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Netanjahu erntet Früchte seiner Afrika-Politik

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu begrüßt Präsidenten des Tschad Mohamed Déby
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu begrüßt Präsidenten des Tschad Mohamed Déby (© Imago Images / APAimages)

Als Israel noch ein junges Land war, unterhielt es zahllose Kontakte in Afrika. Viele afrikanische Staaten brachen zwischenzeitlich die Beziehungen ab, doch Benjamin Netanjahu begann vor Jahren intensive Sondierungen und erntet nun weitere Früchte seiner Afrika-Politik.

In den vergangenen Tagen rissen die Berichte um bahnbrechende Entwicklungen zwischen Staaten des afrikanischen Kontinents und Israel nicht ab. Zwei aneinandergrenzende Subsahara-Staaten, die Republiken Tschad und Sudan, machten Schritte auf Israel zu, die wichtige Signale auch an die arabische Welt aussenden.

Der Tschad nahm erst vor fünf Jahren seine Beziehungen zu Israel wieder auf. Wohl nicht zuletzt deswegen bezeichnete der israelische Premier Benjamin Netanjahu die vor wenigen Tagen erfolgte Ankündigung der Botschaftseröffnung der Republik Tschad im jüdischen Staat als »historisches Ereignis«. Fast zeitgleich wurde bekannt, dass Israel und der Sudan einen Durchbruch auf dem Weg zur Normalisierung ihrer Beziehungen erzielten. So liegt der Wortlaut eines Friedensabkommens vor, das Israels Außenministers Eli Cohen mit den Worten ankündigte, »innerhalb weniger Monate wird in Washington ein Friedensabkommen unterzeichnet«.

Die Bedeutung des Schrittes der Republik Tschad

Mit dem Tschad gesellt sich ein weiteres afrikanisches Land, dessen Bevölkerung zu fast 60 Prozent muslimisch ist und Arabisch als eine seiner Amtssprachen hat, zu den 92 Botschaften und 113 Konsulaten sowie fünf anderen Repräsentanzen in Israel hinzu. Historisch gehört der Tschad zu jenen afrikanischen Ländern, die einst gute Beziehungen zu Israel unterhalten hatten, die Kontakte jedoch in den 1960er oder 1970er Jahren abbrachen, zumeist nach dem Sechstagekrieg 1967 oder nach dem Yom-Kippur-Krieg 1973. 

Doch im Jahr 2016 belebten Israel und der Tschad ihre Beziehungen wieder, und Ende 2018 besuchte Präsident Idriss Déby den jüdischen Staat. Nur zwei Monate später, bei Netanjahus Gegenbesuch im Zuge seiner fünften Afrika-Reise in knapp zwei Jahren, wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Netanjahu bezeichnete den Schritt damals als »historischen und wichtigen Durchbruch« – und vor wenigen Tagen wurde in Anwesenheit des zur Eröffnungsverkündung angereisten Mahamat Idriss Déby Itno, der nach dem Tod seines Vaters 2021 zum Präsidenten des militärischen Übergangsrats der Republik ernannt worden war, aus dem Durchbruch dann ein »historisches Ereignis«.

Dass neben der Lieferung medizinischer Hilfe für das zentralafrikanische Land und allgemeiner Wirtschaftsbeziehungen ein weiterer Aspekt bei der Wiederannäherung der beiden Staaten eine herausragende Rolle spielte, wurde bei Ankunft des ausländischen Gastes in Israel deutlich. Die Begrüßung Débys übernahm der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, was darauf hindeutet, für wie ausschlaggebend israelische Experten das Thema der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit der Republik Tschad erachten. So erwies sich Israel als wertvoller Partner im Kampf gegen islamistische Rebellen. Neben der Hoffnung, der Tschad eröffne Israel den Weg Richtung der Staaten der Sahel-Zone und West-Afrikas, glauben viele, der Schritt könnte ein besonders deutliches Signal an arabische Nationen sein, dem Beispiel zu folgen.

