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Missbrauch von Psychologie: »Hidschab-Rehabilitationskliniken« im Iran

Im Iran riskieren Frauen viel, wenn sie in der Öffentlichkeit keinen Hidschab tragen. (© imago images/NurPhoto)
Im Iran riskieren Frauen viel, wenn sie in der Öffentlichkeit keinen Hidschab tragen. (© imago images/NurPhoto)

»Hidschab-Kliniken« im Iran haben nichts mit psychologischer oder psychiatrischer Hilfe zu tun, sondern sind Mittel der Unterdrückung.

Die Einrichtung sogenannter Hidschab-Rehabilitationskliniken im Iran ist ein krasses und alarmierendes Beispiel für politischen Missbrauch von Psychologie und Psychiatrie. Diese Initiative, die dazu dienen soll, Frauen, die sich den Gesetzen zur Verschleierungspflicht widersetzen, »umzuerziehen«, ist ein eklatanter Missbrauch psychologischer Prinzipien zur Durchsetzung ideologischer Zwänge und politischer Unterdrückung.

Das iranische Regime behauptet zwar, diese Kliniken seien gut gemeinte Bemühungen zum Umgang mit »abweichendem Verhalten«, tatsächlich handelt es sich jedoch um einen Zwangsmechanismus, der darauf abzielt, unliebsame Meinungen zu unterdrücken und die Bevölkerung unter dem Deckmantel therapeutischer Maßnahmen zu kontrollieren.

Solche Praktiken sind nicht nur ethisch verabscheuungswürdig, sondern stellen auch einen direkten Verstoß gegen die Grundprinzipien der Psychologie als Disziplin dar. Sie spiegeln auch umfassendere historische und globale Muster der Politisierung der Geisteswissenschaften wider, bei denen Regime psychologische Instrumente als Waffe einsetzen, um ihre autoritären Ziele zu erreichen.

Der obligatorische Hidschab ist seit Langem ein Symbol für die ideologische Kontrolle des Mullah-Regimes über die Körper von Frauen und damit auch über deren Autonomie. In den letzten Jahren hat die Bewegung »Women, Life, Freedom« einen weit verbreiteten Widerstand gegen diese repressiven Gesetze ausgelöst, indem Frauen ihr Kopftuch als Akt des Widerstands offen ablegen. Anstatt einen sinnvollen Dialog zu führen oder die zugrunde liegenden Missstände anzugehen, hat die Regierung noch nachgelegt und rigorose Maßnahmen ergriffen, die als therapeutische Lösungen getarnt sind.

Die Einrichtung der Hidschab-Kliniken ist ein Paradebeispiel dafür, wie Psychologie für politische Zwecke missbraucht werden kann. Frauen, die sich weigern, den Hidschab zu tragen, werden als »psychisch und moralisch gestört« abgestempelt und verpflichtenden »Beratungsgesprächen« unterzogen, die nicht darauf abzielen, das psychische Wohlbefinden zu fördern, sondern den Willen dieser mutigen Frauen zu brechen und Konformität zu erzwingen.

Globales Phänomen

Der Missbrauch von Psychologie und Psychiatrie für politische Zwecke ist kein ausschließlich iranisches Phänomen. Die Geschichte ist voll von Beispielen, wie Regime die Wissenschaften der psychischen Gesundheit als Waffe einsetzen, um Andersdenkende zum Schweigen zu bringen, Gegner zu untergraben und diktatorische Herrschaft zu legitimieren. Dazu gehören:

  • Rufmord an politischen Gegnern: Autoritäre Regime bezeichnen Dissidenten oft als psychisch instabil und verwenden Diagnosen wie »Paranoia« oder »Wahnvorstellungen«, um deren Glaubwürdigkeit zu untergraben. Indem sie Dissens als Symptom einer psychischen Erkrankung darstellen, versuchen Regierungen, die Opposition zu marginalisieren und gleichzeitig ein Bild rationaler Autorität zu vermitteln.
  • Zwangseinweisung: Die erzwungene Internierung politischer Gegner ist eine weitere gängige Taktik. In der Sowjetunion beispielsweise wurde bei Dissidenten häufig »blande Schizophrenie« diagnostiziert, was die Einlieferung in psychiatrische Krankenhäuser zur Folge hatte, wo sie unmenschlichen Behandlungen ausgesetzt waren.
  • Instrumenteller Einsatz psychologischer Diagnosen: Psychologische Begriffe werden in der politischen Propaganda häufig als Waffe eingesetzt. Führungskräfte werden als »narzisstisch« oder »psychopathisch« bezeichnet, und zwar nicht auf der Grundlage strenger klinischer Bewertungen, sondern um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Ein solcher Missbrauch schadet der wissenschaftlichen Integrität der Psychologie und untergräbt das Vertrauen in psychologische Fachkräfte.
  • Propaganda und Gehirnwäsche: Techniken, die in der Psychologie verwurzelt sind wie Angstmacherei, kognitive Manipulation und die Schaffung kollektiver Paranoia werden häufig eingesetzt, um Bevölkerungen zu kontrollieren. Indem die Machthaber Angst vor äußeren oder inneren Bedrohungen schüren, können sie drakonische Maßnahmen rechtfertigen und abweichende Meinungen unterdrücken.

