Die »Achse des Bösen« braucht den Philadelphi-Korridor für den Waffenschmuggel, weswegen Israel ihn kontrollieren müsse, ist Premier Netanjahu überzeugt.
Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) werden an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten stationiert bleiben, um die Hamas an der Wiederaufnahme des Waffenschmuggels zu hindern, erklärte Premierminister Benjamin Netanjahu am Montagabend. Die Terrorgruppe werde einen »sehr hohen Preis« für die jüngste Hinrichtung von sechs israelischen Geiseln zahlen.
Israel befinde sich »mitten in einem existenziellen Krieg gegen die iranische Achse des Bösen, und die erste Voraussetzung für den Sieg ist Einigkeit unter uns«, so Netanjahu in einer Ansprache an die Nation. »Wir müssen vereint gegen einen brutalen Feind kämpfen, der uns alle vernichten will – ob links oder rechts, religiös oder säkular, Juden oder Nicht-Juden. Das haben wir nicht nur am 7. Oktober gesehen, sondern während des gesamten Kriegs.«
Der Premier berichtete von seinen Gesprächen mit den Familien jener Geiseln, die vergangene Woche von Hamas-Terroristen hingerichtet und deren Leichen am Wochenende geborgen wurden, in denen er um Vergebung gebeten habe, weil weder die Regierung noch die Sicherheitskräfte die Entführten lebend nach Hause bringen konnten. »Wir waren sehr nahe dran«, sagte Netanjahu.
Lebensader der Hamas
Der Premierminister erklärte weiter, dass alle Kriegsziele der Regierung im Gazastreifen, einschließlich der Rückkehr der 101 verbleibenden Geiseln, »durch ein Tor führen: den Philadelphi-Korridor. Er ist der Sauerstoff der Hamas. Die Achse des Bösen braucht den Philadelphi-Korridor, und aus diesem Grund brauchen wir den Philadelphi-Korridor«, sagte Netanjahu, wobei er die Bezeichnung der IDF für den vierzehn Kilometer langen Landstreifen entlang der Grenze des Gazastreifens zum Sinai verwendete. »Dieser Korridor bestimmt unsere gesamte Zukunft.«
Sollte Israel die Kontrolle über das Grenzgebiet aufgeben, wie es die Hamas während der laufenden Waffenstillstandsgespräche gefordert hat, könnten die verbleibenden Geiseln nach Ägypten und von dort aus in den Iran oder den Jemen geschmuggelt werden, sagte der Premierminister, der in seiner Rede darauf hinwies, Israel kontrolliere alle anderen Zugänge zum Gazastreifen, sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg. Die Offenhaltung der Grenze zum ägyptischen Sinai seit dem israelischen Rückzug aus Gaza im Jahr 2005 habe aber die Hamas in die Lage versetzt, ihre Truppen zu bewaffnen und drei Kriege gegen Israel zu führen.
Mit Blick auf die von den USA vermittelten Waffenstillstandsverhandlungen stellte Netanjahu fest, dass die Hamas monatelang nicht nachgegeben habe. »Der erste Riss [in der Haltung der Hamas] erfolgte, als wir in Rafah einmarschierten und den Philadelphi-Korridor übernahmen. Da haben sie angefangen, anders zu reden. Sobald sie glauben, dass wir Schwäche zeigen oder Druck auf uns ausgeübt wird, werden sie zurückschlagen«, warnte der Premierminister, der »absolut schockiert« war, als einige Kabinettsmitglieder, insbesondere Verteidigungsminister Yoav Gallant, vorgeschlagen hätten, Israel solle den Philadelphi-Korridor verlassen.
Schuld der Hamas
Unter Verweis auf ein Dokument, das Berichten zufolge Anfang des Jahres von den IDF in einem Tunnel in Gaza entdeckt worden war, sagte Netanjahu, dass die Abwälzung der Schuld auf ihn eine Schlüsselkomponente der psychologischen Kriegsführung der Hamas sei. »Wir haben dem von Präsident Biden am 31. Mai vorgelegten Entwurf zugestimmt; wir haben dem, was sie am 18. August den endgültigen Brückenvorschlag nannten, zugestimmt, aber die Hamas hat den ersten und den zweiten Vorschlag abgelehnt«, so der Premierminister in Anspielung auf die am Montag geäußerte Kritik des amerikanischen Präsidenten.
Netanjahu schloss mit den Worten: »Gemeinsam stehen wir, gemeinsam kämpfen wir, und gemeinsam, mit Gottes Hilfe, werden wir siegen.«
Nach mehr als 300 Tagen werden im Gazastreifen immer noch einhundert Geiseln – einige lebendig, andere tot – von der Hamas und anderen Terrorgruppen gefangen gehalten. Die Verhandlungen werden seit Monaten in unregelmäßigen Abständen fortgesetzt, wobei die Vereinigten Staaten, Ägypten und Katar als Vermittler fungieren.