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»Nur die Sterne waren nah.« Teil 18: Gesegnet sei das Streichholz

Gedenkbriefmarke für die jüdischen Fallschirmspringer aus Palästina im Zweiten Weltkrieg
Gedenkbriefmarke für die jüdischen Fallschirmspringer aus Palästina im Zweiten Weltkrieg (Quelle: National Library of Israel)

In dieser Reihe stellen wir die jüdische Dichterin und Widerstandskämpferin Chana Szénes vor. Sie emigrierte 1939 als 18-Jährige von Ungarn nach Palästina, wo sie sich 1943 einer Freiwilligeneinheit des britischen Geheimdienstes anschloss, deren Ziel es war, als Fallschirmspringer über feindlichem Gebiet abzuspringen, um abgeschossene britische Piloten und Juden zu retten.

Der deutsche Einmarsch in Ungarn am 19. März 1944 durchkreuzt alle Pläne. Unter den Juden entbrennt eine hitzige Diskussion, was nun zu tun sei. Selbst unter Verbündeten begegnen sie Antisemitismus. Chana Szénes erklärt Yoel Palgi ihre Sicht auf das Schicksal der Juden und ihre Mission. Die Begegnung mit einer jüdischen Partisanin beeindruckt sie tief.

Am 13. März 1944 war Chana Szénes mit dem Fallschirm über Jugoslawien abgesprungen und bei den Partisanen gelandet. Sie konnte nicht wie geplant die ungarische Grenze überqueren, da die deutsche Wehrmacht das Grenzgebiet besetzt hatte und der Weg versperrt war. Reuven Dafni erinnerte sich:

»Chana wollte weiter ins benachbarte Ungarn ziehen, doch gleich zu Beginn trafen wir auf eine Mauer der Realität. Wir mussten die ungarische Grenze zu Fuß erreichen und die Partisanen teilten uns mit, dass eine Überquerung unmöglich sei, da die Deutschen das Grenzgebiet erobert hätten. ›Ihr müsst warten‹, sagten sie. 

Wenige Tage später erfuhren wir, dass die Deutschen auch Ungarn besetzt hatten. Es war eine katastrophale Nachricht für uns alle – und es war das erste Mal, dass ich Chana weinen sah. Ich dachte, sie weine nur wegen ihrer Mutter, die sie, wie ich wusste, vergötterte und der jetzt sicherlich alles Mögliche passieren konnte. Doch unter Schluchzen rief sie aus: ›Was wird mit ihnen allen geschehen … mit der Million Juden in Ungarn? Sie sind jetzt in deutscher Hand – und jetzt sitzen wir hier, sitzen einfach nur da.‹«

Ihr Gewissen habe »keine Ruhe gekannt«, so Dafni. »Es war, als stünde die Erde unter ihr in Flammen. Permanent suchte sie nach Möglichkeiten, die Grenze zu überqueren, aber wir waren völlig von den Partisanen abhängig, und unser Ziel war ihnen fremd.«

Yoel Palgi hatte sich in Bari von Chana verabschiedet. Er war vier Wochen nach ihr, am 13. April, abgesprungen und traf sie wenige Wochen später in Jugoslawien wieder. Er erinnerte sich, wie sie sich verändert hatte: »Chanas Augen funkelten nicht mehr. Sie war kalt, ihre Argumentation messerscharf, sie traute Fremden nicht mehr. Sie ahnte, dass die Partisanen uns nur widerwillig halfen und uns in die Irre führten. Wir diskutierten mit ihr darüber; doch sie blieb hartnäckig und schaffte es schließlich, auch uns misstrauisch zu machen.« Später sei klar geworden, wie recht sie gehabt hatte:

»Die Partisanen betrachteten uns als Verbündete, aber sie trauten uns nicht. Und wenn Chana schon vorher schwierig im Umgang war, so war sie es jetzt noch zehnmal mehr. Anfangs hatte sie die Kräfte, die in ihr schlummerten, nur gespürt, doch nun war sie sich ihrer voll bewusst und hatte grenzenloses Vertrauen in sich selbst. Was genau diese Veränderung in Chana auslöste, ist schwer zu sagen – vielleicht die deutsche Besatzung Ungarns oder so oft unter feindlichem Beschuss zu sein –, aber was immer der Grund war, ihr Sendungsbewusstsein intensivierte sich. Sie war ungeduldig und wollte keine Verzögerung, egal, wie vernünftig der Ratschlag war.«

