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»Niemand hat mehr Angst vor der Hisbollah«

Salut der Hisbollah für bei einem israelischen Luftangriff getötete Kämpfer der Terrorgruppe
Salut der Hisbollah für bei einem israelischen Luftangriff getötete Kämpfer der Terrorgruppe (Quelle: JNS)

Die Hisbollah ist zwar noch in der libanesischen Regierung vertreten, wurde jedoch politisch, militärisch und finanziell dramatisch geschwächt. Dennoch wird die Armee nicht gegen sie vorgehen.

Josh Hasten

Die Hisbollah ist zwar noch in der libanesischen Regierung vertreten, wurde jedoch durch die israelische Militäroperation Northern Arrows nicht nur militärisch, sondern auch politisch und finanziell erheblich geschwächt, wie israelische Experten berichten. Während der elfmonatigen Operation eliminierte Israel bis zu 4.000 Hisbollah-Aktivisten, darunter auch hochrangige Anführer wie Generalsekretär Hassan Nasrallah, bevor am 27. November 2024 ein Waffenstillstand in Kraft trat. Nach Einschätzung des israelischen Militärs verlor die Terrororganisation auch den Großteil ihrer strategischen Waffen und ihres Raketenarsenals.

Obwohl die Hisbollah erheblich geschwächt ist, beließ die libanesische Regierung die Terrorgruppe in ihren Reihen, trotz des Drucks der US-Regierung, sie außen vor zu lassen. Die Hisbollah und ihre schiitischen Verbündeten von der Amal-Bewegung behalten weiterhin fünf hochrangige Ministerposten in der 24-köpfigen Regierung, die am heurigen 9. Februar vom libanesischen Premierminister Nawaf Salam gebildet wurde. »Während [der stellvertretende Sondergesandte des US-Präsidenten für den Nahen Osten] Morgan Ortagus vor einer Regierungsbeteiligung der Hisbollah warnte, sind die Libanesen Weltmeister darin, internationale Forderungen zu umgehen und haben die Terrorgruppe auf raffinierte Weise als Regierungspartei durchgesetzt«, erklärte die Gründerin und Präsidentin des Alma Research and Education Centers Sarit Zehavi.

Allerdings, so merkte Zehavi an, habe die Hisbollah nicht mehr wie in früheren Regierungen die Macht des Vetorechts im politischen System. Dies und die Tatsache, dass die Terrorgruppe militärisch viel schwächer ist als früher, da der Großteil ihrer Führung zerschlagen wurde, stelle eine »goldene Gelegenheit« dar, um im Libanon wirklich etwas zu verändern, sagte sie gegenüber dem Jewish News Syndicate (JNS).

Einfluss geschwächt

Der Senior Fellow für Nahost-Angelegenheiten am Jerusalem Center for Security and Foreign Affairs, Jaques Neriah, stimmte dem zu, als er erklärte, der politische Einfluss der Hisbollah sei geschwächt. Nach der Niederlage gegen Israel befinde sie sich aber nicht nur politisch, sondern auch finanziell in einer sehr schwierigen Lage, fügte der im Libanon aufgewachsene Neriah hinzu, der 24 Jahre lang im israelischen Geheimdienst tätig war.

Das unabhängige extraterritoriale Bankensystem der Hisbollah, bekannt als Qard al-Hasan (arabisch für »guter Kredit«), sei zusammengebrochen, sagte er. »Die Bank hatte zwei Millionen Kunden, eigene Geldautomaten und dreißig Büros«, wovon die meisten von Israel zerstört wurden. »Das brachte die Hisbollah in eine Notlage, weil sie das Gold und den Schmuck der Kunden nicht zurückgeben kann.«  Die Bank nutzte ein Pfandsystem, bei dem Libanesen ihr Gold und ihren Schmuck als Sicherheit hinterlegten und dafür zinslose Darlehen erhielten.

Dies, so Neriah, veranlasste die Hisbollah, Bargeld aus dem Iran in den Libanon fliegen zu lassen. »Israel warnte den Libanon jedoch über die Vereinigten Staaten, die Rollbahn des Beiruter Flughafens zu bombardieren, sodass diese Praxis eingestellt wurde. Daher befindet sich die Hisbollah in einer akuten Finanzkrise.«

Zu den Problemen der Hisbollah kommt der Zusammenbruch des Assad-Regimes in Syrien hinzu, so Neriah gegenüber JNS. »Sie hat keine territoriale Verbindung mehr zwischen dem Libanon, Syrien, dem Irak und dem Iran. Dies behindert auch ihre Logistik im Hinblick auf die Beschaffung von Waffen, die in syrischen Tunneln gelagert wurden. Dies war ein wichtiger strategischer Vorteil.«

Laut Neriah ist die Terrorgruppe derzeit in zwei Fraktionen gespalten. Ein Teil der Organisation gesteht die Niederlage gegen Israel ein und ist bereit, seine Waffen abzugeben und sich gemäß der Resolution 1701 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen als politische Partei in den Libanon zu integrieren. Die andere meint, die Hisbollah ist nur dann legitimiert, wenn sie gegen Israel kämpft und kein Recht mehr habe, als Bewegung zu existieren, sollte sie ihren Kampf gegen Israel beenden.

