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Nach den Wahlen in Israel: Erneut wenig Frauen in der Knesset

Auch in der neueingeschworenen 24. Knesset sind Frauen stark unterrepräsentiert
Auch in der neueingeschworenen 24. Knesset sind Frauen stark unterrepräsentiert (© Imago Images / Xinhua)

Israel ist nach der Wahl vom 23. März weiterhin ohne Regierung. Es gibt einige Gewinner, aber keinen Sieger, dafür umso mehr Verlierer. Zu ihnen gehören erneut Frauen, die im Parlament, der Knesset, wieder einmal stark unterpräsentiert sind.

Als Parlament des Staates Israel reflektiert die Knesset nicht nur das politische Spektrum des Landes, sondern auch seine Gesellschaft. Unter den 120 Abgeordneten sind säkulare wie gläubige Juden, die unterschiedliche politische Ansichten vertreten und verschiedenen Strömungen des Judentums angehören.

Selbstverständlich sind auch Araber im israelischen Parlament vertreten, so dass das Land zudem auf muslimische wie christliche Abgeordnete und überdies auf drusische Volksvertreter blickt. In einer Hinsicht ist das israelische Parlament jedoch nicht das Spiegelbild der Gesellschaft: Erneut ziehen nur verhältnismäßig wenige Frauen in die Knesset ein. Lediglich knapp ein Viertel aller Abgeordneten sind Frauen, was in keiner Weise ihrem Bevölkerungsanteil entspricht.

Das Land blickt im Laufe der Jahrzehnte auf mehr als 2.000 Staatsbürger zurück, die als Volksvertreter amtierten. Israels Frauen stellten über sieben Jahrzehnte der Parlamentsgeschichte hinweg jedoch nur weniger als 400 Abgeordnete.

Dass sich die Zahl der weiblichen Abgeordneten seit einigen Jahren mit 30 Mandaten bei rund einem Viertel der Parlamentssitze einpendelt, macht dem Land überdies im internationalen Vergleich keine Ehre. 2019 belegte Israel bezüglich der Vertretung von Frauen im Parlament von 33 Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nur den 31. Platz.

Frauen in gehobenen Regierungsposten

Geht es um die Geschichte von Frauen in der israelischen Politik, so kommt man nicht um Israels „Dame mit dem Küchenkabinett“ herum: Golda Meir. Sie ist zugleich die große Ausnahme. Nie wieder in Israels Geschichte stieg eine Frau ins Premierministeramt auf, wenngleich ihr Tzippi Livni 2006 als zweite Israelin in den Außenministerposten folgte und wenige Monate später zudem zur stellvertretenden Premierministerin ernannt wurde.

Ähnlich verhält es sich mit Frauen in anderen gehobenen Ämtern der Politik. Von 18 Knesset-Sprechern war Dalia Itzik die einzige Frau. Noch nie in Israels Geschichte waren Frauen mit Ministerposten der Ressorts Verteidigung, Innere Sicherheit und Finanzen betraut, die besonders angesehen sind.

Auch die Gesamtbilanz bezüglich der Regierungsämter ist bescheiden. Golda Meir blieb bis 1975 die einzige Frau, die ein Ministeramt bekleidete. Bis heute überstieg der Anteil von weiblichen Regierungsmitgliedern nie 23,5 Prozent. Dies bezieht auch die stellvertretenden Ministerposten mit ein, in die Frauen vorwiegend ernannt werden. Bis 2020 amtierten lediglich 23 Israelinnen als Minister.

Kein Vergleich zu den Anfangsjahren und doch …

Beim Aufbau des Staates brauchte die jüdische Gesellschaft jede Hand. Wie in vielen anderen Ländern mussten sich Frauen auch in Israel den Zugang zu „Männerdomänen“ schwer erarbeiten und manchmal sogar gerichtlich erstreiten.

Ein prominentes Beispiel sind die Israelischen Luftstreitkräfte. Einige wenige Frauen flogen Kampfeinsätze im Unabhängigkeitskrieg 1948-1949. Während des Suez-Krieges 1956 saß eine einzige Frau als Navigatorin im Cockpit. Anschließend sollten fast 50 Jahre vergehen, bis wieder eine Frau den israelischen Pilotenkurs abschloss. Ohne richtungsweisendes Urteil des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 1995 wäre vermutlich noch mehr Zeit verstrichen.

Als holperig sind auch die parlamentarischen Anfangsjahre von Frauen in Israel zu bezeichnen. Zwar waren sie durchgängig in jedem Parlament vertreten, doch erst 2003 stellten sie erstmals einen Anteil von mehr als zwei Dutzend Knesset-Mitgliedern.

In den vorangegangenen Jahrzehnten hatten Frauen in insgesamt 14 gewählten Parlamenten mehrheitlich zwischen acht und zwölf Abgeordnete gestellt, sodass der Sprung Richtung einem Sechstel weiblicher Parlamentarier zum ausklingenden 20. Jahrhundert sogar noch für Aufsehen sorgte. Erst ab 2009 stieg der Anteil der israelischen Parlamentarierinnen durchgängig auf mindestens 25 an. Bislang ging die 2020 gewählte 23. Knesset mit 38 Frauen statistisch als Rekord in die Annalen ein.

Die 24. Knesset

In die gerade erst gewählte 24. Knesset zogen wieder weniger Frauen ein. Die Parteien hatten nur spärlich weibliche Kandidaten aufgestellt. Drei der 13 in die aktuelle Knesset gewählten Parteien – die orthodoxen Parteien Shas und Vereinigtes Thora-Judentum sowie die Vereinigte Arabische Liste, die der Islamischen Bewegung nahesteht – sind ausschließlich von Männern vertreten.

Der Likud stellt die meisten Parlamentarierinnen der 24. Knesset, was der Tatsache geschuldet ist, dass die Premier Benjamin Netanjahu unterstehende Partei mit 30 Mandaten die größte Partei im Parlament ist.

Prominenteste der Likud-Frauen ist wohl Miri Regev, die erneut auf Listenplatz 4 antrat und in den letzten vom Likud gebildeten Regierungen als Ministerin amtierte. Um sie kommt kein Knesset-Mitglied herum, denn sie verleiht ihrer Anwesenheit unüberhörbare Lautstärke. Auch in der Öffentlichkeit scheint sie omnipräsent zu sein, denn sie hat zu jedem Thema nicht nur eine Meinung, sondern verkündet diese auch mit viel Vehemenz.

Einer seiner aufsteigenden Sterne ging dem Likud allerdings verloren. 2015 wurde Sharren Haskal, damals gerade erst 31 Jahre, als jüngstes Parteimitglied gefeiert. In der 20. Knesset (2015-2019) war sie die zweitjüngste Abgeordnete. Der Likud setzte Zukunftshoffnungen in sie, doch sie wurde abtrünnig. Dieses Mal sitzt sie für die Partei „Neue Hoffnung“ von Gideon Sa´ar in der Knesset.

Es ist diese Partei, die zusammen mit fünf weiteren Parteien etwas veranschaulicht, was Frauen auch bezüglich israelischer Regierungsposten häufig widerfährt. Sie gelangen zwar in gehobene Positionen, stehen aber selten an der Spitze. Bei sechs von zehn israelischen Parteien, die Frauen unter ihren Knesset-Kandidaten haben, steht nämlich ein Mann gefolgt von einer Frau an der Spitze.

Proportional die höchste Zahl von Frauen ist hingegen in der Arbeitspartei anzutreffen. Zum einen ist es die einzige Partei, die unter der Leitung einer Frau steht. Partei-Chefin Merav Michaeli gilt als bekennende Feministin, was sie beispielsweise konsequent und für israelische Ohren gewöhnungsbedürftig in ihren Sprachgebraucht einfließen lässt. Zum anderen ist hervorzuheben, dass es sich bei vier der sieben Knesset-Abgeordneten ihrer Partei um Frauen handelt.

