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New Yorker Bürgermeisterkandidat Andrew Yang und sein Problem mit Israel

Andrew Yang auf Wahlkampftour in New York
Andrew Yang auf Wahlkampftour in New York (© Imago Images / UPI Photo)

Nachdem Yang von pro-palästinensischen Aktivisten unter Druck gesetzt worden war, schwächte er seine Kritik der Israelboykott-Bewegung BDS deutlich ab.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung vor muslimischen Unterstützern der Demokratischen Partei in New York hat der aussichtsreiche New Yorker Bürgermeisterkandidat Andrew Yang (46) seine Gegnerschaft gegenüber der Kampagne BDS, die den Staat Israel durch Boykotte von Menschen und Waren zerstören will, abgeschwächt.

Er relativierte Äußerungen, die er im Januar in einem Artikel für das jüdische Wochenmagazin The Forward gemacht hatte, in dem er versprochen hatte, sich als Bürgermeister dieser Kampagne entgegenzustellen. Dafür war Yang von Anti-Israel-Aktivisten heftig kritisiert worden.

In dem Gastbeitrag hatte er versichert, dass er sich als Bürgermeister „gegen die BDS-Bewegung wehren“ werde, „die allein Israel auf unfaire Weise wirtschaftlich bestrafen“ wolle. „BDS“, erklärte er, „wurzelt nicht nur im antisemitischen Denken und in einer Geschichte, die auf faschistische Boykotte jüdischer Unternehmen zurückgeht, sondern ist auch ein direkter Angriff auf New Yorks Wirtschaft“.

Schrittweise Abschwächung

Darauf am 24. Februar bei einer Veranstaltung des Muslim Democratic Club New York angesprochen, gab Yang eine Antwort, die man so verstehen konnte, als wäre er nur gegen bestimmte Tendenzen innerhalb der BDS-Kampagne, aber nicht gegen den Israelboykott an sich:

„Mein Standpunkt zu BDS ist, dass ich nicht damit einverstanden bin, weil sie es versäumt haben, sich von bestimmten Organisationen abzugrenzen, die gewalttätige Absichten gegenüber Israel zum Ausdruck gebracht haben.“

Er habe ein „Problem“, so Yang, mit Organisationen, die „sehr, sehr gewalttätige Taktiken” gegenüber Israel nicht ablehnten, aber „kein Problem mit Einzelpersonen oder Aktivisten“, „die sich für das einsetzen, was sie für richtig halten“. Er fügte hinzu, dass sein am 22. Januar im Forward erschienener Beitrag diese beiden Dinge vielleicht „durcheinandergebracht“ habe („confused those two“).

Damit ist nun unklar, welche von Yang im Forward getätigten Äußerungen und Versprechungen überhaupt weiterhin gültig sind. Es scheint, als würde er die Bedeutung seines Beitrags herunterspielen wollen.

Dass er tatsächlich etwas „durcheinandergebracht“ haben könnte, ist unglaubwürdig. Yang hatte seine Äußerungen ja in einer Befragung der demokratischen Bürgermeisterkandidaten zum Thema BDS, die der Forward am 11. Februar – also rund drei Wochen später – veröffentlichte, wiederholt.

Auch da schon hatte er sie allerdings gegenüber seinem Gastbeitrag abgeschwächt. In diesem hatte Yang geschrieben, BDS gehe auf „faschistische Boykotte jüdischer Unternehmen zurück“.In der Antwort auf die Fragen des Forward drei Wochen später übernahm Yang diese Aussagen, strich aber das Wort „faschistisch“. Das war die erste Konzession, die Yang machte.

Wenn er nun so tut, als wenn BDS – also: Boykottaufrufe gegen israelische Unternehmen, Sportler, Wissenschaftler und Künstler – eine legitime Meinung wären und sagt, dass es ihm nur um die Abgrenzung zu Gewalt gehe, sind dann die „unfaire wirtschaftliche Bestrafung“ Israels, das vorher von Yang angeprangerte „antisemitische Denken“ und die „Geschichte von (faschistischen) Boykotten gegen jüdische Unternehmen“ plötzlich doch nicht mehr so schlimm?

Konkurrierende Lager

Es ist offensichtlich, dass Yang, um gewählt zu werden, versucht, es beiden Seiten recht zu machen. Das Pro-Israel-Lager ist in New York City, wo mehr als eine Million Juden leben, traditionell sehr stark. New York ist der Bundesstaat, für den der demokratische Politiker Daniel Patrick Moynihan (1927-2003), einer der wichtigsten Freunde Israels in der Geschichte der USA, 24 Jahre lang im US-Senat saß.

Moynihan wurde zu einer Art Nationalheld, als er als UN-Botschafter der USA am 10. November 1975 vor der UN-Generalversammlung eine emotionale Rede gegen die von der Sowjetunion und islamischen Staaten eingebrachte und mit einer Mehrheit der Mitgliedsländer verabschiedete „Zionismus-ist-Rassismus“-Resolution hielt, in der er die Resolution als „großes Unheil“ geißelte, das „auf die Welt losgelassen worden“ sei.

„Dem Gräuel des Antisemitismus“, so Moynihan, „wurde der Anschein internationaler Billigung gegeben. Die Generalversammlung gibt den Mördern von sechs Millionen europäischen Juden heute eine symbolische Amnestie.“ Mit der Rede, die mit US-Außenminister Henry Kissinger nicht abgesprochen war, zog Moynihan sich dessen Zorn zu und musste sein Amt abgeben. Doch die New Yorker wählten ihn anschließend viermal zum Senator.

„Im Herbst 1975 lehnten die meisten Amerikaner – Linke wie Rechte – die UNO ab, nicht den Zionismus“, schreibt der Historiker Gil Troy in seinem Buch Moynihan’s Moment: America’s Fight Against Zionism as Racism. „Indem sie Moynihan folgten und sich um Israel scharten, scharten sie sich auch um Amerika.“

Nach seinem Ausscheiden aus dem Senat 2001 übernahm Hillary Clinton Moynihans Sitz im Senat. Sie versuchte, an die Popularität ihres Vorgängers anzuknüpfen, indem sie während des Libanonkriegs im Sommer 2006 in New York auf einer Pro-Israel-Kundgebung redete und Israel der amerikanischen Unterstützung versicherte. Dass Clinton sich im November 2006 der Wiederwahl zum Senat stellen musste, mag ein Motiv für den Auftritt Clintons gewesen sein, die nicht oft bei Demonstrationen Reden hält.

Verschiebung der Kräfteverhältnisse

Ein anderer bekannter Pro-Israel-Politiker der Demokraten aus New York ist Eliot Engel, der 32 Jahre lang, von 1988 bis 2020, im US-Repräsentantenhaus saß. Eliot Engel galt als eine der wichtigsten Stimmen im Repräsentantenhaus und hat zahlreiche Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht.

Das überraschende Ende seiner politischen Karriere, das letztes Jahr kam, zeigt, wie sich die Kräfteverhältnisse in New Yorks demokratischer Partei verändern. Engel wurde nicht etwa bei den allgemeinen Wahlen von einem republikanischen Herausforderer besiegt, sondern bei den parteiinternen Vorwahlen von Jamaal Bowman, einem Mitglied von Sanders’ Demokratisch-Sozialistischer Partei Amerikas.

Bowman wurde von Sanders’ Parteigenossin Alexandria Ocasio-Cortez unterstützt, die BDS-Propagandisten und extremistischen Anti-Israel-Gruppen nahesteht. Die linksradikale Website The Intercept bezeichnete Bowmans Sieg über Engel als „unbestreitbare Niederlage der Israel-Lobby“.

Tatsächlich war die Niederlage Engels ein Signal, dass zeigte, wie einflussreich die Linken um Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez in New York geworden sind – es kommt nicht oft vor, dass die Demokraten einem Kongressabgeordneten den Sitz wegziehen, auf dem dieser über so viele Jahre gesessen hat.

Yang sucht den Mittelweg

Mit seiner Forderung nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, mit der Yang 2020 während seiner erfolglosen Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bekannt wurde, positioniert er sich eher auf dem linken Flügel der Partei. Dort aber sind Pro-Israel-Positionen nicht populär. Darum versucht er nun, zwischen den Lagern zu lavieren.

Die Israelfeinde üben mit ihren Taktiken des Stalking – online und im realen Leben – fühlbaren Druck aus. Bei Konzerten von prominenten Musikern, die auch in Israel auftreten, tauchten in der Vergangenheit manchmal Demonstranten mit Flaggen und politischen Transparenten vor der Konzerthalle oder im Publikum auf, um die musikalische Darbietung der Künstler mit ihrer ideologischen Show zu stören.