Laut Neriah steckt diese zweite Gruppe hinter dem jüngsten Raketenabschuss auf Israel aus dem Libanon, obwohl die Terrororganisation jegliche Verantwortung dafür von sich weist. Sie verfolge damit zwei Ziele: Einerseits wolle sie zeigen, dass die Hisbollah noch immer präsent sei, und andererseits Israel zu einem militärischen Vorgehen drängen, um die libanesische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Regierung zu machtlos sei, um Israel aus dem Libanon zu vertreiben. »Nach ihrer Logik gibt es keinen Grund, sich an den Waffenstillstand zu halten, wenn die Regierung dies nicht kann, weswegen der ›Widerstand‹ wieder aufgenommen werden müsse.«

Die Tatsache, dass es der libanesischen Armee nicht gelingt, die Hisbollah zu zügeln und ihre Waffen gemäß der Waffenstillstandsvereinbarung zu beschlagnahmen, führt Neriah darauf zurück, dass etwa sechzig Prozent der libanesischen Soldaten schiitische Muslime sind, von denen die meisten Wurzeln im Südlibanon haben, wo die Hisbollah ihre Hochburgen hat. In vielen Fällen bedeute eine Konfrontation mit der Hisbollah daher, dass Soldaten gegen ihre eigenen Familien zu den Waffen greifen müssten. Deswegen und weil davon auszugehen ist, dass die Terrorgruppe die Waffen nicht freiwillig niederlegen werde, müsse Israel »für lange Zeit« eine militärische Präsenz im Südlibanon aufrechterhalten, so die Analyse des Experten.

Keine Angst mehr

Der Forschungsstipendiat am Israel Center for Grand Strategy und Experte für die arabische Welt, Edy Cohen, meint, dass die von Hassan Nasrallah geführte Hisbollah vor dem Krieg und die heutige Hisbollah zwei unterschiedliche Organisationen seien. Die Gruppe »war noch nie so schwach. Dies ist das erste Mal, dass sie Probleme hat«, sagte Cohen, der wie Neriah im Libanon aufgewachsen ist.

Laut Cohen ist es aufgrund der Umstände, in denen sich die Terrorgruppe aktuell befindet, irrelevant, dass die Hisbollah neben Amal noch andere Minister in der Regierung hat. Mit dem Tod von Nasrallah war die Hisbollah gezwungen, Joseph Aouns Wahl zum Präsidenten im Januar und die Bildung einer Regierung unter Premierminister Nawaf Salam zu akzeptieren, obwohl beide Amtsträger öffentlich die Entwaffnung der Hisbollah forderten. Die Hisbollah sei im Wesentlichen zu einer Sozialfürsorgeorganisation geworden, die die ihr verbliebenen Mittel zur Unterstützung ihrer vom Krieg betroffenen Anhänger einsetze.

Dennoch glaubt auch er wie Neriah, dass die libanesische Armee niemals gegen die Hisbollah kämpfen werde. Als er in Beirut gelebt hatte, war einer der Söhne seiner Nachbarfamilie in der libanesischen Armee, während zwei andere Mitglieder der Hisbollah waren. »Die meisten libanesischen Soldaten sind Schiiten. Sie sind arm und ungebildet, also gehen sie sowohl zur Armee als auch zur Hisbollah.« In gewisser Weise seien die Hisbollah und die libanesischen Streitkräfte miteinander verbunden, fügte Cohen hinzu.

Trotzdem sei der Einfluss der Hisbollah im Libanon drastisch zurückgegangen, stellte er abschließend fest. »Die Bürger des Libanons sprechen sich jetzt offen gegen die Organisation, gegen Nasrallah und gegen Naim Qassem, Nasrallahs Nachfolger, aus. Zu Lebzeiten von Nasrallah hätten die Libanesen das nicht gewagt. Niemand hat mehr Angst vor der Hisbollah.«

Josh Hasten ist Nahost-Korrespondent für Jewish News Syndicate und moderiert die wöchentliche Radiosendung Israel Uncensored auf The Land of Israel Radio Network. Als preisgekrönter freiberuflicher Journalist ist er regelmäßiger Gast für Fernseh- und Radiointerviews bei CNN, BBC, Sky News, Fox, APTV, WABC, ILTV, i24News. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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