Chana habe »ihre eigene Theorie« gehabt:

»Wir sind die Einzigen, die möglicherweise helfen können. Wir haben nicht das Recht, an unsere eigene Sicherheit zu denken. Wir haben kein Recht zu zögern. Selbst, wenn die Chancen unseres Erfolgs winzig sind, müssen wir gehen. Wenn wir aus Angst um unser eigenes Leben nicht gehen, wird eine Million Juden gewiss ermordet werden. Wenn wir Erfolg haben, kann unsere Arbeit einen großen und wichtigen Weg für Aktivitäten öffnen. Dank unserer Anstrengungen werden viele gerettet werden.«

Er habe gefühlt, dass sie im Unrecht sei, hielt Yoel fest: »Wenn wir feindliches Gebiet betraten und scheiterten, wäre die gesamte Operation am Ende – wie es in anderen Ländern schon passiert war.« So sah es auch Reuven. Chana aber argumentierte, sie seien nicht gekommen, um die Mission nur dann auszuführen, sollte es keine Risiken geben. 

Der Streit berührte tiefschürfende Fragen: Ab welchem Punkt wird Mut zum Irrsinn, schlägt Vorsicht in Feigheit um? Jene, die zur Vorsicht rieten, hielten sich nicht für feige – und waren es ja auch nicht, sonst hätten sie sich niemals freiwillig gemeldet und wären nicht mit dem Fallschirm über Feindesland abgesprungen. Chana wiederum hielt sich nicht für tollkühn, sondern wollte lediglich das tun, was in ihren Augen notwendig und moralisch geboten war. Yoel Palgi reflektierte später:

»Die Medaille hatte zwei Seiten, auf der einen Seite war es unmöglich, mit gefalteten Händen herumzusitzen, während die Deutschen einer Million Juden Gewalt antaten. Das konnten wir nicht auf unserem Gewissen haben. Es wäre besser gewesen, niemals zurückzukehren als zurückzukehren und versagt zu haben. Auf der anderen Seite: Hatten wir das Recht, uns in Gefahr zu begeben, wenn es keine Hoffnung gab, die Mission auszuführen? Waren wir nur gekommen, damit die jüdische Gemeinschaft in Palästina ihrer Verpflichtung ledig war und sagen konnte, wir haben Leute gesandt und sie sind in ihrer Pflichterfüllung gefallen?

Nein, wir hatten nicht den Wunsch, bloße Opfergaben zu sein. Unser Zweck war zu helfen, nicht uns selbst zu opfern. Wir strebten nicht danach, zum Symbol zu werden, ohne wirklich gehandelt zu haben.«

Chana bestand darauf, dass jeder nach seinem Gewissen handeln sollte; fremde Autoritäten konnte sie in dieser Frage nicht akzeptieren. 

 Antisemitismus in den eigenen Reihen

Die Diskussion um die Frage des Grenzübertritts trotz der deutschen Besatzung begann die Beziehungen nicht nur zwischen den jüdischen Freiwilligen und den Partisanen, sondern auch zwischen Juden und Briten und unter den Juden selbst zu belasten.

Hinzu kam der schwelende Antisemitismus bestimmter britischer Armeeangehöriger. So erinnerte sich Yoel Palgi an einen Streit mit einem britischen Offizier namens John: Nachdem Chana Szénes mit anderen zu einem Vorstoß über die Grenze aufgebrochen war, wollte Yoel versuchen, sie einzuholen und ihr zu helfen, nach Budapest zu kommen. John hielt die Idee für gut, bestand aber darauf, selbst zu gehen. »Wieso du?«, fragte Yoel, »du sprichst kein Ungarisch!« – »Ich bin der übergeordnete Offizier«, erwiderte John. »Außerdem, was bringt dich zu der Annahme, dass sie bereits die Grenze überquert haben? Ich habe gehört, dass sie immer noch in der Grenzregion festhängen. Ich werde zusehen, dass sie rüberzukommen. Ich kenne euch Leute, wenn der Zeitpunkt zum Handeln kommt, macht ihr die Fliege.«

Yoel war vor Wut fast sprachlos, meinte dann aber in ruhigem Ton:

