Mohammed Sinwar, der jüngere Bruder von Yahya Sinwar, gilt als einer der Hauptplaner des Terrorangriffs vom 7. Oktober und könnte die Nachfolge von Mohammed Deif antreten.
Yaakov Lappin
Am Sonntag vor einer Woche begab sich der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant in den Netzarim-Korridor, der den nördlichen Gazastreifen vom südlichen trennt, um gemeinsam mit dem Leiter des IDF-Südkommandos, Yaron Finkelman, und anderen hochrangigen Offizieren eine operative Bewertung vorzunehmen. Gallants Besuch fand statt, während Israel weiterhin (Luft-)Angriffe auf Hamas-Terroristen im Gazastreifen durchführt und die Kontrolle über den Netzarim-Korridor ausbaut, um die dort stationierten Truppen zu sichern und Hamas-Kämpfern die Rückkehr in den Norden zu hindern.
In seiner Ansprache an die Reservesoldaten, die sich seit Kriegsbeginn in ihrem dritten Einsatz befinden, bekräftigte Gallant die Entschlossenheit Israels, die Hamas-Führer, insbesondere die Brüder Sinwar, zur Strecke zu bringen:
»Wir werden die Hamas weiterhin unter Druck setzen und angreifen, sie zermürben und eliminieren. Wir werden Mohammed und Yahya Sinwar erreichen. Diese verfluchten Terroristen werden gefasst werden. Jeder, der etwas anderes glaubt, sollte sich Marwan Issa [die Nummer drei der Hamas, der bei einem Luftangriff auf das Zentrum des Gazastreifens im März getötet wurde, Anm. Mena-Watch] und Mohammed Deif [der militärisch-terroristische Chef der Hamas, der bei einem Angriff auf den südlichen Gazastreifen im Juli getötet wurde, Anm. Mena-Watch] ansehen. Auch sie dachten, sie seien unbesiegbar. Sie haben ihre Fehler gemacht und sind heute nicht mehr unter uns. Die Sinwar-Brüder werden denselben Fehler begehen, und wir werden unsere Mission erfüllen.«
Mohammed und Yahya Sinwar sind zum Symbol dessen geworden, was von der militärisch-terroristischen Hamas-Führung im Gazastreifen übriggeblieben ist. Nach der gezielten Tötung von Ismail Haniyeh am 31. Juli in Teheran wurde Yahya Sinwar auch zum Leiter des politischen Büros der Hamas.
Yahyas jüngerer Bruder Mohammed spielt eine entscheidende Rolle in der militärischen Infrastruktur der Hamas; ob er Mohammed Deif auf dessen Posten ersetzt hat, ist bislang unklar. Der Leiter des Forums für Palästinastudien am Moshe-Dayan-Zentrum für Nahost- und Afrikastudien der Universität Tel Aviv, Michael Milshtein, stellte diesbezüglich aber fest, dass Mohammed Sinwar neben seinem Bruder in der Hamas an Bedeutung gewonnen hat.
Wer ist Mohammed Sinwar?
Mohammed Sinwar wurde 1975 in Khan Yunis geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, so Milshtein. Gemeinsam mit seinem Bruder war er eine Zeitlang in einem israelischen Gefängnis. Nach seiner Entlassung vertrat er Yahya in der militärischen und politischen Führung der Hamas, während Yahya vom Gefängnis aus Terroranschläge leitete. Zwischen 1996 und 1999 saß Mohammed Sinwar auch in einem Gefängnis der Palästinensischen Autonomiebehörde.
»Sein großer beruflicher Sprung erfolgte während der zweiten Intifada, als er zum Kommandeur der militärischen Abteilung in Khan Yunis und später zum Kommandeur der Khan-Yunis-Brigade ernannt wurde. Er bezieht viel Macht aus seiner Nähe zu Yahya, hat sich seinen Status aber auch unabhängig davon erarbeitet«, so Milshtein. Zugleich werde Mohammeds öffentliches Image auch von »Schatten begleitet, hauptsächlich wegen der Gerüchte über seine Beteiligung an der sexuellen Belästigung von Kindern«, fügte der Analyst hinzu.
Dass Mohammed Sinwar trotz seiner hochkarätigen Rolle als Terrorist Mohammed Deif als militärischer Führen der Hamas ersetzen wird, glaubt Milshtein nicht. Wahrscheinlich könnte er das Vakuum zusammen mit »jemandem wie Az Aldin Haddad, dem Kommandanten von Gaza-Stadt, oder Raed Saad, einem der Top-Kommandeure«, füllen, wobei unklar ist, ob dieser nicht bereits April getötet wurde. So oder so bleibe Mohammed eine wichtige Figur in den Reihen der Hamas, der derzeit den südlichen Gazastreifen befehligen könnte.
Laut dem Experten spielte Mohammed Sinwar eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung des Terrorangriffs vom 7. Oktober 2023, indem er die Tunnelsysteme (wo er in einem Video als Fahrer eines Wagens zu sehen ist), die Logistik, die Infrastruktur, die Rekrutierung und die Kriegsplanung überwachte. »Es scheint, und ich sage das mit Vorsicht, dass er Teil des inneren Kreises ist, auf den sich Yahya verlässt, um die Strategie zu formulieren und den Krieg zu führen sowie die Kontrolle über den Gazastreifen auszuüben. Er genießt großes Vertrauen bei seinem Bruder«, so Milshtein.
Der Senior Researcher und Leiter des Global Jihad Research Program am International Institute for Counter Terrorism (ICT) an der Reichman Universität in Herzliya, Michael Barak, merkte an, dass Mohammed Sinwar eine sehr geheimnisvolle Figur, aber auch ein sehr wichtiger Kommandant im militärischen Flügel der Hamas sei: »Er ist einer der prominentesten Kandidaten für die Nachfolge von Deif aufgrund seiner reichen militärischen Erfahrung und der Erfolge, die er für die Organisation erzielt hat, wie zum Beispiel zahlreiche Terroranschläge gegen Israelis. Er ist das planende Gehirn hinter der Entführung von Gilad Schalit. Vor allem aber, weil er der Bruder von Yahya Sinwar ist.«
Barak wies darauf hin, dass Mohammed Sinwar seine Grundausbildung an vom UNRWA-Hilfswerk unterstützten Schulen erhielt. Sein frühes Engagement in der Hamas ergab sich durch seinen älteren Bruder Yahya, der ihn dazu brachte, sich der Terrorbewegung kurz nach deren Gründung im Dezember 1987 anzuschließen.
Weg in die Führungsriege
Mohammeds Weg in die Führungsriege der Terrororganisation begann, als er sich den al-Qassam-Brigaden anschloss und dort aufstieg, bis er 2005 schließlich das Kommando über die Khan-Yunis-Brigade übernahm, sagte Barak und fügte hinzu, dass Sinwar zu dieser Zeit begann, sich den militärischen Führern der Hamas anzunähern, darunter Mohammed Deif und sein Stellvertreter Marwan Issa. Sinwar wurde zum Befehlshaber für Sondereinsätze und Logistik ernannt und war einer der Initiatoren des Einsatzes von Angriffstunneln gegen IDF-Stellungen während der zweiten Intifada.
Die sechs Attentatsversuche durch Israel hätten Sinwar dazu veranlasste, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. »So verschwand er zum Beispiel nach einem Attentat im Jahr 2003 und nahm an der Beerdigung seines Vaters nicht teil, der am 12. Januar 2022 im Alter von neunzig Jahren starb.«
Auch habe Mohammed Sinwar sich nur selten, »nämlich zweimal«, öffentlich geäußert. Dazu gehört eine Aufnahme, die von der Hamas nach dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 und erneut im Jahr 2022, nach der Operation Guardian of the Walls im Jahr zuvor, veröffentlicht wurde. »Israel betrachtet Mohammed Sinwar als einen der Planer des Massakers vom 7. Oktober«, sagte Barak abschließend.
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)