Hunderte Palästinenser, die von der Autonomiebehörde der Zusammenarbeit mit Israel beschuldigt werden, suchen Gerechtigkeit und hoffen auf Anerkennung durch Jerusalem.
Yifat Erlich
In den Diskussionen über palästinensische Staatlichkeit und die Rehabilitierung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) herrscht Versöhnungsrhetorik. Aber verstehen wir diese Institution und ihre systematischen Menschenrechtsverletzungen wirklich? Sind wir uns bewusst, dass die PA grausame Folterpraktiken anwendet, die für die dunkelsten Regime der Geschichte charakteristisch sind? Dies geschieht trotz der Verpflichtungen aus den Osloer Abkommen, welche die Verfolgung sogenannter Kollaborateure verbieten.
Vor zwei Wochen gingen beim Bezirksgericht Jerusalem Zivilklagen gegen die PA von neun Personen ein, die der Zusammenarbeit mit Israel beschuldigt werden und Folter und Inhaftierung erlitten haben. Diese Klagen folgen auf Dutzende früherer, von denen die meisten mit einer Verurteilung der PA und einer gerichtlich angeordneten Entschädigung der Opfer endeten. Bahaa al-Shuwamra (42) aus Hebron etwa, wurden nach seinem Prozesssieg ca. 515.000 Euro zugesprochen.
Schutz für Mörder
Wie Bahaa al-Shuwamra berichtete, begann seine Zusammenarbeit mit Israel im Jahr 2000: »Der erste Kontakt kam über einen anderen palästinensischen Aktivisten zustande und entwickelte sich bis 2004 zu einer direkten Kommunikation mit dem Shin Bet. Unsere Zusammenarbeit dauerte bis 2008 und umfasste umfangreiche Waffenbeschlagnahmungen und die Verhinderung von Terroranschlägen. 2008 haben sie mich dann aus dem Hinterhalt überfallen. Ich glaubte, dass die Osloer Verträge den Kollaborateuren Schutz versprachen. Ich fürchtete Schläge, aber nie eine Inhaftierung. Bewaffnete Männer nahmen mich fest.«
Bereits zwei Jahre zuvor wurde sein Haus bereits angegriffen ohne jegliche Konsequenzen seitens der palästinensischen Behörden. »2006 feuerten zehn maskierte Männer zweihundert Schüsse auf mein Haus ab und flohen. Das war eine Botschaft an mich. Nach diesem Vorfall sagte mir mein israelischer Kontaktmann, sie wollten mich beschützen und boten mir eine Unterkunft in Israel an, aber ich lehnte ab.«
Der Aktivist arbeitete noch zwei Jahre lang für Israel, dann schlug die PA unmittelbar zu: »Als sie mich verhafteten, war ich geschockt. Sehr schnell begannen sie mit der Folter. Ich war die ganze Zeit nur in Unterwäsche. Ich wurde sehr lange in einem Raum von einem Meter mal eineinhalb Metern isoliert. Der Boden war voller Wasser. Bei den Verhören schlugen sie die Leute ständig.«
Terroristen aus Hebron dagegen, die eine israelische Soldatin ermordet und ihre Waffe an sich genommen hatten, ergaben sich der PA, um sich vor der Verhaftung durch Israel zu schützen. »Wie kann es sein, dass die Palästinensische Autonomiebehörde Mörder schützt?«, zeigt sich al-Shuwamra fassungslos. Die sieben Jahre, die er in einem PA-Gefängnis verbringen musste, waren von ständiger physischer und psychischer Folter geprägt. »Einmal brachten sie den Imam, damit wir unsere letzten Worte sagen sollten, weil sie uns töten wollten. Ich habe sehr gelitten.«
2015 wurde al-Shuwamra freigelassen und zog nach Israel. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen Kindern in Beerscheba und arbeitet auf dem Bau. Im Jahr 2018 reichte er Klage gegen die PA ein und erhielt schließlich rund zwei Millionen Schekel Entschädigung, die aus den Steuergeldern ausbezahlt wurden, die Israel für die PA einhebt und an diese überweist. »Ich lebe heute in Würde. Ich bin im Likud aktiv, und nach dem 7. Oktober [2023] habe ich den Süden [Israels] und die Soldaten unterstützt. Ein Mensch, der geholfen hat, Terror zu verhindern, ist ein Mensch, der das Leben liebt. Er verdient Ehre, er verdient alles.«
Kein Unterschied zur Hamas
In den letzten zehn Jahren hat die Anwaltskanzlei Arbus-Kedem-Tzur etwa hundert »Kollaborateure« in ihren Klagen gegen die Palästinensische Autonomiebehörde vertreten: »Bislang haben wir etwa fünfzig Gerichtsurteile mit einer Gesamtentschädigungssumme von rund 31 Millionen Euro erhalten«, bestätigte Rechtsanwalt Barak Kedem.