»Du Bastard. Du weißt genau, dass wir gekommen sind, um unsere Brüder vor den Öfen und Gaskammern zu retten. Ihr, das große Empire, wart nicht bereit zu helfen. Ihr wart nicht bereit, uns auch nur ein einziges Flugzeug zu geben, um dorthin zu kommen. Wären wir dazu fähig, hätten wir alles selbst gemacht, ohne Hilfe von euch. Aber ihr habt darauf bestanden, dass wir als eure Agenten operieren, weil ihr nicht viele habt, die bereit sind, diesen Job zu machen. Es ist eure Schuld, dass unser Abflug verzögert wurde, bis die Deutschen Ungarn erobert hatten, und nun hast du den Nerv, uns mit Dreck zu bewerfen!«

Im Raum herrschte Stille. Peretz Goldsteins Augen funkelten wie Blitze. Mac, ein anderer britischer Offizier, lag auf dem Rücken und starrte an die Decke. Grandeville, der österreichische Jude in der britischen Armee, senkte den Blick und errötete, während John kreidebleich wurde. 

»Er war zu weit gegangen und jedes weitere Wort hätte wahrscheinlich eine Explosion ausgelöst. Nach einem langen, beklemmenden Schweigen antwortete er: ›Ihr Juden übertreibt ständig. Ich glaube diese Vernichtungsgeschichten nicht. Aber es ist gut, dass ihr euer wahres Gesicht gezeigt habt. Ich wusste immer, dass ihr Palästina-Juden uns feindlich gesinnt seid.‹» Mac intervenierte: »Ich mag die Juden auch nicht. Sie profitieren vom Krieg, auf unsere Kosten. Aber sie zu vernichten – nein, Sir. Und ihr macht einen guten Eindruck auf mich. Ihr seid nicht wie andere Juden. Ich respektiere euch.«

Grandeville stand auf und verließ den Raum. Yoel begann zitternd, seine Maschinenpistole auseinanderzunehmen und die Teile zu ölen. Goldstein tat es ihm gleich. Von da an brachen sie den Kontakt zu John ab. Grandeville und Mac fungierten als Übermittler von Nachrichten, »wie bei einem Kinderspiel«, so Yoel Palgi. Es wurde vereinbart, dass nichts über den Streit zu den Partisanen dringen durfte, da sie nicht wissen sollten, dass Juden in der Gruppe waren.

Es war nicht das einzige Mal, dass die jüdischen Freiwilligen antisemitische Haltungen zu spüren bekamen. Yoel Palgi erwähnte eine junge »charmante Wienerin« und Partisanin, die ein Auge auf Yonah Rosen geworfen hatte ohne zu wissen, dass Juden in der britischen Spezialeinheit waren. Sie hatte in Zagreb gemeinsam mit ihren Eltern gelebt, die von der Ustascha getötet wurden. Sie und ihr Ehemann konnten flüchten und schlossen sich in den Wäldern den Partisanen an, wobei ihr Mann einige Wochen später im Kampf gefallen sei. Sie schloss ihre Geschichte mit den Worten: »Die Deutschen und Faschisten töten Millionen Menschen. Sie haben drei Millionen Serben umgebracht.« – »Und Millionen Juden!«, rief Yonah aus. – »Ich mag keine Juden«, erklärte die schöne Wienerin beiläufig.

»Ich fühlte mein Gesicht erröten. Sie merkte nicht einmal, dass wir ganz still waren, als sie erklärte, warum sie keine Juden möge. Ich hatte nicht den Mut, meinen Freunden in die Augen zu sehen. Wir drei wahrten den Anschein, aber jeder von uns schämte sich dafür. Wir trennten uns von der Wiener Partisanin mit düsteren Gedanken. Warum hassten uns alle? Was würde aus den Überlebenden werden, wenn Freiheitskämpfer, welche die Faschisten hassten, mit den Nazis einer Meinung waren, wenn es um die Juden ging?«

Und dann gab es noch jenen Kommandanten der Partisanen, der den serbischen Juden zum Vorwurf machte, in den Tod gegangen zu sein, ohne Widerstand zu leisten: »Nur ganz wenige von ihnen sind zu uns gekommen, um zu kämpfen!«, schimpfte er. Palgi kommentierte: »Was immer für eine Wahrheit in der Aussage war, sie war verdreht.«

Das Lied der Partisanen

Einige Tage nach dem Streit brach die britische Einheit gemeinsam mit zehn Partisanen ins Grenzgebiet auf. Dort angekommen, entschuldigte sich John: »Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Ihr habt bewiesen, dass ich euch unterschätzt habe.« Yoel Palgi mochte seine ausgestreckte Hand nicht ausschlagen, hatte aber ein schlechtes Gefühl, das sich in den folgenden Tagen bestätigt habe: John habe die Partisanen geringschätzig behandelt und diese hätten mit gleicher Münze zurückgezahlt, was auch die Juden, die aus Sicht der Partisanen Briten waren, zu spüren bekamen. Lediglich dem Jugoslawen Reuven Dafni hätten sie vertraut. 

