Von Thomas von der Osten-Sacken
Im Jahre 2002 erklärte die Arabische Liga unter Federführung Saudi Arabiens zu welchen Bedingungen man bereit sei, mit Israel Frieden zu schließen:
„Die Arabische Friedensinitiative (im Original: Arab Peace Initiative, API) wurde von der Arabischen Liga im März 2002 verabschiedet. Die Initiative beinhaltet das Angebot, dass, sollte sich Israel auf die Grenzen von 1967 zurückziehen und einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt anerkennen, die arabischen Staaten zur ‚Normalisierung‘ ihrer Beziehungen mit Israel bereit seien. Zudem fordert sie eine Lösung der Flüchtlingsfrage in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 194. Die API ist kein Friedensplan und sie als ‚Initiative‘ zu bezeichnen, könnte missverständlich sein. Sie ist eher eine Absichtserklärung – wenn auch eine sehr bedeutsame – und gilt als eine der wichtigsten arabischen Erklärungen seit der Gründung Israels im Jahr 1948.“
Ob diese Erklärung wirklich so wichtig war, sei einmal dahingestellt. Ägypten und Jordanien hatten ja längst separate Abkommen mit Israel abgeschlossen. Der Haken an der damaligen Initiative war, dass sie auf dem sog. „Recht auf Rückkehr“, also darauf bestand, dass hunderttausende Palästinenser das Recht hätten, in den Staat Israel in den Grenzen von vor 1967 „zurückzukehren“. Eine Forderung, die keine israelische Regierung je erfüllen kann, selbst wenn sie wollte, weil, wer ihr nachkäme, wohl das Ende des jüdischen Staates besiegeln würde.
Jedenfalls wurde aus verschiedenen Gründen nie etwas aus dieser Friedensinitiative und eine Dekade später begann der sog. Arabische Frühling und alles veränderte sich, die Arabische Liga – ohnehin nie eine besonders effiziente Organisation – existiert bestenfalls nur noch auf dem Papier und in der Region herrscht Krieg. Mit Angst und Sorge verfolgen die Golfstaaten, wie der Iran sein Einflussgebiet in Syrien, dem Libanon, Irak und Jemen ausdehnt. Längst ist der israelisch-palästinensische Konflikt in ihren Augen ein Nebenschauplatz geworden, der israelische Staat aber – der wie sie, versucht, den Iran einzudämmen – hat sich vom einstigen Gegner in einen potentiellen Partner transformiert. Seit langem gibt es enge militärische und geheimdienstliche Koordination zwischen Riad und Jerusalem, die allerdings nicht an die große Glocke gehängt werden.
Das scheint den Monarchen am Golf nicht mehr zu reichen und so stellen sie einen neuen Friedensplan in Aussicht, bei dem von palästinensischer Staatlichkeit und Recht auf Rückkehr keine Rede mehr ist, der sich vielmehr inhaltlich an den realistischen Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien orientiert und offenbar auf eine Art neues „Camp David Treffen“ zielt. Was sie im Gegenzug von Israel verlangen, klingt fast nach formalen Minimalforderungen.
„Das Wall Street Journal berichtete am Dienstag, arabische Golfstaaten hätten eine Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel angeboten, wenn im Gegenzug der Bau jüdischer Siedlungen im Westjordanland teilweise eingestellt würde. Dem Bericht zufolge hätten Regierungsvertreter mehrerer arabischer Golfstaaten amerikanischen Spitzenbeamten gegenüber erklärt, sie würden Israel Überflugrechte einräumen, direkte Telekommunikationsverbindungen herstellen und Handelsbarrieren zwischen ihren Ländern abbauen, wenn der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu sich im Gegenzug verpflichte, die Verhandlungen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas wieder aufzunehmen.
