Neues Gesetz: Assad lässt Flüchtlinge enteignen

Von Thomas von der Osten-Sacken

Neues Gesetz: Assad lässt Flüchtlinge enteignen„Wenn Assad den Krieg gewonnen hat, dann kehrt in Syrien irgendwie Frieden ein und dann endlich können auch all die Flüchtlinge zurück, die in Europa so viele Probleme bereiten.“ So in etwa lautet das Mantra von AFD und FPÖ bis weit hinein in die so genannte politische Mitte in Deutschland und Österreich. Denn geht es um Syrien, so redet man sich gerne irgendetwas ein, das zwar mit der Realität vor Ort herzlich wenig, mit eigenem Wunschdenken dagegen sehr viel zu tun hat.

Oder aber auch nach sieben Jahren scheinen in Europa die meisten immer noch nicht verstanden zu haben, dass der Großteil der Millionen von Syrern, die entweder als Flüchtlinge in den Nachbarstaaten leben (müssen), es nach Europa geschafft haben oder als Binnenvertriebene im eigenen Land vor sich hin vegetieren, geht es nach Assads und seinen iranischen Verbündeten, gar nicht zurück kehren sollen. Ganz im Gegenteil wollte der Diktator in Damaskus sie sogar loswerden, handelte es sich doch mehrheitlich um Mitglieder der ihm eher feindlich gesinnten sunnitischen Mehrheit des Landes. In Syrien nämlich geht seit langem eine demographische Neuordnung vonstatten, bei der gezielt Sunniten vertrieben werden und an ihrer Stelle die Regierung Schiiten aus anderen Ländern der Region ansiedelt. Stellten 2011 Alawiten, also die Gruppe, zu der auch die Assad Familie gehört, zusammen mit den syrischen Christen unter 25% Prozent der Bevölkerung aus, dürften sie heute angesichts von sechs Millionen Flüchtlingen fast die Hälfte stellen. Das liegt ganz im Interesse der Regierung, die diesen Prozess seit Jahren gewaltsam forciert, in dem sie gezielt die Lebensgrundlagen in von Rebellen kontrollierten Gebieten systematisch zerstörte.

Wer wollte, konnte dies seit längerem wissen. Assad etwa hatte schon 2015 erklärt, dass Syrer nicht etwa sei, wer einen syrischen Pass habe, sondern wer das Land gegen den Terror verteidige. Kein Wunder, dass seitdem unzählige syrische Pässe an iranische Milizionäre ausgestellt wurden. Vergangenes Jahr warnte Issam Zahreddine, inzwischen verblichener Generalmajor der syrischen Rebublikanischen Garde, Flüchtlinge sogar ausdrücklich vor einer Rückkehr. Damit plauderte er nur offen aus, was in Damaskus wohl längst beschlossene Sache ist. Entsprechend systematisch macNeues Gesetz: Assad lässt Flüchtlinge enteignenht sich das Regime nun daran, eine Rückkehr zu verunmöglichen. Dies auch ist der Hauptzweck eines jüngst verabschiedeten Gesetzes, das allen Syrern vorschreibt, innerhalb von einem Monat in einer neugeschaffenen Behörde ihr Grundeigentum zu registrieren. Wer dies nicht tut, verliert den Anspruch auf seinen Besitz. Natürlich sind es die Flüchtlinge und Vertriebenen – größtenteils Menschen, die um ihr Leben fürchten müssen, sollten sie jetzt nach Syrien zurückkehren –, die dieser Aufforderung nicht werden nachkommen können, wie die bekannte syrische Oppositionelle Leila al Shami erklärt:

