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Netflix gerät im Nahen Osten unter Zensurdruck

Netflix hat immer wieder Probleme mit Inhalten in arabischen Staaten
Netflix hat immer wieder Probleme mit Inhalten in arabischen Staaten (© Imago Images / Kirchner-Media)

Nachdem eine Reihe von arabischen Staaten im Lauf der letzten Woche vom Streamingdienst Netflix verlangt hatte, als anstößig empfundene Inhalte aus seinem Angebot zu entfernen, schloss sich nun auch Ägypten dieser Forderung an.

Nicht zum ersten Mal wird ein Streamingdienst von einem arabischen bzw. muslimischen Staat mit der Abschaltung bedroht, sollten bestimmte Filme oder TV-Serien aus dem Angebot nicht entfernt werden. Häufig ist es auch schon vorgekommen, dass einzelne Szenen aus ihnen herausgeschnitten werden mussten, bevor sie ausgestrahlt werden durften.

Um dem zuvorzukommen, unterwerfen sich Disney+, Netflix & Co seit einigen Jahren der freiwilligen Selbstzensur, da sie sich das äußerst lukrative Geschäft in dieser Region nicht entgehen lassen wollen. Besonders Netflix ist im gesamten Nahen Osten vor allem bei der jüngeren Bevölkerung sehr beliebt.

Weder Gruß noch Kuss

Sogar der allererste Film (Perfect Strangers), der vor einem Jahr eigens für ein muslimisches Publikum – noch dazu von einem muslimischen Land, nämlich Ägypten – produziert und sogar mit zahlreichen Filmpreisen ausgezeichnet wurde, führte zu einem moralischen Publikumsaufschrei, da in ihm kurz, aber dennoch, die erotischen Dessous einer weiblichen Filmfigur aufblitzen und sich ein Mann zu seiner Homosexualität bekennt. Mehr hat es nicht gebraucht, um im ganzen Land Stimmen laut werden zu lassen, Netflix in Ägypten zu verbieten.

Entgegen sonstiger Usance in dieser Branche kam darüber bei den Konkurrenten keine Freude auf, denn ihnen selbst ergeht es nicht besser: Der Filmproduktionsfirma Disney wurden in letzter Zeit etliche Kinofilme aus dem Nahen Osten direkt nach Amerika wieder zurückgeschleudert, darunter international erfolgreiche Streifen wie Lightyear, Thor: Love and Thunder, Eternals, Doctor Strange in the Multiverse of Madness und die Neuverfilmung des Klassikers West Side Story, da in ihnen Kussszenen zu sehen sind und, schlimmer noch, lesbische bzw. homosexuelle Thematiken angesprochen werden.

Einzig in den Vereinigten Arabischen Emiraten konnte Eternals in einigen Lichtspielstätten gezeigt werden, doch auch erst, nachdem Disney – money takes it all – etliche Szenen herausgeschnitten hatte.

Muslimischer Rundumschlag

Vorige Woche verschärfte sich für den Streamingdienst Netflix die Situation um ein Vielfaches, als der Golf-Kooperationsrat (GCC), also Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabische Emirate gemeinsam mit der im saudischen Riad ansässigen Generalkommission für audiovisuelle Medien verlautbaren ließ, Netflix habe mit rechtlichen Schritten zu rechnen, falls das Unternehmen weiterhin Inhalte ausstrahle, die »islamischen und gesellschaftlichen Werten und Prinzipien widersprechen«, »anstößige Inhalte« verbreite und gegen die »Medienvorschriften des Golf-Kooperationsrats« verstoße.

Dass unter dem diffusen Begriff der »anstößige[n] Inhalte« die Darstellung bzw. auch nur Andeutung gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu verstehen ist, erklärt sich von selbst, ist doch Homosexualität in all diesen Staaten strikt verboten und wird in einigen Ländern auch mit der Todesstrafe geahndet.

Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die regionalen Behörden »die Einhaltung der Richtlinien durch die Plattform weiterhin verfolgen« werden. In einer eigenen Aussendung richteten die Vereinigten Arabischen Emirate dem Medienunternehmen aus, sie würden »in den kommenden Tagen verfolgen, was die Plattform ausstrahlt« und »ihr Engagement für die Ausstrahlungskontrollen« eigens »bewerten«.

Als Nachzügler schloss sich einen Tag später die ägyptische staatliche Medienaufsichtsbehörde an und veröffentlichte eine eigene Erklärung, in der sie alle Streaming-Dienste davor warnte, dass »im Falle der Ausstrahlung von Inhalten, die gegen gesellschaftliche Werte verstoßen, rechtliche Schritte eingeleitet werden«.

Auffallend ist, dass weder der GCC noch die saudische Generalkommission und auch nicht Ägypten genaue Angaben darüber machten, worin die »rechtliche[n] Schritte« bestünden und wodurch der Zensur-Hammer ausgelöst wurde. In der Erklärung konkret erwähnt wurde nur die Zielgruppe der Kinder: »Die Plattform wurde aufgefordert, diese Inhalte zu entfernen, auch solche, die sich an Kinder richten.«

Der saudische staatliche Nachrichtensender Al-Ekhbariya bezog sich in seiner diesbezüglichen Berichterstattung auf »Filme und Serien für Kinder mit Szenen, die Homosexualität unter einem dramatischen Deckmantel über Netflix fördern«. Hinterlegt war der Kommentar mit einem technisch verzerrten und dadurch verschwommenen Animationsclip, der zwei sich umarmende Mädchen zeigt und aus der Zeichentrickserie Jurassic World Camp Cretaceous stammt.

Bis dato veröffentlichte Netflix noch keine Stellungnahme, wie auch Anfragen von Journalisten nicht beantwortet wurden.

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