Daneben hebt sich bezüglich des Themas Frauen die Bürgerrechtspartei Meretz ab. Von ihren sechs Abgeordneten sind zwar lediglich zwei Frauen, doch dafür handelt es sich bei ihnen einerseits um die aus Ramat Gan stammende jüdische Israelin Tamar Sandberg und andererseits um arabische Israelin Ghaida Rinawie Zoabi, die ihre Karriere als politische Aktivistin in ihrer Heimatstadt Nazareth begann.

Araberinnen schreiben parlamentarische Geschichte Israels

Die stark verbesserungswürdige Repräsentanz von Frauen in Israels Parlament trifft keineswegs nur für die jüdische Mehrheitsgesellschaft zu. Im Hinblick auf Araber und weibliche Volksvertreter ist etwa festzuhalten: Im Laufe der Zeit – einschließlich der gegenwärtigen Knesset – amtierten 89 Angehörige der arabischen Minderheit des Landes als Abgeordnete. Dazu gehören Muslime, darunter Beduinen und Ahmadija, ebenso wie Christen und Drusen, doch alles in allem waren darunter gerade einmal elf Frauen.

Hussniya Jabara war 1999 die erste Muslima, die in die Knesset einzog. Über zwei Jahrzehnte später schrieb Iman Khatib-Jassin Geschichte, denn sie war die erste muslimische Abgeordnete einer mit der Islamischen Bewegung affiliierten Partei. Zudem saß sie als erste Hidschab-Trägerin auf den Bänken der Knesset.

Unter den Frauen, die 2021 in die Knesset gewählt wurden, sind gleich drei Araberinnen. Dies macht deutlich, wie viel sich in dieser eher konservativ eingestellten Gesellschaft in den vergangenen Jahren verändert hat. Alle drei Parlamentarierinnen bringen besondere Lebensgeschichten ein.

Die bereits als Meretz-Abgeordnete erwähnte Ghaida Rinawie Zoabi ist eine der immer noch nicht wirklich zahlreichen arabischen Frauen des Landes, die im Ausland studierten. Sie stand federführend an der Spitze mehrerer Projekte der Bereiche Wirtschaft und Soziales und wurde 2018 von „Forbes Israel“ zu einer der 50 einflussreichsten Frauen Israels ernannt.

Die aus einer christlichen Familie Nazareths stammende Aida Tuma-Suleiman ist seit 2015 Knesset-Mitglied. Die bekennende Kommunistin mischt mit ihrer feministischen Haltung nicht nur durchgängig die Reihen der eigenen „Vereinigten Liste“ auf, die sich aus drei arabischen Parteien zusammensetzt. Sie eckt auch immer wieder bei der jüdischen Mehrheitsgesellschaft an, wie etwa im Zuge ihrer Ablehnung der Friedensschlüsse mit den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Ibtisam Mara‘ana-Menuhin, eine aus Israels Norden stammende Muslima, hat es in ihrer Herkunftsgemeinschaft nicht leicht, weil sie einen jüdischen Israeli heiratete. Wegen Anmerkungen, die sie früher einmal zur israelischen Gedenk- und Erinnerungskultur machte, entbrannte im Wahlkampf eine emotionale Debatte um ihre Kandidatur. Das Knesset-Wahlkomitee sperrte sie, der Oberste Gerichtshof ließ ihre Kandidatur jedoch zu. Ihr wurden auf dem 7. Listenplatz der Arbeitspartei kaum Chancen eingeräumt. Dennoch schaffte auch sie den Sprung in die neugewählte Knesset.

Wie sich die Frauen aus den unterschiedlichen Parteien in der Politik einbringen werden, wird sich erst noch zeigen müssen. Fest darauf bauen kann man jedoch, dass sie ihre Stimmen auch in Unterzahl zur Geltung bringen.

Dies ist die leicht überarbeitete und erweiterte Version eines Textes der ursprünglich bei Israelnetz erschienen ist.

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