Zu den möglichen Vorbedingungen für eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen könnte dem Wall Street Journal zufolge ein Baustopp für jüdische Siedlungen und eine Öffnung des Gazastreifens für Handelsbeziehungen gehören. (…) Die Jerusalem Post erfuhr vergangenen Monat, dass die Trump-Administration die Abhaltung einer wegweisenden Konferenz erwäge, bei der der israelische Premierminister, der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde und die Machthaber der betreffen Golfstaaten zusammen auftreten.
Und mehr noch: Man steht inzwischen ganz offen zu den Kontakten, die Saudi Arabien und andere Golfstaaten mit Israel unterhalten, ja bezeichnet sie sogar als Chance. Die Zeit der Feindschaft sei vorbei:
„‚Es hat sich seit langem nicht mehr so viel getan‘, sagte Israels Energieminister Yuval Steinitz in einem Interview mit Blick auf die Beziehungen Israels zu den Golfstaaten. ‚Es handelt sich beinahe um eine Revolution im Nahen Osten.‘ ‚Wir sehen Israel nicht mehr als Feind, sondern als eine mögliche Chance‘, sagte ein an den Diskussionen beteiligter hochrangiger arabischer Regierungsvertreter.“
Die Friedensinitiative wurde wenige Tage vor der mit Spannung erwarteten Nahostreise des amerikanischen Präsidenten bekannt. Die neue US-Administration hat ja mehrmals erklärt, dass sie von der iranfreundlichen Linie der Vorgängerregierung Abstand nehmen wolle. Nun fragt man sich in der Region, ob die Ouvertüre der Saudis schon Teil eines größeren Planes der Trump-Regierung sei, der – sollte er Erfolg haben – in der Tat ein Game-Changer für die Region wäre:
In der Initiative von Trump gibt es zwei kritische Komponenten (…): Die erste besteht darin, dass die Saudis mit anderen Golfstaaten zusammen die Palästinenser zwingen, eine Zweistaatenlosung zu akzeptieren, in deren Rahmen sie mit Blick auf territoriale Fragen, das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr und die Teilung der Hoheit über Jerusalem erhebliche Opfer bringen müssen. Den Saudis wäre hieran gelegen, da so der gegen den Iran gerichtete sunnitische Halbmond um die USA und Israel erweitert würde.
Normalisierte Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel hätten für das Königreich und seine Nachbarn erhebliche Vorteile. Zum einen könnten das amerikanischen Judentum und die mit ihm verbundenen proisraelischen Organisationen Saudi-Arabien dann rückhaltlos als Freund und Verbündeten akzeptieren und von ihrem langanhaltenden Misstrauen gegen Riyadh Abstand nehmen. Dadurch würden die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien zu einer Zeit, da die Abhängigkeit der Amerikaner vom saudi-arabischen Öl stetig abnimmt, wiederum gestärkt. (…)
Der zweite und wohl wesentlich schwierigere Teil des Deals besteht darin, dass Trump den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu und letztlich die israelische Öffentlichkeit dazu bringen muss, einer Zweistaatenlösung zuzustimmen. Wenn die Saudis (von den Palästinensern ganz zu schweigen) dem Abkommen zustimmen sollen, kann es sich von der während der Clinton-Administration von Ehud Barak in Camp David und beim Gipfel von Taba angebotenen Vereinbarung nicht allzu sehr unterscheiden.
Und trotzdem werden in Saudi Arabien weiter antisemitische Karikaturen gedruckt, wird in Moscheen gegen Juden und Israel gehetzt und fließt Geld an diverse islamistische Organisationen. Zu Recht fordern im Forward deshalb David Daoud und David Andrew Weinberg, dass, sollte Saudi Arabien den Vorstoß wirklich ernst meinen, die offene Hetzte gegen Israel eingestellt werden müsse.
„Verständlicherweise verlangt Riad von Israel das palästinensische Volk und seinen Anspruch auf einen eigenen Staat anzuerkennen. Dann sollte Saudi Arabien aber auch aufhören, Juden und Israel ihr Existenzrecht abzusprechen – und dies schließt auch ein, ihre Verbindung zu den heiligen Stätten Jerusalems anzuerkennen.“