Der Frieden mit Saudi-Arabien hat für die neue israelische Regierung oberste Priorität. Doch trotz der gemeinsamen Interessen in Bezug auf den Iran gibt es viele Hindernisse, die ihm entgegenstehen.
David Isaac
Der designierte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte letzte Woche, er hoffe, mit Saudi-Arabien »einen vollständigen, formellen Frieden« zu schließen, wie es Israel mit anderen Golfstaaten getan hat. Analysten erklärten jedoch gegenüber Jewish News Syndicate, dass es auf dem Weg zu einer vollständigen Normalisierung der Beziehungen zu den Saudis mehrere bedeutende Hindernisse gibt.
Laut Eytan Gilboa, Professor für Politikwissenschaft an der Bar-Ilan Universität und leitender Mitarbeiter am Jerusalem Institute for Strategy and Security (JISS), sind die Chancen auf einen Frieden zwischen Jerusalem und Riad gering. Zunächst einmal, so Gilboa, hätten die Saudis in ihrer Forderung nach palästinensischer Eigenstaatlichkeit als Vorbedingung für einen regionalen Frieden gemäß der saudischen Friedensinitiative aus dem Jahr 2002 konsequent gehandelt.
Während das Abraham-Abkommen das Konzept, Frieden mit den Palästinensern müsse vor jenem mit den arabischen Staaten kommen, auf den Kopf gestellt hat, »ist Saudi-Arabien im Vergleich zu den anderen Mitgliedern des Abraham-Abkommens viel stärker in den israelisch-palästinensischen Konflikt involviert«. Außerdem stelle sich die Frage, ob die Vereinigten Staaten, insbesondere das Weiße Haus unter Joe Biden, die selbe Rolle spielen werden wie die Trump-Administration bei den Abraham-Abkommen. Ob Saudi-Arabien dem Abraham-Abkommen beitrete, hänge weitgehend von den Vereinigten Staaten ab, fügte er hinzu.
Das Abraham-Abkommen, das 2020 von Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain (später auch von Marokko und dem Sudan) unterzeichnet wurde, sieht eine trilaterale Beziehung zwischen den muslimischen Unterzeichnern, Israel und den USA vor. Laut Gilboa war es Washington, das die Voraussetzungen für den Durchbruch schuf. Marokko zum Beispiel verlangte die Anerkennung seiner Souveränität in der Westsahara durch Amerika, die Vereinigten Arabischen Emirate forderten amerikanische Waffen, während der Sudan von der Liste ausländischer Terrororganisationen des US-Außenministeriums gestrichen werden wollte.
»Der Schlüssel ist also nicht, was Netanjahu tun wird, sondern was die Vereinigten Staaten tun werden, und bisher war die Regierung Biden nicht bereit, positive Schritte gegenüber Saudi-Arabien zu setzen«, so Gilboa.
Fragile Beziehungen
Die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien sind seit der Ermordung des Washington-Post-Reporters Jamal Khashoggi im Jahr 2018 in Istanbul angespannt. Die US-Geheimdienste stellten fest, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman für die Ermordung verantwortlich war, woraufhin Präsident Biden schwor, Saudi-Arabien zu einem »Paria« zu machen.
Obwohl Biden Saudi-Arabien im Juni besuchte und dem Regime ein gewisses Maß an Legitimität zurückgab, könnte mehr Anerkennung ein Zugeständnis Washingtons sein, so Gilboa. »Sie wollen eine amerikanische Anerkennung der pro-westlichen Schritte von Mohammed bin Salman. Das ist in der arabischen Kultur wichtig – etwas, das die Amerikaner nie verstanden haben.«
Joshua Teitelbaum, Professor für Nahoststudien an der Bar-Ilan-Universität, stimmte diesem Befund zu und erklärte gegenüber Jewish News Syndicate, »eine Art Rehabilitation« könnte den saudischen Kronprinzen in Versuchung führen: »Ich glaube, er wäre sehr erfreut, würde ein Abkommen auf dem Rasen des Weißen Hauses unterzeichnet werden, käme es so weit. Aber würde ein demokratischer Präsident ein Abkommen mit jemandem unterzeichnen, der von der CIA des Mordes an einem Journalisten der Washington Post beschuldigt wird? Das ist die Frage.«
Teitelbaum hält ein vollständiges Friedensabkommen für unwahrscheinlich, erwartet aber »kleine Schritte«, um die Beziehungen voranzubringen. (Netanjahu bestätigte indirekt diese Vermutung in seinen Äußerungen vergangener Woche, als er sagte: »Ich möchte so groß wie möglich sein, aber manchmal braucht es kleinere Schritte, um eine lange Reise zu machen, und das ist kein Problem.«).
Laut Teitelbaum könne es ähnliche Ankündigungen geben wie jene während Bidens Nahostreise im Juli, als es israelischen Fluggesellschaften gestattet wurde, den saudischen Luftraum zu durchqueren. Vielleicht könnten die Saudis als weiteren Schritt israelischen Muslimen erlauben, für die Hadsch mit ihrem israelischen Pass direkt nach Mekka anstatt wie derzeit über Jordanien zu fliegen. Doch unabhängig von diesen Herausforderungen sind sich alle Experten einig, dass der Frieden mit dem saudischen Königreich der Schlüssel ist.
»Saudi-Arabien ist der große Preis. Es ist das reichste Land der arabischen Welt. Es regiert über die beiden heiligsten Stätten des Islam, Mekka und Medina. Es ist wahrscheinlich der zentralste Akteur in der arabischen Welt«, ist Teitelbaum überzeugt und bekräftigte Netanjahus Bemerkung von letzter Woche, dass, »haben wir Frieden mit Saudi-Arabien, wir den arabisch-israelischen Konflikt tatsächlich beenden werden«.
Ronnie Shaked vom Harry S. Truman Research Institute for the Advancement of Peace an der Hebräischen Universität Jerusalem äußerte sich gegenüber Jewish News Syndicate in gleicher Weise: »Saudi-Arabien ist ein Symbol, der Repräsentant [des islamischen Propheten] Mohammed auf Erden. Saudi-Arabien bewahrt die heiligen Stätten: die Kaaba in Mekka und in Medina das Grab Muhammads. Das ist das Wichtigste für jeden Muslim.«
Shaked ist optimistischer bezüglich einer Einigung mit den Saudis, was vor allem auf den Iran zurückzuführen ist. Die Bedrohung durch die Islamische Republik schuf ein gemeinsames Interesse zwischen Jerusalem und Riad, sagte er. Vom Jemen aus greifen die Huthis, ein iranischer Stellvertreter, Saudi-Arabien an. Die Saudis brauchen Waffen, insbesondere Raketen, um iranische Drohnen im Jemen abzuwehren, und sie brauchen Verbündete, um den Iran politisch zu konfrontieren und eine Koalition gegen Teheran zu bilden, so die Meinung des Experten.
Offenere Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien seien durchaus möglich, so Ronnie Shaked. Die Saudis werden höchstwahrscheinlich Zugeständnisse verlangen, etwa einen Sonderstatus für den Tempelberg und ein Versprechen Netanjahus, Judäa und Samaria nicht zu annektieren. Letzteres, so Shaked, werde für Netanjahu ein Leichtes sein. »Netanjahu versteht, dass wir seit siebzig Jahren im Westjordanland sind, also haben wir es faktisch annektiert. Wir müssen es nicht deklarieren.«
Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)