Ein Teil der Entschädigungen sei bereits durch Vollstreckung eingezogen worden, »aber der Löwenanteil befindet sich noch in der Einziehungs- und Verrechnungsphase aus Steuergeldern der PA. Kürzlich haben wir neun neue Klagen eingereicht; weitere sind in Vorbereitung. Die Folterungen richten sich gegen politische Verdächtige, also gegen Verkäufer von Land an Juden oder gegen ›Kollaborateure‹, gegen jeden, der den Interessen der Autonomiebehörde schadet. Die PA ermutigt nicht nur Terroristen und finanziert Shahids [Märtyrer], sie geht auch gegen jene vor, die mit Israel zusammenarbeiten und versuchen, Terror zu verhindern.«
Es gebe diesbezüglich keinen Unterschied zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas, meinte Kedem.»Die Menschen glauben, dass die Gräueltaten, die wir am 7. Oktober gesehen haben, von der Hamas begangen wurden, aber die PA begeht dieselben Gräueltaten. Es ist eine andere Gruppe, aber diese Menschen würden dieselben Gräueltaten begehen, nur zehnmal schlimmer, weil die PA viel größer ist und über mehr Möglichkeiten und Ressourcen verfügt. Hätten sie die Gelegenheit, würden sie den 7. Oktober zum Quadrat wiederholen.«
Die Frage, ob es ein festes Muster für Folter gebe und diese systematisch sei, bejahte der Jurist. »Sie ist systematisch. Einige Foltermethoden werden ständig wiederholt, zum Beispiel das Aufhängen mit dem Kopf nach unten oder das Auspeitschen der Verhörten, die zugleich auch geschlagen werden. Das sind Aussagen, die wir auch von den Geiseln aus dem Gazastreifen gehört haben. Was die Hamas tut, tut auch die PA. Es gibt ein wiederkehrendes Muster von Zahnverletzungen. Vielen Menschen wurden mit Knüppeln die Zähne ausgeschlagen oder mit Zangen gezogen. Wir haben auch eine weibliche Mitarbeiterin, deren Finger- und Zehennägel mit Zangen entfernt wurden«, berichtete Kedem.
Vor Kurzem haben seine Kanzlei sich mit einem Ehepaar befasst, bei dem beide Partner gefoltert worden waren. »Die Frau war zwei Jahre lang im Gefängnis. Es war ein Männergefängnis, und sie war dort in einem separaten Raum untergebracht, aber alle Wärter waren Männer. Als ich sie fragte, ob sie im Gefängnis irgendwann sexuell missbraucht worden sei, brach sie zusammen und begann hysterisch zu weinen. Es fiel ihr schwer, neben ihrem Mann zu sprechen.«
Kedem erzählte von einem weiteren Fall, »einer 19-jährigen Frau, die wegen Verdachts auf Kollaboration verhaftet wurde. Sie wurde gefoltert, in den Kopf geschossen und ihre Leiche weggeworfen. Die Familie reichte Klage ein und erhielt eine Entschädigung in Höhe von ca. einer Million Euro.« Allgemein seien Frauen als Opfer aber seltener, was daran liege, dass sie weniger als Ansprechpartnerinnen der israelischen Sicherheitskräfte aktiv sind.
Hoch erhobener Kopf
Unter ehemaligen Kollaborateuren ist es leichter, jemanden zu finden, der bereit ist zu sprechen. Der im nördlichen Westjordanland aufgewachsene H. (54) bat um Anonymität, um Familienangehörigen, die noch im Einflussgebiet der Autonomiebehörde leben, nicht zu schaden. Er habe an der Universität in Nablus studiert, wo »ein Freund mich mit dem Shin Bet in Kontakt [brachte], und ich begann, Informationen weiterzugeben, die Anschläge verhinderten und Leben retteten. Während dieser Zeit gingen die meisten Anschläge von den Universitäten aus. Ich bereue nicht, was ich getan habe.«
1996 wurde sein Freund von der PA verhaftet; kurz darauf auch er selbst: »Sie kamen zu mir nach Hause, steckten mich in den Kofferraum eines Autos und brachten mich nach Jericho zum Verhör. Sechs Jahre lang habe ich keinen Richter, Staatsanwalt oder Anwalt gesehen. Im Jahr 2002, während der Operation Defensive Shield, befreite mich die israelische Armee. Das Komitee für bedrohte Personen erteilte mir eine Aufenthaltsgenehmigung für Israel.«
Seitdem lebt er mit dieser, allerdings ohne weitere Rechte, in Zentralisrael. »Ich habe keine Krankenversicherung, keinen Führerschein, keine Arbeitserlaubnis. Ich kann nicht zum Arzt gehen. Meine Mutter und mein Bruder sind dort geblieben. Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen, wir telefonieren nur noch. Ich habe keine Frau und keine Kinder.« 2017 habe er dann Klage gegen die Palästinensische Autonomiebehörde eingereicht. »Letztendlich hat der Richter zu meinen Gunsten entschieden. Die Entschädigung beträgt drei Millionen Schekel [771.000 Euro], aber ich habe das Geld noch immer nicht erhalten.«
Auf die Frage nach den Auswirkungen der erlittenen Folterungen antwortete H., noch heute darunter zu leiden. »Ich wache nachts alle drei Stunden auf, schreie, brülle und sehe sie in meinen Träumen. