Der nun gescheiterte demokratische Bürgermeisterkandidat Andrew Yang war in den vergangenen Monaten er unter anderem durch seinen Zickzackkurs zu Israel und BDS aufgefallen.
Die parteiinterne Vorwahl der Demokratischen Partei in New York City, bei der der Kandidat für die Wahl des Bürgermeisters am 2. November bestimmt wurde, ist beendet. Wegen des komplexen Abstimmungsmodus, bei dem jeder Wähler außer seinem Wunschkandidaten auch den Kandidaten seiner zweiten, dritten, vierten und fünften Wahl ankreuzen konnte, wird es noch Tage oder Wochen dauern, bis die Auszählung abgeschlossen ist.
Doch eines steht bereits fest: Andrew Yang, der Rechtsanwalt, Philanthrop und erfolglose Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur von 2020, der noch vor wenigen Monaten als Favorit galt und im Wahlkampf versucht hatte, gleichzeitig das israelfreundliche und das israelfeindliche Lager in der Partei zu umgarnen, hat verloren.
Schon kurz nach Ende der Abstimmung, als die ersten Zwischenstände bekannt wurden, räumte Yang seine Niederlage ein. Nach dem derzeitigen Stand der Auszählung kam er mit elf Prozent der Stimmen nur auf den vierten Platz.
In Führung liegt Eric Adams (32 Prozent), ein schwarzer früherer Polizist, der derzeit Präsident des Stadtbezirks Brooklyn ist und die Bekämpfung der Kriminalität zu seinem Hauptwahlkampfthema gemacht hatte. Adams hat einen deutlichen Vorsprung vor der zweitplazierten Maya Wiley (22 Prozent).
Sollte sich der Auszählungstrend bestätigen, hat Eric Adams in einer Stadt, in der die große Mehrheit der Wähler zur Demokratischen Partei neigt, beste Chancen, der nächste New Yorker Bürgermeister zu werden. Amtsinhaber Bill de Blasio durfte nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren.
Zickzackkurs
Yangs Wahlkampf war geprägt von einem Zickzackkurs gegenüber der antisemitischen Israelboykott-Kampagne BDS. Je öfter er sich zu Wort meldete, desto weniger wussten die Wähler, was eigentlich seine Position ist.
Alles begann am 22. Januar mit einem Gastbeitrag für das jüdische Wochenmagazin The Forward, mit dem Yang sich den jüdischen Wählern vorstellen wollte. Darin versprach er, sich als Bürgermeister „gegen die BDS-Bewegung zu wehren“, „die allein Israel auf unfaire Weise wirtschaftlich bestrafen“ wolle. BDS wurzele nicht nur im „antisemitischen Denken und in einer Geschichte, die auf faschistische Boykotte jüdischer Unternehmen zurückgeht“, sondern sei auch ein „direkter Angriff auf New Yorks Wirtschaft“.
Darauf am 24. Februar von „BDS“-Unterstützern angesprochen, gab Yang eine relativierende Antwort, die man so verstehen konnte, als wäre er nur gegen bestimmte Tendenzen innerhalb der „BDS“-Kampagne, aber nicht gegen den Israelboykott an sich:
„Mein Standpunkt zu BDS ist, dass ich nicht damit einverstanden bin, weil sie es versäumt haben, sich von bestimmten Organisationen abzugrenzen, die gewalttätige Absichten gegenüber Israel zum Ausdruck gebracht haben.“
Er habe ein „Problem“, so Yang, mit Organisationen, die „sehr, sehr gewalttätige Taktiken“ gegenüber Israel nicht ablehnten, aber „kein Problem mit Einzelpersonen oder Aktivisten“, „die sich für das einsetzen, was sie für richtig halten“. Er fügte kleinlaut hinzu, dass sein im Forward erschienener Beitrag diese beiden Dinge vielleicht „durcheinandergebracht“ habe.
Besonders bizarr wurde Yangs Zickzackkurs im März. Am 16. März trat er in einem über das Internet verbreiteten Wahlkampfvideo gemeinsam mit Daniel Rosenthal, einem orthodoxen Juden und Abgeordneten der Demokraten im Parlament des Staates New York, auf. Rosenthal sagte:
„Gewisse Gruppen haben Israel zu einem politischen Spielball gemacht, und Yang hat früh und mutig den Standpunkt eingenommen, dass er die antisemitische BDS-Bewegung nicht tolerieren wird.“
Yang stand bei diesen Sätzen im Corona-Sicherheitsabstand hinter Rosenthal und nickte zustimmend.
Zwei Tage später wurde Yang von Dean Obeidallah interviewt. Obeidallah ist der Moderator eines Internetradios und erklärter BDS-Unterstützer. Als Obeidallah Yang vorhielt, er habe mit seinem Beitrag im Forward „der palästinensischen Gemeinde“ „eine Menge Schmerz verursacht“, erwiderte Yang, er halte einen Boykott Israels für den „falschen Ansatz“. So, als wären die Ziele gut und nur die Werkzeuge ungeeignet.
Yang sagte weiter, er „schätze“ Menschen, „die sich für das einsetzen, woran sie glauben“. Als hätten nicht auch die Nazis sich für das eingesetzt, woran sie glaubten. Dann entwertete er geradezu seine im Forward geäußerte Gegnerschaft zur BDS-Bewegung, indem er es so darstellte, als habe er zu dem Zeitpunkt, als er den Artikel verfasste, eine Wissenslücke gehabt. „Seither“, so Yang, habe er mit Leuten gesprochen, die ihm gesagt hätten, dass BDS „gewaltfrei“ sei. Also doch nicht so schlimm?
Einen Tag später, am 19. März, fragte Forward-Journalist Jacob Kornbluh angesichts dieser Verwirrung bei Yang nach, wie er es denn nun eigentlich mit der Israel-Boykott-Bewegung halte. Yangs Antwort:
„BDS erkennt das Existenzrecht Israels nicht an. Israels Existenzrecht nicht anzuerkennen, ist antisemitisch. Ich bin entschieden gegen BDS, wie ich unzählige Male gesagt habe.“
Er erläuterte, dass er im Gespräch mit Obeidallah „eine schlechte Wortwahl“ benutzt habe, die „vielen Leuten Schmerzen verursacht“ habe. Er werde sich mit jüdischen Vertretern in Verbindung setzen, „um sicherzustellen, dass sie wissen, was in meinem Herzen ist“.
Keine Meinung zur Hamas?
Doch noch am 22. Juni, dem Tag der Wahl, präsentierte sich Yang als ein Kandidat, der sich offenkundig nicht traut, eine klare Meinung zu haben.
Ein Reporter sprach ihn auf einen Tweet der für ihre antisemitischen Äußerungen bekannten Abgeordneten Ilhan Omar an, in dem diese Israel und die USA mit der Hamas und den Taliban gleichgesetzt hatte. Nachdem der Reporter den Inhalt des Tweets wiedergegeben hatte, fragte er: „Viele Demokraten im Repräsentantenhaus verurteilen das – haben Sie einen Kommentar dazu?“
Als Yang das Wort „Hamas“ hörte, lächelte er. Auf die folgende Frage reagierte er mit einer abweisenden Handbewegung, wandte sich ab und ging. Im Video ist zu hören, wie einige Anwesende ihre Missbilligung der Nichtantwort kundtun.
Natürlich ist niemand gezwungen, eine Meinung zu haben und diese zu äußern. In Yangs Fall zeigt es aber seine mangelnde Eignung für das Amt des Bürgermeisters von New York City. Immerhin geht es um jene Stadt, in der am 11. September 2001 über 2.600 Bürger von der Terrororganisation Al-Qaida getötet wurden, die von den Taliban unterstützt wurde. Und es ist die Stadt mit der größten jüdischen Gemeinschaft außerhalb Israels.
Zu den größten Feinden des jüdischen Volkes gehört die Hamas. Hätte Yang sich nicht zum Rauchverbot im Central Park äußern wollen, wäre das leichter zu verzeihen gewesen, als ausgerechnet zu Ilhan Omars Tweet keine Meinung zu haben. Man stelle sich vor, Yang wäre am 11. September 2001 Bürgermeister von New York City gewesen und hätte nicht sagen können, ob es zwischen den USA und den Taliban einen Unterschied gibt.
Als New Yorker Bürgermeister wäre Yang ein Nachfolger des legendären Fiorello LaGuardia geworden, der das Amt von 1934 bis 1945 innehatte und in den Vereinigten Staaten damals einer der frühesten prominenten Gegner des Hitler-Regimes in Deutschland war.
LaGuardia nannte 1937 Hitler einen „Fanatiker im braunen Hemd, der eine Gefahr für den Weltfrieden ist“ (woraufhin sich US-Außenminister Cordell Hull bei Hitler entschuldigte). Eine solche eindeutige Parteinahme für die moralisch richtige Sache auch unter Inkaufnahme möglicher persönlicher Nachteile ließ Yang in den letzten Monaten vermissen.
Woran sein Wahlkampf gescheitert ist, können nur Demoskopen herausfinden. Doch mit seinem Wunsch, es allen recht zu machen – denen, die Israel schützen und denen, die Israel zerstören wollen –, hat er sicherlich keine Punkte gesammelt, sondern eher Wähler verprellt.
Eric Adams, dem wahrscheinlichen zukünftigen Bürgermeister von New York City, kann man bislang keine Ambiguität vorwerfen, was Israel betrifft. Er äußerte sich vor einigen Tagen in einem Interview:
„Ich habe Israel zweimal besucht. Ich werde wieder dorthin reisen, und ich werde versuchen, ein Stück Land zu finden, damit es der Ort wird, wo ich meinen Ruhestand verbringe. Ich liebe die Menschen in Israel, das Essen, die Kultur, den Tanz, alles in Israel.“
Gefragt, wo in Israel er sich zur Ruhe setzen möchte, antwortete Adams:
„In den Golanhöhen. Es gibt eine Reihe schöner Orte, die mir wirklich gefallen haben, als ich in Israel war. Ja, ich bin ein Anwalt des Landes, und ich glaube an die Staatlichkeit Israels – und noch einmal: Brooklyn ist das Tel Aviv Amerikas.“