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Nach erneuter Zinssenkung in der Türkei stürzt die Währung weiter ab

Die Währung in der Türkei verliert weiter an Wert
Die Währung in der Türkei verliert weiter an Wert (© Imago Images / ZUMA Wire)

Ein westlicher Beamter eklärt, das Problem liege nicht zuletzt darin, dass niemand Präsident Erdogan von seiner Überzeugung abbringen kann, (hohe) Zinsen seien die Wurzel alles Übels.

Rudaw

Die türkische Lira erreichte am Donnerstag einen neuen Tiefststand, nachdem die Zentralbank mit der vierten Zinssenkung in Folge ihre bislang letzte Salve im „wirtschaftlichen Unabhängigkeitskrieg“ von Präsident Recep Tayyip Erdogan abgefeuert hatte.

Die Senkung des Leitzinses von 15% auf 14% erfolgte angesichts einer jährlichen Inflationsrate, die auf über 20% angestiegen war und in den nächsten Wochen noch weiter ansteigen dürfte. Die Lira wurde nach der Ankündigung mit einem Minus von mehr als 5% gehandelt. (…)

Die Lira hat seit Januar mehr als die Hälfte ihres Wertes eingebüßt – und fast 40% seit Anfang November –, während sich die politischen Entscheidungsträger Erdogans Wünschen beugten, die Kreditraten trotz steigender Inflationsraten immer weiter zu senken. Dieser unorthodoxe Ansatz hat den Wert der Ersparnisse der Menschen vernichtet und weite Teile der türkischen Gesellschaft unter die offizielle Armutsgrenze gedrückt.

Für einen Dollar konnte man 2016 drei Lira und am 1. Januar 7,43 Lira kaufen. Am Donnerstag war der Dollar schließlich 15,60 Lira wert, nachdem er zu Wochenbeginn noch bei etwa 13,80 Lira gelegen hatte.

Erdogan hat zu „Geduld“ aufgerufen und argumentiert, dass sein Ansatz die Türkei letztlich unabhängiger von äußeren Faktoren wie dem Umfang ausländischer Investitionen und den Preisen für importierte Waren machen werde.

Er hat auch versprochen, den Nettomindestlohn ab dem nächsten Jahr um 50% zu erhöhen, sodass er dann bei 4.250 Lira liegen soll, was derzeit etwa 275 Dollar (240 Euro) entspricht. „Wir sind entschlossen, (die Preisschwankungen) so bald wie möglich zu beenden“, sagte Erdogan in einer Fernsehansprache.

Analysten und Diplomaten meinen, dass Erdogan seine Zinspolitik, von der er glaubt, dass sie wachstumsfördernd sei, einleitete, um die sinkenden Zustimmungsraten vor den in 18 Monaten anstehenden Parlamentswahlen in die Höhe zu treiben.

Der türkische Staatschef versucht, die Inflationsspirale zu bekämpfen, indem er die Kreditkosten senkt – und tut damit das genaue Gegenteil von dem, was Länder in ähnlichen Situationen normalerweise tun. So erhöhen die Zentralbanken in aller Welt derzeit die Zinssätze oder fahren ihre Billiggeldpolitik zurück, um den Anstieg der Verbraucherpreise zu bekämpfen, der durch Faktoren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie verursacht wurde. (…)

Die meisten Analysten glauben, dass Erdogans Versuche, [durch Zinssenkungen] Arbeitsplätze zu schaffen und das Wirtschaftswachstum durch billige Exporte anzukurbeln, in sozialen Turbulenzen enden werden. Offizielle Daten zeigen, dass die Preise für Grundnahrungsmittel wie Nudeln und Kartoffeln seit November 2020 um rund 50% gestiegen sind.

Ein hochrangiger westlicher Beamter sagte, Erdogan fühle sich „entfesselt“, nachdem er die Zentralbank mit Verbündeten besetzt und Minister entlassen habe, die sich weigerten, seine unkonventionellen Ansichten zu teilen.

„Es gibt niemanden mehr um ihn herum, der seine grundsätzliche Überzeugung [dass (hohe) Zinsen ein Übel seien; Anm. Mena-Watch] zügeln kann – ob diese Überzeugung nun von seinen islamischen Prinzipien oder seiner Krämermentalität oder einer Kombination aus beidem herrühren mag. Erdogan glaubt wirklich, dass seine Politik funktionieren wird“, sagte der westliche Beamte.

(Aus dem Artikel Lira plunges as Turkey cuts interest rate again”, der bei Rudaw erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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