Chana Szénes beneidete die Partisanen dafür, dass sie in Eintracht in ihrem eigenen Land kämpften. Als sie eines Nachts am Lagerfeuer saßen und patriotische Lieder sangen, meinte sie zu Yoel Palgi: »Wäre es uns doch beschieden, in Ungarn mit unseren eigenen Leuten zusammenzusitzen, die Lieder unseres Landes zu hören, die von jüdischen Freiheitskämpfern gesungen werden.« Yoel sah ein Funkeln in ihren Augen. »Unsere eigenen Freiheitskämpfer?«, fuhr sie fort.

»Hör dem Lied der Partisanen zu. Es ist erfüllt von brennendem Schmerz, doch sie kämpfen auf ihrem eigenen Boden für die Freiheit. Das Blut dieses Volkes wird für sein eigenes Land vergossen. Fällt einer von ihnen, wird ihn sein eigener Boden umarmen, seine Wildblumen werden sein Grabmal sein. Ihr Lied weint, aber es jubelt auch über den Tag ihrer Freiheit. Und wir? Wofür werden wir kämpfen? Wir sind wie gejagte Tiere, und der Teufel lacht über unser Sterbenszittern …«

Yoel nahm ihren Arm und sie entfernten sich vom Kreis der Partisanen. »Was werden wir den Juden sagen, die wir dort noch finden werden?«, fragte Chana.

»Was werden wir ihnen versprechen? Freiheit? Eine neue Welt? Kompensation ihres Leids? Eine Entschädigung für die Opfer? Wir haben keine Neuigkeiten für sie. Nur die Forderung, dass sie kämpfen sollen, Rache nehmen und ehrenvoll sterben. Unreiner Boden wird das Blut unserer Gefallenen trinken, unreiner Boden wird gedüngt werden mit den Leichen unserer Gefallenen – um eine Ernte aus Gold zu tragen für die Nachkommen der Mörder! Die Lieder der jüdischen Partisanen werden widerhallen, aber nicht gemildert werden von dem fröhlichen Schrei der Hoffnung und dem Glauben an Sieg.«

»Glaubst du denn nicht an die Gründung von Israel?«, fragte Yoel, worauf Chana antwortete:

»Mein Herz sagt mir, dass wir keine Juden mehr retten werden. Wir werden den wenigen Verbleibenden auf dem Weg zur Hinrichtung unseren Respekt zollen. Und selbst, wenn Tausende gerettet werden oder Zehntausende, werden sie die Kraft haben, einen neuen Krieg für das Leben der Nation zu beginnen? Ich fühle auch, dass den Resten von Ungarns Judentum das gleiche Schicksal bevorsteht wie anderswo. Darum müssen wir handeln, ohne Kosten oder Konsequenzen abzuwägen. Es tut mir leid, dass ich euch in der Hitze der Diskussion verletzt habe, aber ich musste. Wir müssen sofort handeln. Meine Ungeduld ist nicht wegen meiner Mutter. Natürlich ist es für mich schrecklich, daran zu denken, was mit ihr passieren mag. Aber wir müssen auch andere retten als jene, die uns nahe sind. Wagen wir es nicht, erst dann loszugehen, wenn es zu spät ist. 

Wenn es Hitler gelingt, das ganze europäische Judentum zu vernichten, haben wir auch in Palästina keine Zukunft. Die jüdische Siedlung dort wird ohne den Anstoß der Einwanderung und Entwicklung verblühen. Wenn wir dieses Mal zusammenbrechen, könnten weitere zweitausend Jahre vergehen, bis eine neue Gruppe von Pionieren auftaucht, die genügend Kraft hat, um von vorne zu beginnen. Ich weiß nicht, was ich getan habe, um mit dieser heiligen Aufgabe betraut zu werden, aber ich weiß, dass ich jetzt, wo ich angefangen habe, nicht umkehren kann. Sollte ich mich selbst retten? Für was, für wen? 

