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»Nur die Sterne waren nah.« Teil 22: Zeit gewinnen

Die Zeit für die Widerstandskämpfer aus Palästina läuft ab: Deportation ungarischer Juden aus Budapest
Die Zeit für die Widerstandskämpfer aus Palästina läuft ab: Deportation ungarischer Juden aus Budapest (Quelle FORTEPAN / Pesti Srác / CC BY-SA 3.0)

In dieser Reihe stellen wir die jüdische Dichterin und Widerstandskämpferin Chana Szénes vor. Sie emigrierte 1939 als 18-Jährige von Ungarn nach Palästina, wo sie sich 1943 einer Freiwilligeneinheit des britischen Geheimdienstes anschloss, deren Ziel es war, als Fallschirmspringer über feindlichem Gebiet abzuspringen, um abgeschossene britische Piloten und Juden zu retten.

Yoel Palgi und Peretz Goldstein treffen Rudolf Kasztner, der sie über die Deportationen von Juden in die Vernichtungslager informiert sowie über seine Pläne, durch Verhandlungen mit Eichmann Hunderttausende davor zu bewahren. Sie begreifen, dass es angesichts des von ihnen erwarteten baldigen Siegs der Alliierten darum geht, Zeit zu gewinnen.

Obwohl sie gebürtige Ungarn waren, waren Chana Szénes, Yoel Palgi und Peretz Goldstein im Sommer 1944 gewissermaßen als Fremde in ein völlig verändertes Land gekommen, ohne das nötige Wissen, um irgend etwas zur Rettung der Juden – oder abgeschossener britischer Piloten (was ja die offizielle Mission war) – Nützliches unternehmen zu können. Die Informationen, die sie hatten, stammten von Emigranten und waren im günstigsten Fall auf dem Stand von Dezember 1943, bevor die palästinensischen Fallschirmspringer sich auf den Weg zum Training nach Kairo gemacht hatten. Die deutsche Besatzung, die Ghettos und die Deportationen nach Auschwitz waren Umstände, die niemand vorhergesehen hatte.

Vier Adressen und Telefonnummern hatte Yoel Palgi in Palästina auswendig gelernt. Da war zum einen die von Rudolf Kasztner vom Hilfs- und Rettungskomitee; die anderen drei waren enge Vertraute Kasztners: Joel Brand, Samuel Springman und Mosche Schweiger.

Brand und Springman waren gar nicht mehr in Ungarn. Mosche Schweiger vom zionistischen Untergrund war gleich nach dem deutschen Einmarsch verhaftet worden. Elisheva (Erzsebet) Kurcz, die der Kontakt zu Schweiger hätte sein sollen, hatte aufgelegt, als Palgi sie angerufen, den Code gesagt (»Hier spricht die Gewerkschaft«) und nach Schweiger gefragt hatte. Sie hatte, wie sie später berichtete, sich nicht erklären können, wie jemand den Code hatte kennen können, aber nicht wusste, dass Schweiger seit Monaten im Gefängnis saß.

Der Einzige, der Palgi jetzt noch blieb, war Rudolf Kasztner selbst, ein Freund aus Kindheitstagen in Kolozsvár, Siebenbürgen. Palgi war vier Jahre alt gewesen, als seine Eltern in das Mehrfamilienhaus zogen, in dem die Familie Kasztner wohnte. Rudolf Kasztner war elf Jahre älter. Palgi schrieb:

»Er war für mich das Symbol der Reife. Als ich aufs Gymnasium kam, hatte er sein Studium bereits abgeschlossen und arbeitete als Nachwuchsreporter für den Sportteil einer Zeitung. Jahre später wurde er als talentierter politischer Korrespondent bekannt. Führungsstärke, Talent, Kühnheit, jüdische Herzlichkeit und zionistische Begeisterung vereinten sich in diesem Mann. Er war Anführer einer militanten zionistischen Bewegung für Intellektuelle und Studenten – Barissia –, und ich war einer der Anführer der Pionierjugendbewegung gewesen, die ideologisch und organisatorisch mit der Gruppe verbunden war. In ihm fand ich einen Mann, auf den man sich in schwierigen Zeiten verlassen konnte.«

Weil die ungarische Regierung der Vorkriegszeit nicht zwischen Revolutionären und Zionisten unterschied, waren auch diese immer wieder von Schulverweisen und Verhaftungen wegen illegaler Aktivitäten betroffen gewesen; Kasztner hatte ihnen dann geholfen. Palgi wusste nach eigenen Angaben von Kasztners Aktivitäten und dass es sicherlich nicht klug wäre, zu seinem Haus zu gehen. »Aber es gab keine Wahl. Ich musste ihn dringend treffen.«

Besuch bei Kasztner

Yoel Palgi beschreibt seine Anstrengungen, etwaige ihn verfolgende Geheimpolizisten abzuschütteln: Wie er in ein Kino ging, die Vorstellung mitten im Film verließ, sich in ein Café setzte, mit dem Taxi quer durch die Stadt fuhr, um schließlich in eine abfahrende Straßenbahn zu springen und anschließend mit der U-Bahn weiterfuhr. Um vier Uhr nachmittags war er bei Kasztner, dessen Hilfs- und Rettungskomitee ein wichtiger Anlaufpunkt für Budapester Juden war. Wohl jeder, der im Juni 1944 zu Kasztner kam, kannte Juden, die deportiert worden waren, und fürchtete, dass ihm das gleiche Schicksal bevorstand.

»Um vier Uhr kam ich in der eleganten Pension an, wo Dr. Kasztner wohnte. Ich stieg die Treppe hinauf, seine Frau kam mir entgegen. Ich erkannte sie aus meiner Kindheit. Damals hatte ich das Haus ihres Vaters besucht, und ich hatte sie mehrmals wiedergesehen, nachdem sie Kasztner geheiratet hatte. Mein Herz pochte. Würde sie mich wiedererkennen? Viele Jahre waren vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Ich hatte jetzt einen Schnurrbart und trug einen ungarischen Hut mit einer Feder, in der Art, wie ihn die nationalistisch-faschistischen Studenten trugen. Ich betrachtete dieses Treffen als einen Test, um herauszufinden, ob ich vor meinen Freunden und Bekannten stehen und vorgeben konnte, sie nicht zu kennen.«

Frau Kasztner sah ihn an, ohne ihn zu erkennen. Im weitläufigen Wartezimmer drängten sich Besucher, von denen die meisten den gelben Stern trugen. Sie blickten verstohlen zu ihm hinüber. Palgis Erscheinung erzeugte Unruhe, die sich verstärkte, als Peretz Goldstein eine Viertelstunde später auftauchte – auch er natürlich ohne gelben Stern und darum sofort auffällig.

Einige verließen deshalb den Warteraum, ohne Kasztner getroffen zu haben, auf den sie so lange gewartet hatten. Schließlich wurde Palgi mit dem von ihm angegebenen falschen Namen aufgerufen, der auch in seinen gefälschten Papieren stand: »Herr Varga, bitte.« Kasztner erkannte ihn nicht, als Palgi vor ihm stand, ihm in die Augen sah und mit Handschlag sagte: »Varga.« – »Dr. Rezsö Kasztner«, antwortete dieser. »Was kann ich für Sie tun, mein Herr?« Palgi bat um ein Vieraugengespräch.

Als Kasztner die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sprach er Kasztner mit seinem hebräischen Vornamen an: »Israel, erkennst du mich nicht?« Kasztner erbleichte: »Du! Yoel! Yoel! Bist du verrückt? Wie bist du hierhergekommen?« – »Das ist eine lange Geschichte. Bitte in der Zwischenzeit den Herrn rein, der sich Pinter nennt. Das ist Peretz Goldstein, du wirst dich an ihn erinnern.«

Kasztner war verwirrt. Daran erkannte Palgi, dass Chana Szénes noch nicht bei ihm gewesen war. Es war kein guter Zeitpunkt für ein längeres Gespräch. Kasztner schilderte kurz die Situation: Juden aus ganz Ungarn würden in die Vernichtungslager deportiert. Das Schicksal der Juden in Budapest würde sich bald entscheiden. Es gebe einen großen, wagemutigen Plan zur Rettung der Juden. Goldsteins Eltern seien in einem deutschen Lager in Budapest inhaftiert, aber nicht in Gefahr. Er werde am nächsten Tag Erklärungen geben.

