel von den jüdischen Jugendlichen und der jüdischen Gemeinschaft. Diesen hast Du eindeutig nicht bekommen. Die unmissverständlichen Buhrufe sollten Dir ein Weckruf zur Reflexion sein.

Wir alle schätzen das hohe Gut der Kunst- und Meinungsfreiheit in Deutschland. Aber so sehr wir dieses auch schätzen, wissen wir zugleich auch, dass eben dieser Freiheit Grenzen gesetzt werden müssen, wenn es um Antisemitismus, Volksverhetzung und Menschenfeindlichkeit geht. Die Grenzen dessen, was antisemitisch ist und was nicht, sind klar durch vorangegangene Beschlüsse des Bundestages vorgegeben – zuletzt durch die 2019 erfolgte Anerkennung der Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA).

Als erstes Zeichen dafür, dass Du dieses Thema ernst nimmst, solltest Du alle staatlichen Förderungen durch Dein Ministerium davon abhängig machen, dass die Förderungsempfänger eben diese Definition akzeptieren und nichts gefördert wird, was dieser Definition widerspricht. (Zur praktischen Anwendung der IHRA-Definition siehe auch dieses Handbuch.)

Verdiene Dir die Anerkennung, die Du anscheinend gesucht hast und kehre zurück in den Kreis derer, die Antisemitismus nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten bekämpfen.

Mit herzlichen Grüßen,
Sacha Stawski
Vorsitzender Honestly Concerned e.V.

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