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Was kommt nach den Campus-Vergleichen mit der US-Regierung?

Antisemitischer Protest von Studentinnen der George Washington University
Antisemitischer Protest von Studentinnen der George Washington University (© Imago Images / NurPhoto)

Juden fühlen sich vielleicht sicherer, jetzt, wo die Universitäten ihre Verfehlungen anerkannt haben – oder auch nicht.

Alvin H. Rosenfeld

Mit Beginn des neuen akademischen Jahres sind die US-Universitäten intensiv damit beschäftigt, ihre Differenzen mit Behörden der Regierung von Präsident Donald Trump beizulegen. Sie sehen sich einer Reihe schwerwiegender Vorwürfe gegenüber, von denen viele auf ein problematisches Campusklima zurückzuführen sind, das sich negativ auf Juden auswirkt.

Columbia & Co.

Zu den Universitäten, die bisher Vergleiche erzielt haben, gehören die Columbia University in New York, die University of California in Los Angeles (UCLA) und die Brown University in Providence (Rhode Island), die alle institutionelle Reformen versprechen und hohe Summen zahlen, um ihren Namen von Vorwürfen wie Belästigung, Einschüchterung und anderen strafbaren Handlungen reinzuwaschen. Sie haben diesen Vereinbarungen vor allem zugestimmt, um die üppigen Forschungszuschüsse der Bundesregierung wiederzuerlangen, ohne die wichtige Fachbereiche und Programme der Universitäten in ihrer Arbeit ernsthaft beeinträchtigt wären.

Auch die Bekämpfung des Antisemitismus spielt dabei eine Rolle. Columbia hat sich bereit erklärt, über einen Zeitraum von drei Jahren 221 Millionen Dollar zu zahlen, von denen 200 Millionen an die Bundesregierung und 21 Millionen Dollar an die Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) gehen sollen, um Vorwürfe wegen Verletzungen der Bürgerrechte von Juden beizulegen. Columbia wird außerdem sein Nahost-Studienprogramm überprüfen und es »umfassender und ausgewogener« gestalten. Zusätzlich wird die Universität neue Lehrkräfte für das Institut für Israel- und Jüdische Studien einstellen.

Die Leitung der Brown University hatte sich bereits im Juli geeinigt und kam relativ glimpflich davon: Die Universität erklärte sich bereit, über einen Zeitraum von zehn Jahren fünfzig Millionen Dollar an Organisationen zur Förderung der Arbeitskräfteentwicklung zu überweisen, nicht aber an die Bundesregierung. Darüber hinaus verpflichtete sich Brown, seine Beziehungen zu israelischen Wissenschaftlern zu erneuern und Bewerbungen von Schülern jüdischer Tagesschulen zu fördern. In Zusammenarbeit mit der Bundesregierung erklärte sich die Universität bereit, eine externe Organisation zu beauftragen, um festzustellen, ob antijüdische Feindseligkeiten das Klima auf dem Campus prägen.

Nach einer ersten Einigung in einem Antisemitismus-Prozess mit privaten Anwälten wird die University of California sechs Millionen Dollar an drei jüdische Studenten und einen jüdischen Professor auszahlen, die alle die Universität wegen Verletzung ihrer Bürgerrechte während der Zeit der Protestcamps auf dem Campus verklagt hatten. Das ist Kleingeld im Vergleich zu der Strafe von einer Milliarde Dollar, die der UCLA seitens der Bundesregierung droht.

Harvard hat sich bisher zurückgehalten, aber es ist wahrscheinlich, dass auch sie und andere Universitäten bald Vereinbarungen treffen werden. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels erwägt Harvard eine Einigung über 500 Millionen Dollar. Unter anderem sieht die Universität sich Vorwürfen wegen der Marginalisierung und Misshandlung von Juden ausgesetzt. Ein Bericht über Antisemitismus auf dem Campus, den die Universität selbst im April veröffentlicht hatte, kam zu dem Ergebnis, dass jüdische Studenten »Vorurteilen, Misstrauen, Einschüchterung, Ausgrenzung, Ächtung, Verachtung und manchmal sogar dem Ausschluss aus verschiedenen curricularen und co-curricularen Bereichen der Universität und ihrer Gemeinschaft ausgesetzt waren – eindeutige Beispiele für Antisemitismus und antiisraelische Vorurteile«.

Ähnliche Akte antijüdischer Feindseligkeit waren an zahlreichen anderen amerikanischen Hochschulen an der Tagesordnung. Nach Erkenntnissen des Justizministeriums wurden jüdische Studenten an der George Washington University (GWU) in Washington häufig verspottet, eingeschüchtert und gequält.

Am 12. August 2025 richtete die stellvertretende Generalstaatsanwältin der Abteilung für Bürgerrechte, Harmeet Dhillon, ein Schreiben an den Präsidenten der GWU, in dem sie klarstellte, dass die Belästigungen dort »schwerwiegend« und »allgegenwärtig« gewesen seien. Jüdische Studenten wurden mit Nazi-Grüßen bedacht und ihnen wurde gesagt, »sie hätten im Holocaust verbrannt werden sollen«. Einige wurden »geschlagen, körperlich festgehalten und mit Münzen beworfen«. Einmal wurden einige von ihnen in einem Studienraum eingeschlossen. Aus Furcht vor weiteren Übergriffen konnten sie das Zimmer nicht verlassen.

Die Liste solcher hasserfüllter Aktivitäten an der George Washington University und anderen akademischen Einrichtungen ließe sich weiter fortsetzen.

Progressiver Antisemitismus

Wie schwerwiegend sind diese Vorwürfe? Mahmoud Khalil, einer der Hauptorganisatoren der Protestcamps an der Columbia University und Gegenstand eines vom Außenministerium ausgesetzten Ausweisungsverfahrens, hat erklärt, der Vorwurf von Antisemitismus an seiner Universität sei nichts weiter als »künstliche Hysterie«. Dies steht in krassem Gegensatz zu den Worten der amtierenden Präsidentin der Columbia University, Claire Shipman, die anerkannt hat, dass »jüdische Studenten und Dozenten schmerzhafte, inakzeptable Vorfälle erlebt haben und Reformen notwendig waren und sind«. Shipman räumte ferner ein, dass »unsere Institution mit sehr ernsten und schmerzhaften Herausforderungen durch Antisemitismus konfrontiert war«, und versprach, sich dafür einzusetzen, diese zu bekämpfen.

Progressiv-antisemitische Aktivitäten an amerikanischen Colleges und Universitäten gibt es schon seit Jahrzehnten. In den letzten Jahren hatten sie nachgelassen, bevor sie nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 dramatisch wieder aufflammten. Innerhalb eines Tages nach der Folter, Vergewaltigung, Ermordung, Verbrennung, Enthauptung und Entführung von Hunderten israelischer Juden brachen auf dem gesamten amerikanischen Campus Proteste aus. In einer unheimlichen Wendung richteten sich diese jedoch nicht gegen die Hamas, sondern gegen Israel, dessen Bürger Opfer dieser brutalen Verbrechen geworden waren.

Nur wenige Stunden nach dem Pogrom der Hamas veröffentlichten 34 Studentengruppen in Harvard einen Brief, in dem sie Israel für »voll verantwortlich für die gesamte Gewalt, die sich derzeit entfaltet«, erklärten. »Das Apartheidregime ist allein schuld.« Ähnliche Verurteilungen israelischer »Kriegsverbrechen« und sogar »Völkermord« wurden von Gruppen an anderen Universitäten veröffentlicht, lange bevor israelische Soldaten überhaupt in den Gazastreifen einmarschiert waren.

Die primitive antiisraelische Rhetorik wiederholte sich im ganzen Land. Dies war zum Teil auf ein »Day of Resistance«-Toolkit oder Handbuch zurückzuführen, welches die Students for Justice in Palestine (SJP), ein wichtiger Organisator der Campus-Protestbewegungen, innerhalb eines Tages nach den Hamas-Angriffen verbreitet hatte. Das Toolkit lobte die Invasion vom 7. Oktober im Süden Israels, rechtfertigte das Massaker als Akt des »Widerstands« und ermutigte Campus-Aktivisten, sofort mit Demonstrationen für die Palästinenser und gegen Israel zu beginnen. Es enthielt auch Grafiken und mehrere Hashtags und gab den Campus-Mitgliedern Anweisungen, was sie sagen und tun sollten.

Diese Strategie funktionierte, der Plan ging auf. Die Proteste wurden dann besonders lautstark mit der Errichtung von »Gaza-Solidaritätslagern«, von denen das erste am 17. April 2024 auf dem Campus der Columbia entstand. In kürzester Zeit wurden 150 oder mehr solcher Lager an amerikanischen Colleges und Universitäten errichtet. Begleitet wurden sie von leidenschaftlichen Aufrufen zu einer »globalen Intifada« und anderen blutrünstigen Parolen wie »Tod für Israel«, »Tod für Amerika« und »Tod für die Juden«.

In ihrer radikalsten Form waren die Aufrufe zum Boykott und zur Desinvestition aus allem, was auch nur irgendwie mit Israel zu tun hat, ein Angriff auf die Grundidee der Universität selbst, die dazu da ist, ein offenes Studium und offene Diskussionen zu garantieren und zu fördern. Die Proteste griffen auch Amerika selbst an. Ein SJP-Ableger an der Columbia University veröffentlichte im September 2024 einen Beitrag, in dem es hieß: »Desinvestition ist kein schrittweises Ziel. Wahre Desinvestition bedeutet nichts weniger als den totalen Zusammenbruch der Universitätsstruktur und des amerikanischen Imperiums selbst … Desinvestition bedeutet, Amerika, wie wir es kennen, zu untergraben und auszulöschen.«

Die Errichtung der »Gaza-Solidaritätscamps« im Frühjahr 2024 löste das aus, was Cary Nelson, Professor an der University of Illinois und Experte für Antisemitismus, als »die schnellste Politisierung der Hochschulbildung in unserem Leben« bezeichnete. Eine Folge davon ist, dass sich eine beträchtliche Anzahl jüdischer Studenten – an vielen Universitäten sechzig bis siebzig Prozent – belästigt fühlen, nicht mehr so willkommen sind wie zuvor, gemieden werden oder sich sogar in Gefahr befinden.

Hinzu kommt, wie Nelson in seinem neuen Buch Mindless: What Happened to Universities? berichtet, dass »beunruhigende zehn Prozent der Studenten Aufrufe zum Völkermord an Juden zulassen und dreizehn Prozent sagten, dass Juden die physischen Angriffe, denen sie ausgesetzt sind, verdient hätten«. Einige jüdische Fakultätsmitglieder, insbesondere diejenigen, die sich als Zionisten identifizieren, fühlen sich infolgedessen ausgegrenzt, sind anfällig für den Druck der »Cancel Culture« und praktizieren die eine oder andere Form der Selbstzensur.

Lange angebahnt

Mit der zunehmenden Bedeutung des Antizionismus als vorherrschendes politisches Credo in bestimmten akademischen Disziplinen – insbesondere in den Nahoststudien, den Gender Studies und der Ethnologie – richten sich die Bedrohungen nicht nur gegen jüdische Lehrkräfte, Studenten und Mitarbeiter, sondern gegen die Idee der freien Meinungsäußerung an sich. Für Anhänger des Antizionismus, Antikolonialismus, Antiamerikanismus und anderer verwerflicher »Ismen«, die auf der »progressiven« Abschussliste stehen, hat das Eintreten für eine Sache Vorrang vor der Wissenschaft.

Diese Spaltung auf dem Campus hat sich seit Langem angebahnt. Die antiisraelische Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) geht bereits etwa zwanzig Jahre zurück, also weit vor die »Gaza-Solidaritätsbewegung«, und hat ihre Hauptziele energisch verbreitet: Die schrittweise »Anti-Normalisierung« gegenüber allem, was mit Israel zu tun hat, zielt letztendlich auf die Beseitigung des jüdischen Staates.

Omar Barghouti, einer der Mitbegründer von BDS, spricht sich öffentlich für die »Euthanasie« Israels aus und erklärte: »Wir lehnen einen jüdischen Staat in jedem Teil Palästinas definitiv, ganz entschieden ab. Kein Palästinenser – kein vernünftiger Palästinenser, kein nicht-verräterischer Palästinenser – wird jemals einen jüdischen Staat in Palästina akzeptieren.« Barghouti und andere BDS-Unterstützer sind der Meinung, Israel hätte niemals gegründet werden dürfen, und tun alles in ihrer Macht Stehende, um dessen Untergang herbeizuführen. Diese Haltung wurde in den Campus-Protestbewegungen von 2024 immer wieder zum Ausdruck gebracht, besteht aber schon sehr viel länger.

Sind solche Ansichten antisemitisch? Pro-palästinensische Gruppen bestehen darauf, dass dies nicht der Fall sei; ihre Zeltlager an der Columbia University, der UCLA, in Harvard und anderswo wären lediglich antizionistisch gewesen.

Theoretisch sind Antizionismus und Antisemitismus nicht identisch, aber in der Praxis, insbesondere seit dem 7. Oktober 2023, ist eine Übereinstimmung zwischen beiden offensichtlich: Sie sind die beiden Seiten eines gemeinsamen Hasses. Wie der Antisemitismus ist auch der Antizionismus eine Leidenschaft – eine äußerst feindselige. Die meisten Juden wissen das. Werden sie mit Slogans wie »Wir wollen keine Zionisten hier« konfrontiert, erkennen sie schnell, dass sie selbst die Menschen sind, die gemieden und ausgegrenzt werden. Hören sie »Tötet alle Zionisten« und »Zionisten ins Gas«, wissen sie, dass die Menschen, die verflucht und bedroht werden, nicht alle in Tel Aviv leben, sondern auch in jenen amerikanischen Orten, die sie ihr Zuhause nennen.

Was diejenigen betrifft, die tatsächlich in Tel Aviv, Jerusalem und anderen israelischen Städten leben, so machen sie mittlerweile etwa 47 Prozent der weltweiten jüdischen Bevölkerung aus. Angesichts dieser Tatsache wird es ohne das Fortbestehen des Staates Israel keine jüdische Zukunft geben, die diesen Namen verdient. Diejenigen, die seine Auslöschung wollen, wie die engagiertesten antizionistischen BDS-Anhänger, stehen nicht, wie sie sich selbst sehen, auf der »richtigen Seite der Geschichte«, sondern eher in einer Linie mit denen in Deutschland in den 1930er Jahren.

Wie weiter?

Was wird das akademische Jahr 2025/26 für jüdische Studenten, Lehrkräfte und Mitarbeiter bringen?

Die bisher von der Columbia University und anderen zugesagten Reformen mögen ein gut gemeinter erster Anfang sein, aber um Fragen der antisemitischen Diskriminierung an Hochschulen erfolgreich anzugehen, müssen sie weit über die technischen Anforderungen gesetzlicher Regelungen hinausgehen und eine gewisse moralische Klarheit darüber wiederherstellen, wie Universitäten funktionieren müssen.

Indoktrination ist keine Bildung, hat aber in bestimmten akademischen Disziplinen einen prominenten Platz eingenommen. Eine Folge davon ist die endlose Verunglimpfung Israels als rassistischer, (siedler-)kolonialistischer, Apartheid- und sogar Nazi-Staat. Die fröhliche Wiederholung solcher Verleumdungen mag zwar unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fallen, aber sie zeugt von einer bösartigen Störung sowohl der intellektuellen als auch der moralischen Parameter. Anstatt den Studierenden zu helfen, klar zu denken, verstrickt sie diese Art von politischer Propaganda nur in ritualisierte Parolen. »Vom Fluss bis zum Meer« und »Befreit Palästina« zu rufen, mag sich tugendhaft anfühlen, aber es wird nichts bewirken. Etwas anderes zu glauben, wäre illusorisch.

Wie ich meinen Studenten immer sage: Wenn die politischen Parolen losgehen, schaltet der Verstand ab. Und wenn man anfängt, in Parolen zu denken, hört man gänzlich zu denken auf. Nichts steht mehr im Widerspruch zu optimalem Lehren und Lernen. Damit Letzteres gedeihen kann, müssen die Universitäten weit über die Zahlung großer Geldsummen an die Bundesregierung hinausgehen und damit beginnen, das zu reparieren, was in ihrer unmittelbaren Umgebung kaputt ist. In dieser Hinsicht ist eine Wiederbelebung der Geisteswissenschaften (englisch: humanities) von entscheidender Bedeutung. Werden sie richtig betrieben, humanisieren sie tatsächlich, aber sie können dies niemals tun, wenn sie missbraucht werden, um Juden oder andere Menschen zu entmenschlichen.

Alvin H. Rosenfeld ist Professor für Anglistik und Jüdische Studien an der Indiana University und Direktor des Zentrums für das Studium des zeitgenössischen Antisemitismus. (Der Text erschien auf Englisch zuerst im Commentary. Übersetzung von Alexander Gruber. Wir danken Alvin H. Rosenfeld und John Podhoretz für die Möglichkeit des deutschsprachigen Wiederabdrucks.)

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