Erweiterte Suche

Mit Adolf Hitler zur Abitur-Feier

Schüler vor dem Hitler-Bild bei ihrer Feier zum "Sportabitur"
Schüler vor dem Hitler-Bild bei ihrer Feier zum "Sportabitur" (Quelle: Social Media)

Zukünftige Absolventen eines Gymnasiums in Tunesien ließen zur Feier ihres »Sportabiturs« ein Banner mit einer Darstellung Hitlers in Militäruniform vom Dach des Schulgebäudes.

Das »Sportabitur« (Le Bac Sport) markiert in Tunesien jedes Jahr im Januar oder Februar den Beginn der Abiturprüfungen. In einer Vielzahl sportlicher Wettkämpfe stellen die Schülerinnen und Schüler ihre Fähigkeiten unter Beweis. Auch ihr Wissen über Sport wird abgefragt. 

Auf die Prüfung folgt eine Feier namens »Dakhla«. Dabei werden riesige selbstgemachte Transparente an den Fassaden der Schulen oder Turnhallen entrollt, es gibt Musik, Rauchbomben und bengalisches Feuer. Alles inspiriert von Praktiken europäischer Fußballfan-Ultras, von denen einige – die, die mit Rauch und Feuer zu tun haben – aus guten Gründen in europäischen wie tunesischen Fußballstadien gleichermaßen verboten sind. Es ist eine ausgelassene Stimmung, wie beim letzten Schultag vor den Abiturprüfungen in Deutschland.

Hitler-Verherrlichung

Die Transparente üben zuweilen vorsichtig humoristische Kritik an der Regierung und den Behörden, ähnlich den Festwagen der deutschen Karnevalsumzüge. Oft sind sie aber auch entschieden patriotisch, mit großen tunesischen Flaggen und einer heroisierenden Darstellung uniformierter Soldaten. Die Glorifizierung des palästinensischen Nationalismus ist ebenfalls ein wiederkehrendes Motiv. Die angehenden Abiturienten einer Schule in der rund 100.000 Einwohner zählenden Stadt El Mourouj an der Nordküste Tunesiens wiederum haben sich dieses Jahr entschieden, Adolf Hitler zu verherrlichen.

Wie das tunesische Nachrichtenportal Business News berichtet, versammelten sich zukünftige Absolventen der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung eines Gymnasiums in El Mourouj am Mittwoch, den 25. Januar, zu einer Feier mit Rauchbomben und bengalischem Feuer auf dem Schulhof, nachdem sie zuvor ein Banner mit einer Darstellung Hitlers in Militäruniform vom Dach des Schulgebäudes gelassen hatten. Neben dem Bild ist ein Hitler zugeschriebenes Zitat. Auf Englisch – nicht auf Arabisch oder Französisch – steht dort: 

»Wenn du mich angreifst, werde ich angesichts deines Mutes meinen Hut ziehen. Aber sei gewiss, dass ich ihn nirgendwo anders ablegen werde als auf deinem Grab.«

Auf der Website von Business News ist ein Foto des Banners zu sehen. Wie es in dem Bericht weiter heißt, hätten Fotos, die zwischenzeitlich von Facebook entfernt worden seien, Schüler beim Hitlergruß gezeigt.

Der Vorfall erinnert an einen sehr ähnlichen im Jahr 2015. Damals entrollten angehende Abiturienten in der tunesischen Stadt Jendouba ebenfalls ein Hitler-Bild (neben einer schwarz-rot-goldenen Flagge!); in der Stadt Kairouan wurde zur gleichen Zeit die Schreckensherrschaft des Islamischen Staat (IS) verherrlicht, der damals große Teile Syriens und des Irak kontrollierte und dort Massaker an der Zivilbevölkerung verübte. Ein selbstgemaltes Bild auf einem Transparent zeigte einen Mann mit einem Krummschwert, der offenbar einen Henker des IS darstellen sollte, der sich zur Enthauptung zweier in orangefarbener Kleidung (die der IS der Kleidung von Gefangenen im amerikanischen Gefangenenlager Guantanamo nachgebildet hatte) dargestellter Männer anschickt. 

Wie die französische Tageszeitung Le Figaro damals berichtete, setzten die Schüler in Jendouba auf die Facebookseite ihrer Schule zudem eine Grafik mit Hitler zugeschriebenen Maximen, wie etwa: »Leg dich niemals mit einem Mann an, der nichts zu verlieren hat« oder: »Seinen Feind zu lieben, fühlt sich lächerlich an.«

Auf der bei Touristen beliebten Insel Djerba, wo noch einige Hundert Juden leben, schwenkten Schüler bei der Dakhla-Feier 2016 Berichten zufolge eine Hakenkreuzfahne auf der Straße.

Mangelnde Bildung?

Marouen Achouri, Chefredakteur von Business News, machte aus Anlass der Vorfälle von 2015 in einem Kommentar den Staat und die Gesellschaft dafür verantwortlich, dass Jugendliche sich zu Hitler oder dem IS hingezogen fühlten. In Jendouba und Kairouan gebe es weder ein Jugendzentrum noch ein Kino, geschweige denn eine Bücherei, schrieb er. Was es dort gebe, seien Bars und Moscheen. Es sei unwahrscheinlich, so Achouri, dass die Schüler wüssten, was das IS-Banner mit der Aufschrift »Wir werden nur die Herrschaft Allahs akzeptieren«bedeute oder dass sie Kenntnisse über Hitler und den Zweiten Weltkrieg hätten. »Es ist Unwissenheit, die diese Kinder in die Arme von Extremismus aller Art treibt.«

Wenn die Erziehung YouTube und Facebook überlassen werde, sei es nicht verwunderlich, dass die Jugendlichen Symbole übernähmen, die ihrem Lebensumfeld fremd seien. »Sie haben nicht das intellektuelle Material, um sich von diesen Charakteren zu distanzieren. Deshalb können Daesh (der IS; S.F.) oder Hitler in ihren Augen zu Helden werden.« Zu einem falschen Vorbild werde auch die »Bande von Kumpels, die auf der Straße trinken und daran denken, in ein Haus einzubrechen oder ein Auto aufzubrechen». Der Autor fragte: »Warum können sie in den Werten Gerechtigkeit, Bürgersinn und Republik nicht finden, wonach sie suchen? Auf diese Frage werden wir bald eine Antwort finden müssen.«

Das war vor acht Jahren. Die Antwort wurde offenbar noch nicht gefunden, wie man an dem Hitler-Transparent in El Mourouj sieht. Man sollte allerdings auch nicht glauben, dass Bildung eine Wunderwaffe gegen menschenfeindliche Ideologien und Fanatismus sei. Das hat die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert gezeigt. Die Gebildeten waren nicht selten die Schlimmsten. 

Nein, jene tunesischen Schüler in El Mourouj haben sicherlich nicht Mein Kampf gelesen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht wissen, wofür Hitler steht. Und was nun das Buch Mein Kampf betrifft: Es wird auf der Kairoer Buchmesse ebenso beworben wie auf der Buchmesse in Doha, Katar. Die Besucher dieser Messen mögen alle möglichen Menschen sein – aber gewiss keine ungebildeten, frustrierten Jugendlichen. Bildung bewahrt nicht mit Sicherheit davor, zum Anhänger des IS oder Hitlers zu werden. Sie verhindert lediglich, dass jemand dies tut, ohne zu wissen, warum.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!