„Viele vertriebene Syrer fürchten sich vor einer Rückkehr in die vom Regime kontrollierten Gebiete. Um ihr Eigentum anmelden zu können, bedürfen sie einer Unbedenklichkeitserklärung von den Sicherheitskräften. In den letzten Monaten hat es zahlreiche Berichte gegeben, denen zufolge Rückkehrer verhaftet, gefoltert bzw. gegen ihren Willen zum Militär eingezogen worden sind. Eine oppositionsnahe Nachrichtenwebseite veröffentlichte im März eine Datei von 1,5 Millionen Syrern, die von den Geheimdiensten gesucht werden. Die Liste stammt aus dem Jahr 2015 und es ist wahrscheinlich, dass inzwischen noch mehr Namen auf ihr stehen. Die Angehörigen jener, die auf der Liste stehen, könnten ebenfalls in Gefahr sein. Das Regime ist dafür bekannt, dass es an den Angehörigen vermeintlicher Gegner Vergeltung übt. Es könnte sein, dass manche Hausbesitzer sich inzwischen im Gefängnis befinden, getötet wurden oder verschwunden sind. (…)

In manchen Fällen sind die Häuser der Vertriebenen abgerissen worden. Human Rights Watch berichtete 2014 vom ungenehmigten Abriss tausender Häuser in den Oppositionshochburgen in Damaskus und Hama, wodurch letztlich ganze Nachbarschaften dem Erdboden gleichgemacht worden seien. In anderen Gegenden sind die Häuser der Vertriebenen Anhängern des Regimes übereignet worden. Diese Praxis ist oftmals konfessionell eingefärbt. Die Opposition wird weitgehend von Sunniten unterstützt, während etliche Minderheiten dem Regime treu geblieben sind. Als die Bewohner der Altstadt von Homs 2014 vertrieben wurden, hieß es, Alawiten und Schiiten aus nahegelegenen Dörfern seien in die freigewordenen Wohnungen der Sunniten gezogen. Auch ausländische Einwanderer seien dort eingezogen. Zudem gibt es Berichte, denen zufolge vom Iran unterstützte schiitische Milizionäre aus dem Irak und dem Libanon mit ihren Familien Häuser erhalten haben.

Auch von Dokumentenfälschungen ist die Rede, durch die die Übertragung von Wohneigentum an neue Besitzer ermöglich wird. Das neue Gesetz legt fest, dass einem Immobilienbesitzer, der außerstande ist, den Besitz dokumentarisch nachzuweisen, der Besitz dennoch übertragen werden kann, wenn er über einen amtlichen Ausweis oder Pass verfügt. (Unbestätigten) Berichten zufolge hat das Regime unlängst tausenden iranischen, afghanischen und pakistanischen Kämpfern syrische Pässe ausgestellt.

Neues Gesetz: Assad lässt Flüchtlinge enteignenSinn und Zweck dieses Gesetzes sind klar: Während es langsam die Kontrolle über große Teile Syriens mit russischer und iranischer Unterstützung gewaltsam zurückgewinnt, will das Assad-Regime Fakten schaffen. Das Syrien nach dem Krieg soll ein anderes sein als das vor 2011. Deshalb unternimmt man alles, damit möglichst wenig Flüchtlinge zurückkehren.

Für Europa, das in diesem Konflikt so völlig versagt hat, ist in diesem Plan auch eine Rolle vorgesehen: Es soll, ohne groß Einfluss zu nehmen, möglichst den Wiederaufbau des  Landes finanzieren und dafür sorgen, dass die Getreuen des Diktators davon profitieren. Dafür jagt man dann vielleicht nicht weitere zehntausende Syrer über die Grenzen. Die, die inzwischen in Europa Zuflucht gefunden haben, mögen dort auch bleiben. Für die Menschen in Syrien, vor allem für jene, die gegen die Diktatur Assads auf die Straße gegangen sind und dabei gehofft hatten, der Westen werde sie unterstützen, geht die Tragödie also weiter.

Wer in Deutschland oder Österreich gehofft hatte, dass ein Sieg Assads helfe würde, sich der Flüchtlinge aus Syrien zu entledigen hat die Rechnung dagegen ohne den Wirt gemacht. So werden Assad im Präsidentenpalast in Damaskus und die Flüchtlinge in Europa und den Nachbarländern Syriens bleiben – dann die wohl größte Flüchtlingsdiaspora, die es im Nahen Osten je gegeben hat.

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