Ein neuer Tiefpunkt

Die sogenannten Hidschab-Rehabilitationskliniken im Iran fallen eindeutig in diese Tradition des politischen Missbrauchs. Sie sind nicht dazu gedacht, echte psychologische Betreuung zu bieten, sondern als Instrumente der ideologischen Indoktrination und Verhaltenskontrolle zu dienen. Indem das Regime die Nichteinhaltung der Hidschab-Gesetze als psychologisches oder moralisches Versagen darstellt, versucht es, den Akt des Widerstands zu delegitimieren und abweichende Meinungen zu pathologisieren. Dieser Ansatz hat mehrere alarmierende Auswirkungen:

  • Verletzung der individuellen Autonomie: Personen gegen ihren Willen zu einer Therapie zu zwingen ist eine grobe Verletzung der persönlichen Freiheiten. Die ethische Psychologie betont die Bedeutung der informierten Zustimmung, der Autonomie und des Respekts für den Einzelnen – alles Grundsätze, die in diesen Kliniken eklatant missachtet werden.
  • Erosion des Vertrauens in die Psychologie: Durch die Politisierung psychologischer Praktiken wird die Glaubwürdigkeit des Berufsstands untergraben. Wird Psychologie als Mittel der Unterdrückung eingesetzt, hört sie auf, eine Wissenschaft der Heilung zu sein und wird zu einem Mittel der Schädigung.
  • Geschlechtsspezifische Unterdrückung: Diese Kliniken sind vorrangig für Frauen eingerichtet worden, was patriarchalische Normen verstärkt und geschlechtsspezifische Diskriminierung institutionalisiert. Die implizite Botschaft ist klar: Frauen, die sich dem Diktat des Regimes widersetzen, sind nicht nur kriminell, sondern auch psychisch krank.
  • Unterdrückung politischer Meinungsverschiedenheiten: Indem das Regime politischen Widerstand als psychologisches Problem definiert, werden Akte legitimen Protests zu individuellen Pathologien erklärt. Diese Taktik zielt darauf ab, Andersdenkende zu isolieren und deren Forderungen nach Freiheit und Gerechtigkeit zu delegitimieren.

Die Rolle ethischer Psychologen

Die Einrichtung dieser Kliniken hat bei Psychologen und Fachleuten für psychische Gesundheit im Iran und darüber hinaus große Empörung ausgelöst. Viele von ihnen sehen die neuen Maßnahmen der Regierung als grundlegenden Verrat an den ethischen Grundsätzen, die ihrer Arbeit zugrunde liegen, an. Zu den Hauptkritikpunkten gehören:

Missbrauch psychologischer Expertise: Fachkräfte für psychische Gesundheit sind dafür ausgebildet, Menschen zu unterstützen und nicht, um als Vollstrecker politischer Ideologien zu agieren. Psychologen, die in diesen Kliniken arbeiten, machen sich an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig.

Schaden für den Berufsstand: Die Politisierung der Psychologie schadet ihrem Ruf und untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit. Werden Psychologen nur als Werkzeuge des Staates angesehen, wenden sich in der Folge auch weniger Menschen an sie, obwohl sie Hilfe benötigen.

Menschenrechtsverletzungen: Einzelpersonen als eine Form der Bestrafung zu einer Therapie zu zwingen ist eine Verletzung ihrer Grundrechte. Ethische Psychologen müssen sich gegen solche Praktiken aussprechen und sich für die Würde und Autonomie ihrer Patienten einsetzen.

Aufruf zum Widerstand

Die Einrichtung von Hidschab-Rehabilitationskliniken im Iran ist nicht nur eine abschreckende Erinnerung an die Gefahren der Politisierung von Psychologie und Psychiatrie, sondern auch ein dreister Akt staatlich geförderter Unterdrückung, der das Wesen der psychiatrischen Versorgung verhöhnt. In diesen Kliniken geht es nicht um Heilung oder Verständnis, sondern um kaum verhüllte Instrumente der ideologischen Durchsetzung und Zwangssteuerung. Sie sind ein schwerwiegender Verrat an den Grundprinzipien der Psychologie, eine groteske Verzerrung ihres Zwecks und eine ungeheure Verletzung der Menschenwürde und Menschenrechte.

Psychologen, die an solchen Systemen teilnehmen, machen sich mitschuldig an Gräueltaten, die sie als Fürsorge tarnen. Ihr Schweigen oder, schlimmer noch, ihre aktive Beteiligung befleckt den Berufsstand weltweit und macht ihn zu einem Werkzeug autoritärer Regime.

Die psychische Gesundheitsfürsorge soll Menschen von inneren Kämpfen befreien und nicht dazu dienen, sie in einem Netz staatlich verordneter Konformität einzusperren. Jede erzwungene Sitzung, jedes erzwungene Geständnis und jede manipulierte Diagnose ist ein direkter Angriff auf die Autonomie und Menschlichkeit derer, denen sie angeblich helfen wollen.

Die globale psychologische Gemeinschaft darf nicht nur solidarisch sein, sondern muss solche missbräuchlichen Systeme aufdecken, anprangern und deren Abschaffung fordern. Schweigen oder passive Verurteilung reichen nicht mehr aus. Die Einrichtung dieser Hidschab-Kliniken müsste als Aufruf zum Handeln verstanden werden, als Appell für lauten, kompromisslosen Widerstand. Berufsverbände, Institutionen und Praktiker weltweit müssen nicht nur ihre iranischen Kollegen unterstützen, sondern auch Konsequenzen für jene durchsetzen, die solche Missbräuche ermöglichen oder rechtfertigen. Von der Aberkennung von Zulassungen bis hin zu internationalen Sanktionen müssen konkrete Schritte unternommen werden, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

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