Kollaboration und Widerstand

Palgi und Goldstein nahmen sich ein Hotelzimmer. In dem Restaurant, in dem sie zu Abend aßen, vergnügten sich Gestapo-Offiziere. Palgi sah keine Anzeichen dafür, dass die örtliche Bevölkerung etwas gegen die Anwesenheit der Nationalsozialisten einzuwenden hatte. Wie leicht wäre es, hier einen Anschlag zu verüben, dachte er und wurde wütend darüber. Er malte sich in einem Tagtraum aus, wie kleine Partisanentrupps in Ungarn Angriffe verüben würden, er Juden nach Jugoslawien brächte und die Alliierten ihm Sprengstoff mit einem Fallschirm zukommen ließen.

Am nächsten Morgen trafen er und Peretz Goldstein Kasztner wieder. Sie saßen in einem dunklen Zimmer und tranken Kaffee. Kasztner erzählte von den Bemühungen von Aktivisten der zionistischen Jugendbewegung, so viele Juden wie möglich aus Ungarn herauszubringen. Manche von ihnen kannte Palgi persönlich:

»(Sie) wussten, dass man sich nicht auf Wunder verlassen konnte, wussten, was die jüdische Bevölkerung nach der Eroberung durch die Nazis erwartete. Sie hatten viele bittere Erfahrungen von ihrer Arbeit zur Rettung von Juden aus Polen gesammelt. Die Prozedur der Vernichtung war ihnen vollständig bekannt: Erst der gelbe Aufnäher, dann das Ghetto und schließlich wurden die Juden in Waggons, die zum Transport von Vieh bestimmt waren, geladen, ehe die Reise zu den Gaskammern begann.

Es gab einige, die den Henkern entkommen waren und sie mit ihren eigenen Augen gesehen und auf der eigenen Haut gespürt hatten, die Wirklichkeit der Vernichtungslager. Jene, denen es gelungen war, nach Ungarn zu fliehen, hatten die Bewegungsaktivisten mit ihrem Gefühl der Gefahr angesteckt, die drohte. Und sie arbeiteten zusammen, als ein Körper, brachten ihre Freiheit und ihr Leben in Gefahr, um eine rettende Hand in Richtung Slowakei und Polen auszustrecken. Nun, da die Mörder auch Ungarn erreicht hatten, schworen sie, dass es diesmal nicht passieren werde!«

Schon vor der Nazi-Invasion hatten sie massenhaft gefälschte Papiere hergestellt, welche die Inhaber als »Arier« auswiesen. Doch die Juden hätten den Warnern nicht geglaubt, so Palgi:

»Ein mutiges Mädchen – sein Name war Hannah Ganz – schlich sich in der Nacht vor der Deportation unter Einsatz seines Lebens in das Ghetto mit einem Koffer voll gefälschter Pässe und sagte: ›Nehmt diese, rettet euer Leben.‹ Und einige riefen: ›Verschwinde, oder wir übergeben dich der Polizei!‹ Sie hatten Angst, dass sie wegen Fälschung ins Gefängnis gesteckt werden würden – und wurden nach Majdanek gebracht. Hannah Ganz war eine von vielen. Sie überlebte, um ihre Geschichte zu erzählen und von ihrer Befreiung. Doch viele der Retter zahlten den Versuch, jene zu retten, die ihnen nicht glaubten, mit ihrem Leben.«

Manche Juden wurden in die Slowakei geschmuggelt, deren jüdische Bevölkerung bereits in die Vernichtungslager deportiert worden war und die nicht sicherer war als Ungarn. Eine andere Route führte nach Rumänien, wo noch viele Juden lebten und es eine Möglichkeit zur Ausreise nach Palästina gab.

