Mit Badehose oder zerschmetterten Tellern gegen Corona-Lockdown

Auch der Strand in Tel Aviv ist vom Corona-Lockdown in Israel betroffen
Auch der Strand in Tel Aviv ist vom Corona-Lockdown in Israel betroffen (© Imago Images / Xinhua)

Die Israelis geben ihrem Frust Ausdruck und zeigen auch in ihrem Protest gegen den zweiten Lockdown Humor und Kreativität.

Vergangenen Freitag begann der zweite Lockdown in Israel, der mindestens drei Wochen andauern soll und die hohen jüdischen Feiertage von Rosh Hashana bis Simchat Torah umschließt.

In der Woche vor dem Lockdown erreichte Israel mit 5.500 Neuinfizierten pro Tag Rekordzahlen. Daraufhin verordnete die Regierung eine Ausgangssperre für die Bevölkerung und ließ sowohl Restaurants als auch Geschäfte schließen. Bereits während des ersten Lockdowns verloren zahlreiche Lokalbesitzer ihre Geschäfte und Angestellte ihre Jobs. Seitdem hat sich die Wirtschaft Israels nicht wieder erholt und ein großer Teil der Bevölkerung fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen.

Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen

Bereits am Donnerstag, einen Tag bevor der Lockdown in Kraft trat, versammelten sich hunderte Israelis am Habima-Square in Tel Aviv, um gegen die neuen Restriktionen zu protestieren. „Die Wirtschaft befindet sich in freiem Fall. Menschen verlieren ihre Arbeitsplätze, sie sind depremiert“, so Yael, eine der Teilnehmenden, zur Times of Israel. Die Demonstranten kritisierten Premierminister Benjamin Netanyahu dafür, zu sehr mit der eigenen Wahlkampagne beschäftigt zu sein, sich aber zu wenig um neue Lösungswege zu bemühen, wie die Bevölkerung vor einem finanziellen Breakdown geschützt werden kann. Mit den Worten: „Wir werden weiterhin für das Bestehen des Staates Israel kämpfen und gegen einen Staat Netanyahus“, machten sie ihr Anliegen deutlich.

In Jerusalem versammelten sich tausende Protestierende in der Nähe von Netanyahus Wohnsitz, zu der wöchentlich stattfindenden Anti-Regierungsdemonstration. Es ist bereits die dreizehnte Woche, in der in Jerusalem protestiert wird, wobei Zahl der Demonstranten zwar niedriger als zu Beginn, jedoch für die Dauer des Protests immer noch erstaunlich hoch ist.

Auch Teile der ultra-orthodoxen Haredi-Gesellschaft demonstrierten am Sonntag in verschiedenen Städten Israels. Sie werfen der Regierung vor, sich zu wenig für die jüdische Religion und Tradition einzusetzen, da der Lockdown explizit an den hohen Feiertagen angesetzt wurde. Die Regierung befürchtet, dass sich der Corona-Virus vor allem an den Feiertagen, durch große Familienzusammenkünfte, ausbreiten könnte.

Zugleich wird vermutet, dass die Proteste der Ultra-Orthodoxen als Vorwand genommen wurden, um traditionelle Familienfeiern trotz des Lockdowns abzuhalten. Laut Times of Israel wurden einige Demonstranten mit Reisekoffern gesehen. „Das Gesetz richtet sich gegen die Ultra-Orthodoxen. Wenn Säkulare von Ort zu Ort reisen dürfen, um zu demonstrieren, dann dürfen wir das auch. Vor den Feiertagen bin ich zu meiner Familie nach Jerusalem gefahren und jetzt fahre ich zu einem Protest in Bnei Brak. Dabei gibt es kein Problem“, so einer der Demonstranten zur israelischen Nachrichtenseite Ynet.

Kretaiv dem Frust Ausdruck verleihen

Doch nicht nur Ultra-Orthodoxe nützen die Demonstrationsfreiheit aus, um der Ausgangssperre zu entkommen. In Tel Aviv versammelte sich eine Gruppe von etwa 200 Israelis am Samstagnachmittag am Strand, um zu demonstrieren. Der Strand ist während dem Lockdown geschlossen und nur zugänglich, wann man dort Sport zu betreiben. Allerdings gibt es auch keine genauen Restriktionen, die das Demonstrieren am Strand verbieten. Manche der Demonstranten machten Sportübungen und andere bliesen das Shofar, das traditionelle Widderhorn, da zum jüdischen Neujahrsfest Rosh Ha-Schana geblasen wird. Als die Musik gegen Abend jedoch lauter wurde und sich die Demonstration in eine Strand-Party verwandelte, wurden die Teilnehmenden von der Polizei aufgefordert den Strand zu verlassen.

In Tel Aviv sind die Zahlen der Neuinfizierten mit 27 Fällen pro 100.000 Einwohner deutlich geringer als in der ultra-orthodoxen Stadt Bnei Brak, in der die Anzahl der Fälle 140 pro 100.000 Einwohner beträgt. Man kann in Tel Aviv und anderorts beobachten wie die allgemeine Frustration, die sich in der Gesellschaft breit macht, gepaart mit israelischer Gelassenheit zu Kreativität führt. So lassen sich die Israelis interessante Wege einfallen, um ihre Verzweiflung an die Öffentlichkeit zu bringen.

In den Städten Bat Yam, Tel Aviv und Haifa protestierten Restaurantbesitzer gegen den zweiten Lockdown, in dem sie Teller zu Boden warfen und Videos davon in den sozialen Medien teilten. Der Restaurantbesitzer Oleg Bartov äußerte sich auf Facebook gegen die Entscheidung der Regierung auch den Verkauf von Take-Away-Essen zu verbieten. Tausende Restaurants partizipierten landesweit an dem Protest, da sie befürchten die nächsten zu sein, die ihre Türen für immer schließen und sich von ihren Stammkunden verabschieden müssen.

Während manche die Demonstrationsfreiheit als Ausrede verwenden, um die verordnete Ausgangssperre zu umgehen, wird von anderen Teilen der Bevölkerung reale Angst zum Ausdruck gebracht. Bei all dem wird jedoch nicht mit Humor gespart, um die derzeitig äußerst bedrückende Situation irgendwie erträglicher zu machen.

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