Manchmal haben sie Erfolg und Musiker beugen sich dem Druck, wie im Fall der neuseeländischen Sängerin Lorde, die ein geplantes Konzert in Israel, für das bereits Tickets verkauft worden waren, absagte, nachdem sie unter Druck gesetzt worden war.

Yang wurde zwei Tage vor seinem Auftritt im Muslim Democratic Club von einem bekannten BDS-Aktivisten auf der Straße angehalten und zur Rede gestellt, als er gerade jemenitische Geschäftsleute in Brooklyn besuchte. Auf einem Twitter-Video ist zu sehen, wie eine Gruppe den Bürgermeisterkandidaten und sein Team in eine Diskussion verwickelt.

Bei dem Wortführer handelte es sich nach Informationen der jüdischen Nachrichtenagentur JNS und des Forward um Malik Hassan. Hassan gehörte früher den Students for Justice in Palestine an, einer der Muslimbruderschaft nahestehenden BDS-Organisation. Heute ist er Mitglied der Demokratischen Sozialistischen Partei und der Muslim American Society, die ebenfalls mit der Muslimbruderschaft verbunden ist. JNS berichtete:

„Andrew Yang … wurde wegen seiner starken Opposition gegen BDS von einer Gruppe konfrontiert, zu der Malik Hassan von der Muslim American Society New York und den Democratic Socialists of America gehörte …

Laut einem auf Twitter veröffentlichten Video des Politico-Reporters Joe Anuta warf Hassan, der in der Vergangenheit die Hamas-Terrororganisation verteidigt hatte, Yang vor, die Palästinenser mit den Nazis zu vergleichen. ‚Zu sagen, dass es mit faschistischen Boykotten jüdischer Unternehmen vergleichbar ist, enttäuscht viele palästinensische Aktivisten, viele Araber und viele Muslime völlig’, sagte Hassan. Yang antwortete, er habe ‚nie derartige Kommentare abgegeben’“.

Laut dem Forward wurde Yang von einer Person der Gruppe gestört, als er gerade ein jemenitisches Café besuchte. Dieselbe Person habe Yang später eine Zeitlang am Wegfahren gehindert, indem sie sich vor sein Auto gestellt habe.

Auftritt Linda Sarsour

Bei der Wahlkampfveranstaltung vor dem Muslim Democratic Club wurde Yang von Linda Sarsour auf seinen Forward-Beitrag angesprochen, die Yang zuvor schon auf Twitter gescholten hatte („Dieser Kommentar ist absolut empörend und falsch. Er ist auch gefährlich“).

Sarsour wurde 2017 durch ihre Führungsrolle im Organisationskomitee des Women’s March gegen Donald Trump prominent. Wegen zahlreicher Kontroversen – sie hatte das Autofahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien verteidigt, der Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali das Recht abgesprochen, eine Frau zu sein, und immer wieder antisemitische Gerüchte verbreitet – wurde sie im Sommer 2019 aus der Organisation rausgeworfen. Sarsour ist eine Verbündete des islamischen Rechtsextremisten und Hitlerbewunderers Louis Farrakhan und eine Beraterin von Bernie Sanders, dem ehemaligen demokratischen Präsidentschaftsaspiranten.

Auf dem Forum sagte sie laut der Nachrichtenwebsite Politico, sie glaube nicht, dass Yang „schlechte Absichten“ habe, aber er operiere mit „Fehlinformationen“. Es sei „wirklich weit hergeholt“ zu sagen, „BDS ähnele den Nazis, die jüdische Geschäfte boykottierten“.

Sarsour fragte Yang, ob er „bereit“ sei, sich „mit palästinensischen Amerikanern zusammenzusetzen“, um den „Schaden“ zu beseitigen, den er angerichtet habe, und „die andere Seite der Geschichte verstehen“ könne, „die betroffene Gemeinschaft, die unter einer militärischen Besatzung lebt“. „Wir hatten das Gefühl, dass Ihr Forward-Artikel ohne Beteiligung von palästinensischen New Yorkern oder muslimischen New Yorkern geschrieben wurde, denen die palästinensische Sache sehr wichtig ist“.

Yang antwortet laut Politico, dass wenn er Bürgermeister werden sollte, „jeder seine politischen Meinungen ohne negative Konsequenzen“ werde äußern können. Er fügte hinzu: „Ich würde mich freuen, mit palästinensischen Führern, Aktivisten und engagierten Leuten zusammenzusitzen. Ich bin sehr lernbegierig, sehr aufgeschlossen und würde die Gelegenheit schätzen.“

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