Auch wenn wir scheitern, werden wir nicht verurteilt werden, aber wir werden von unserem Gewissen gerichtet. Könnten wir damit leben? Ich muss gehen. Und wenn ich sterbe, wird es nicht vergebens sein. Vielleicht werden die Juden ein Gerücht hören, dass eine Agentin aus Palästina versucht hat, zu ihnen zu gelangen und bei dem Versuch gestorben ist, und die Herzen in den Wäldern und in den Ghettos werden von dem Gedanken belebt werden: Wir müssen weitermachen, sie haben uns nicht aufgegeben, sie haben uns nicht vergessen, vielleicht ist die Rettung nah. Vertrauen kann Wunder wirken. Ich muss gehen. Nein, ich will leben. Ich erwarte eine Menge vom Leben, aber ich muss mein Recht zu leben zurückkaufen.«

Der Mond war verschwunden, die Partisanen hatten das Feuer gelöscht. Yoel nahm Chanas Hand und sagte: »Da, wo du hingehst, da will auch ich hingehen.« Zurück im Haus vereinbarten sie, sich in Budapest bei der Großen Synagoge nach der Messe am Abend des Schabbats zu treffen. Sollte es keine organisierten jüdischen Gebete mehr geben, würden sie sich am Sonntag bei der Krönungskirche sehen.

Gesegnet sei das Streichholz

Als an einem Abend die Juden und ihre Begleiter in einem Dorf unter dem Kommando einer Partisanenkommandantin untergebracht waren, gab es für Reuven Dafni eine Überraschung:

»Ich kannte sie! Wir waren seit unserer Kindheit befreundet, hatten im selben Viertel gelebt und gemeinsam gespielt. Die Jahre des Terrors hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, und trotz ihrer Jugend war ihr Haar von grauen Strähnen durchzogen. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass wir alle im Raum Juden waren. Diese Entdeckung begeisterte uns sehr und wir fühlten uns durch ein fast heiliges Band verbunden. Sie offenbarte uns, die wir in Palästina so beschützt gewesen waren, das schreckliche Leid der Juden in der Diaspora, und wir, die sie für britische Offiziere gehalten hatte, die nur mit militärischen Angelegenheiten befasst seien, erzählten ihr von Eretz und der Heimat, die wir aufbauten. Chana war tief beeindruckt von dieser Begegnung.«

Yonah Rosen, der nach dem Krieg in den Kibbuz Maagan am See Genezareth zurückkehrte, erinnerte sich im Jahr 2001:

»Wir verbrachten zwei Nächte dort. Chana trat vor eine Gruppe von Partisanen und sprach. Unter ihnen war auch eine junge Jüdin. Die Emotionen schlugen hoch. Wir verbrachten die ganze Nacht mit dieser jungen Jüdin. Sie hatte beschlossen, Kommunistin zu werden und war deshalb eingezogen worden, um mit den Partisanen zu kämpfen. Die junge Frau sagte: ›Ihr seid nach Israel gegangen. Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen. Und ich bin hier. Ich bin eine Partisanin, aber innerlich bin ich Jüdin geblieben.‹«

Chana Szénes war tief bewegt von dieser Begegnung. Ein oder zwei Tage später überreichte sie Reuven Dafni ein von ihr verfasstes Gedicht mit dem Titel Ashrei HaGafrur (Gesegnet sei das Streichholz):

»Ashrei ha-gafrur she-nisraf ve-hitzit lehavot.
Ashrei ha-lehava she-ba’ra bi-sitrei levavot.
Ashrei ha-levavot she-yad`u lachdol bechavod.
Ashrei ha-garfrur she-nisraf ve-hitzit lehavot.«

»Gesegnet sei das Streichholz, das in der sich entzündenden Flamme verzehrt wird.
Gesegnet sei die Flamme, die in der geheimen Feste des Herzens brennt.
Gesegnet sei das Herz, das die Kraft hat, seinen Schlag einzustellen, um der Ehre willen. 
Gesegnet sei das Streichholz, das in der sich entzündenden Flamme verzehrt wird.«

In der Serie »Nur die Sterne waren nah« bisher erschienen:

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