Im Nahen Osten herrschen schlechte Voraussetzungen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen – sogar in den Ländern, die nicht von Kriegen zerrüttet sind.
David D. Kirkpatrick, Farnaz Fassihi, Mujib Mashal, The New York Times
Religiöse Pilger, Wanderarbeiter, Geschäftsleute, Soldaten und Kleriker überqueren ständig die Grenzen des Iran und reisen oft in Länder mit nur wenigen Grenzkontrollen, schwachen und ineffektiven Regierungen und fragilen Gesundheitssystemen.
Nun, da der Iran darum kämpft, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wird er nach China zum zweiten Brennpunkt bei der Ausbreitung der Krankheit. Fälle im Irak, in Afghanistan, Bahrain, Kuwait, Oman, Libanon, den Vereinigten Arabischen Emiraten – und sogar einer in Kanada – wurden alle in den Iran zurückverfolgt und lösen von Kabul bis Beirut Ängste aus.
Der Nahe Osten ist in vielerlei Hinsicht der perfekte Ort, um eine Pandemie auszulösen, sagen Experten. Sowohl muslimische Pilger als auch Wanderarbeiter, die das Virus in sich tragen könnten, reisen ständig in der Region umher. Die Wirtschaft des Iran wurde durch Sanktionen stranguliert, die Menschen haben das Vertrauen in ihre Regierung verloren, und die Führer des Landes sind von einem Großteil der Welt isoliert. All das führt dazu, dass nur wenig Klarheit über das Ausmaß der Epidemie herrscht.
Bürgerkriege oder jahrelange Unruhen haben die Gesundheitssysteme mehrerer Nachbarländer wie Syrien, den Irak, Afghanistan und den Jemen erschüttert. Und der Großteil der Region wird von autoritären Herrschern regiert, die in Sachen Transparenz, Verantwortlichkeit gegenüber der Bevölkerung und bei der Bereitstellung der Gesundheitsversorgung schlechte Bilanzen vorzuweisen haben. (…)
Millionen von muslimischen Pilgern reisen jedes Jahr aus der ganzen Region an, um schiitische heilige Stätten im Iran und im Irak zu besuchen. Allein im Januar kehrten 30.000 Menschen aus dem Iran nach Afghanistan zurück, und afghanischen Quellen zufolge pilgern weiterhin jede Woche Hunderte nach Qom, wo die Epidemie zuerst ausgebrochen ist.
Der Irak hat am Samstag seine Grenze zum Iran geschlossen, aber Millionen überqueren sie jedes Jahr. Daher könnten zahlreiche Infizierte das Virus bereits in den Irak eingeschleppt haben, je nachdem, wie lange es schon im Iran vorhanden war. (…)
Experten befürchten, dass nur wenige Länder des Nahen Ostens in der Lage sind, effektiv auf die Bedrohung durch das Virus zu reagieren.
„Wie bereit sind diese Länder?“, fragte Dr. Montaser Bilbisi, ein in den USA ausgebildeter Spezialist für Infektionskrankheiten, der in Amman, Jordanien, praktiziert. „Ehrlich gesagt habe ich nicht den Level an Bereitschaft gesehen, der in China oder anderswo vorhanden ist. Mancherorts fehlen Schutzausrüstungen für das medizinische Personal.“
Saudi-Arabien war das Epizentrum eines ähnlichen Ausbruchs vor sieben Jahren, bekannt als das Middle East Respiratory Syndrome (MERS), das von Kamelen auf den Menschen übertragen wurde.
Doch selbst nach sieben Jahren hat Saudi-Arabien, eines der reichsten Länder der Welt, noch immer Mühe damit, modernste hygienische Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung des Virus in den Krankenhäusern zu begrenzen. Bei einem MERS-Ausbruch im vergangenen Frühjahr wurden mindestens 61 Menschen infiziert, acht davon kamen dabei ums Leben.
‘Recipe for a Massive Viral Outbreak’: Iran Emerges as a Worldwide Threat