»Der Umfang der Rettungsaktion im Vergleich zum Holocaust, der die ungarischen Juden traf, war gering und der Erfolg dürftig. Doch der Mut, die Selbstaufopferung, der Einfallsreichtum und die Hingabe, die darin investiert wurden, waren enorm. Es war ein hoffnungsloses, scheinbar zweckloses Unterfangen, Juden von Polen in die Slowakei, von der Slowakei nach Ungarn und von Ungarn zurück in die Slowakei oder nach Rumänien zu schmuggeln – und wie lange noch? Und würden die Nazis Rumänien erreichen oder die Slowakei ein zweites Mal angreifen? Hatte es überhaupt einen Sinn, weiterzumachen?

Selbst wenn eine Operation erfolgreich war, gab es Opfer, und die mutigsten Aktivisten bezahlten oft mit ihrem Leben. Trotzdem sagten sie: ›Wir müssen weitermachen. Es gibt keinen anderen Weg!‹ Doch ein anderer Weg musste gesucht werden, und sie verausgabten sich, bis sie einen fanden. Diejenigen, die in ihrer Unschuld glaubten, den Weg gefunden zu haben, waren Yoel Brand, Otto Komoly, Dr. Kasztner, Hansi Brand, Shmuel Springman und Endre Biss. Wenn es funktionierte, könnten sie ungarische Juden retten.«

Der Weg waren die Verhandlungen mit Adolf Eichmann und SS-Obersturmbannführer Kurt Becher, die Kasztner führte. »Wir werden Hunderttausende retten!«, habe Kasztner mit funkelnden Augen zu ihm gesagt, schrieb Palgi. Er, Palgi, habe ihm gesagt, wie unrealistisch die Idee sei: Glaubten die Nazis wirklich, die Juden würden die alliierten Mächte kontrollieren und hätten die Macht, sie zu Verhandlungen mit den Nazis zu drängen, um Juden zu retten? Und falls sie das glaubten, glaube er, Kasztner, die Alliierten würden den Nazis kriegswichtige Güter wie Lkw geben, die dann gegen sie benutzt würden?

Kasztner war unbeirrt: Die Alliierten seien so überlegen, dass sie mit der einen Hand alles zerstören könnten, was sie mit der anderen gegeben hatten. Würden sie denn stattdessen zu Joel Brand, den Kasztner nach Istanbul gesandt hatte, sagen, das Schicksal der Juden wäre ihnen gleichgültig? Palgi erwiderte: Selbst, wenn die Alliierten einen solchen Deal würden machen wollen, würde das wegen der öffentlichen Meinung nicht gehen – das gäbe einen Aufstand. Weder die Soldaten noch die Fabrikarbeiter, die die Güter produzieren müssten, würden da mitspielen. Und die Sowjets, die die Hauptlast des Kriegs trügen, würden es als Verrat ansehen.

Ausweglose Lage

Kasztner zeigte ihm Telegramme, die Brand ihm geschickt hatte: »Verhandlungen gehen weiter – Joel Brand«, »Chancen gut – Joel Brand«, »Sie sind interessiert – Joel Brand«. – »Warum dann die Verzögerung seiner Rückkehr?«, fragte Palgi. »Eine dreiwöchige Verzögerung ist kein Grund zur Beunruhigung. Du siehst selbst, dass alles gut läuft.« Er deutete auf die Telegramme. »Kapierst du nicht?«, blaffte Palgi ihn an:

»Brand ist nicht zurück, weil er nicht zurückkommen kann! Ihm ist seine wirkliche Lage klar geworden. Wenn er mit leeren Händen zurückkehrt, fangen sie sofort mit den Deportationen an. Wäre er vor drei Wochen zurückgekommen, gäbe es keinen einzigen Juden mehr in Budapest, und die Gaskammern würden jetzt auf voller Kapazität laufen. Nein, dein Freund Joel Brand wird nicht zurückkommen, und das ist gut so. Es ist kein Verrat, sondern ein Akt der Weisheit. Er wird weiter Telegramme schicken, bis ihm klar wird, dass es niemanden mehr gibt, der sie in Empfang nehmen kann. Auf diesen Moment müssen wir uns vorbereiten. Aber bis dahin müssen wir alles tun, um den Glauben der Deutschen an Brands verrückte Mission aufrechtzuerhalten. Wir müssen Zeit gewinnen!«