Rückblende

Netanjahu erntet Früchte seiner Afrika-Politik
Quelle: Antje Naujoks

Im Februar 2019 präsentierte Premier Netanjahu auf einer Jerusalemer Konferenz, zu der Führungspersönlichkeiten der amerikanisch-jüdischen Gemeinschaft angereist waren, eine Afrika-Karte. Er hatte innerhalb weniger Jahre mehrere intensive Reisen auf dem afrikanischen Kontinent absolviert, nachdem er die Verbesserung der israelischen Beziehungen in Afrika zu einer strategischen Priorität seiner Außenpolitik deklariert hatte. Tatsächlich konnte Netanjahu 2019 einen beeindruckenden Zwischenstand präsentieren, den einige auch als Ergebnis von »Bibis Afrika-Feldzug« bezeichneten, und Netanjahu etwa den Stab des Außenministeriums angewiesen hatte, beständig am Ball zu bleiben. 

Damals waren auf der Karte Botschaften des Staates Israel in Ägypten sowie in zehn weiteren afrikanischen Ländern verzeichnet: Angola, Kamerun, Elfenbeinküste, Eritrea, Äthiopien, Ghana, Kenia, Nigeria, Senegal und Südafrika. Zusätzlich gab die Legende an, dass Israel zu 56 Ländern Afrikas diplomatische Kontakte unterhalte; also zu mehr Staaten, als dieser Kontinent offiziell überhaupt zählt. Über diesen Fehler hinaus gestand ein Mitarbeiter des Außenministeriums, dass Somalia und Dschibuti in der falschen Farbgebung dargestellt worden seien, denn die beiden Staaten unterhalten gar keine diplomatischen Beziehungen zu Israel.

Als einer der großen Erfolge Netanjahus wurde damals die Aufnahme von Beziehungen zu Guinea angesehen. Dieser Schritt war eine der ersten Früchte seiner Afrika-Politik, die er bereits 2016 ernten konnte und der Aufsehen erregte, weil Guineas Bevölkerung sich zu 85 Prozent zum Islam bekennt. 

Israels damit besiegelte Rückkehr auf den afrikanischen Kontinent – den muslimisch wie den christlich geprägten – veranlasste Anfang 2019 sogar die Arabische Liga zur Debatte eines Aktionsplans gegen »Israels Einflussexpansion«.

Von Botschaftseröffnungen zu Friedensverträgen

Obwohl die Karte von 2019 längst hinfällig ist, führt sie den massiven Wandel anschaulich vor Augen. Damals war von den arabischen Staaten Afrikas Ägypten das einzige Land, das Beziehungen zum jüdischen Staat unterhielt, ja, sogar – wie Jordanien als zweites arabisches Land der Welt – auf ein Friedensabkommen mit Israel blicken konnte. Inzwischen ist auf Netanjahus Afrika-Karte von einst seit Ende 2020 Marokko zu kennzeichnen, als sich das nordafrikanische Königreich den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain bei den Abraham-Abkommen anschloss. Damals war Netanjahu voller Hoffnung, dass nun der Damm gebrochen sei und weitere arabische Staaten folgen würden. 

Erster Indikator schien der Sudan zu sein, doch auch wenn sich das Land den Abraham-Abkommen anschloss, kam es nie zur offiziellen Ratifizierung, im Gegenteil: Aufgrund eines Militärcoups im Sudan im Frühjahr 2022 setzten die USA ihre Vermittlung sogar aus. Israel verhandelte trotz der Ereignisse weiter und kam somit letztlich mit einem Militärmachthaber zu der eingangs angedeuteten Normalisierungsaussicht mit dem Sudan, bei dem es sich übrigens um ein Land handelt, das Israel sowohl 1948 als auch 1967 den Krieg erklärte und in dem die berühmt-berüchtigten »drei Nein von Khartum« beschlossen wurden: Nein zum Frieden mit Israel, nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit Israel.

Allerdings kam es bislang zu keinem Durchbruch im Hinblick auf den Anschluss weiterer arabischer Länder an die Abraham-Abkommen, sodass Netanjahus Hoffnung in der Luft hängenblieb. Seine Abwahl im März 2021 führte sogar dazu, dass es Vertreter der Nachfolge-Regierung waren, welche die ersten bemerkenswerten Reisen in die Staaten am Persischen Golf und nach Marokko unternahmen. 

Doch inzwischen sitzt Benjamin Netanjahu wieder im Chefsessel. Auf vielen Ebenen muss er harsche Kritik wegen seiner neuen Koalition einstecken, doch auf außenpolitischer Ebene erntet er gerade weitere Früchte seiner Afrika-Politik. Und wer weiß, vielleicht wird er bald in den Medien mit einer Afrika-Vorderasien-Karte auftreten, um zu zeigen, wen er noch an Bord holen konnte.

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