Die Zukunft der Hisbollah ist das alles beherrschende Thema der politischen Debatten im Libanon. Klar scheint nur, dass sich einiges verändert hat.
Der Waffenstillstand im Libanon bietet dem Land die Möglichkeit, sich auf seine inneren Angelegenheiten zu konzentrieren, darunter auch auf die Frage nach der Zukunft der Hisbollah, die im Zentrum der politischen Debatte steht.
Nach mehr als einem Jahr des tagtäglichen Raketenfeuers auf Israel und einer kurzen Phase »heißen Kriegs« trat am 27. November eine Waffenstillstandsübereinkunft zwischen Israel und der Hisbollah in Kraft. Laut einer Kopie, über die Reuters berichtete, sieht das Abkommen vor, dass »die offiziellen Sicherheits- und Militärkräfte des Libanons« die einzige Einheit sind, die im Südlibanon Waffen tragen oder Truppen einsetzen darf. Sie umfassen die libanesische Armee sowie den Sicherheits- und Polizeiapparat bis hin zum libanesischen Zoll und lokalen Polizeikräften.
In der Übereinkunft bekennen sich beide Seiten zur vollständigen Umsetzung der Resolution 1701 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen einschließlich der darin enthaltenen Forderung nach einer »Abrüstung aller bewaffneten Gruppen im Libanon«. Das zielt selbstverständlich auf die Hisbollah und ihren bewaffneten Arm, der von vielen Ländern, darunter die USA, die Europäische Union und Großbritannien, als terroristische Organisation eingestuft wird. Deutschland hat die Gruppe im Jahr 2020 verboten.
Konzentration auf Innenpolitik
Trotz des Bekenntnisses des Waffenstillstandsübereinkommens zur Entwaffnung aller bewaffneten Organisationen bleibt das Schicksal der Hisbollah Gegenstand vieler Fragen. Ein Parlamentsabgeordneter der Hisbollah, Hassan Fadlallah, bestätigte, dass die Aktivitäten der Organisation auch nach Kriegsende fortgesetzt werden, darunter die Unterstützung vertriebener Libanesen bei der Rückkehr in ihre Dörfer und beim Wiederaufbau der durch Angriffe zerstörten Gebiete.
Zum aktuellen Kräfteverhältnis sagt der libanesische Militärexperte Nahi Gebran: »Vor dem Gaza-Krieg verfügte die Hisbollah über eine überlegene militärische Streitmacht, die sie zu einer regionalen Macht machte, aber diese Streitmacht ist jetzt geschwächt. Die Umsetzung der Resolution 1701 wird die militärische Macht und die Fähigkeiten der Organisation weiter einschränken.«
Gebran erwartet, dass sich die Hisbollah vor den anstehenden Wahlen vor allem auf die Stärkung ihrer politischen Position konzentrieren wird und mit verstärkter Sozial- und Entwicklungshilfe sowie Unterstützung beim Wiederaufbau versuchen werde, ihre Unterstützung in der Bevölkerung zu festigen. Gebran wies darauf hin, dass die Hisbollah jedenfalls nicht vollständig von der Bildfläche verschwinden werde, da sie eine aktive Partei mit einem Parlamentsblock und einigen Ministern in der aktuellen Regierung bleibt.
Hisbollah am Ende?
Zur militärischen Zukunft der Hisbollah sagte Qassem Yousef, ein libanesischer Autor, dessen Analysen in arabischen Kanälen und Zeitungen erscheinen, insbesondere im saudischen Kanal Al-Arabiya: »Die Hisbollah war als härteste und stärkste Verteidigungslinie des Irans gedacht, damit dieser nicht selbst in den Krieg eingreifen muss«, aber dieser Plan sei von der Realität überholt worden. »Als der Krieg ausbrach, ging die Hisbollah in nicht einmal zehn Tagen k.o.« Sie könne die ihr vom Iran zudachte Funktion momentan nicht mehr erfüllen, und ein Zurück zum Status quo ante sei zumindest kurzfristig nicht möglich.
Yousef resümierte: »Die Hisbollah ist als strategische Karte in der Region, als bewaffnete Partei mit übermäßiger Macht im Libanon, als Standbein des Irans an den Ufern des Mittelmeers und als militärische Erweiterung der iranischen Revolutionsgarde an den Grenzen Israels gescheitert und hat sich in eine Partei verwandelt, die mit Problemen belastet ist, die ihre Kapazitäten übersteigen.«
Ob die Hisbollah damit wirklich »am Ende« ist, wie Yousef meint, wird sich erst weisen müssen, aber ihren Nimbus als unbesiegbare Kraft im Kampf gegen Israel hat sie erst einmal verloren. Davon kann auch ihre Stellung im Libanon selbst nicht unberührt bleiben. Und auf eines kann man sich in der Region verlassen: Verlierer haben wenig zu lachen.