Joel Brand war am 19. Mai 1944 in Istanbul angekommen. Anders als von ihm gedacht, hatten weder die Jewish Agency noch irgendein anderer, dem er Eichmanns Vorschlag hatte überbringen wollen, für ihn ein Aufenthaltsvisum besorgt. Brand erinnerte sich nach dem Krieg:

»Der türkische Beamte erklärte mir, ich dürfe nicht in die Stadt, ich müsse auf dem Flugplatz bleiben. Das Flugzeug würde mich in der Frühe nach Wien zurückbringen. Ich war verzweifelt. Ich sah schwarz. Was würde in Budapest geschehen? Eichmann hatte mit uns verhandelt, weil sein Nazigehirn überzeugt war, dass wir die Vertreter einer geheimen Weltmacht seien. Jetzt würde er sehen müssen, dass meine Verbindungsleute nicht einmal die Macht hatten, mir ein türkisches Visum zu besorgen. Die Reaktion der Deutschen war vorauszusehen. Sie würden mich und die ganze Waada [Hilfs- und Rettungskomitee in Budapest; Anm. Mena-Watch] sofort verhaften und nach Auschwitz schicken, und damit würde das Massaker der führungslos gebliebenen ungarischen Juden beginnen.«

Brand war überzeugt, dass die türkischen Behörden ihn sofort in den Machtbereich der Nazis zurückgeschickt hätten, hätte nicht Bandi Grosz, der Agent, den Eichmann ihm zur Seite gestellt hätte, eingegriffen.

Grosz hatte gute Kontakte zu den türkischen Regierungskreisen und erreichte, dass er und Brand nach Syrien weiterreisen durften. Am 7. Juni wurde Brand in Aleppo von den Briten verhaftet. Am 10. Juni 1944 gelang es ihm während seiner Haft, Moshe Sharrett, dem Leiter der politischen Abteilung der Jewish Agency, die Lage der ungarischen Juden sowie Eichmanns Vorschlag offenzulegen. Brands Hoffnung war, Hunderttausende Juden zu retten, gelänge es ihm, zumindest Verhandlungen zu simulieren, und zwar bis zur baldigen Befreiung Ungarns durch die Alliierten, mit der er rechnete.

»Wenn alles scheitert, wenn wir den Deutschen nur versprechen, was wir nicht halten können, dann haben wir hunderttausend Menschen gerettet. Ist das wenig? Dazu kommt noch, dass unsere normale Arbeit weitergeht. Wir können die Leute arisieren, wir können sie verbunkern. Viele werden zu den Partisanen flüchten. Wir geben ihnen Zeit. Kostbare Zeit. Jede Stunde sind das fünfhundert vor dem Tod Gerettete.»

In Ungarn machte sich Eichmann währenddessen keine Illusionen über den wahrscheinlichen Ausgang von Brands Mission. Am 9. Juni 1944 teilte er Kasztner mit, dass er, sollte er innerhalb von drei Tagen keine Antwort von Brand erhalten, »die Mühlen von Auschwitz mahlen lassen« werde. Das war eine von Eichmanns Lügen: Die Deportationen waren ohnehin die ganze Zeit weitergegangen.

Neben Moshe Sharett sprach auch Ira A. Hirschmann vom US-Kriegsflüchtlingsrat (War Refugee Board), das der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt eingerichtet hatte, mit Brand. Beide informierten hochrangige Führer im Jischuw, der jüdischen Gemeinde im Mandatsgebiet Palästina, sowie führende Mitglieder der amerikanischen und britischen Regierung. Trotz der Bitten der Jischuw-Führung entschied sich die britische Regierung gegen jegliche Verhandlungen mit der Gestapo und verweigerte Brand die Rückkehr nach Ungarn.

Palgi und Goldstein besprachen das, was Kasztner ihnen gesagt hatte. Beide waren der Meinung, dass die Verhandlungen mit Eichmann wertvolle Zeit bringen könnten. Dass sie in britischer Mission in Budapest waren, sagten sie Kasztner nicht. An eine Adresse des britischen Geheimdienstes schickten sie ein Telegramm: »Tante ist krank.« Den Morsesender, sollte das heißen, konnten sie derzeit nicht benutzen.

In der Serie »Nur die Sterne waren nah« bisher erschienen:

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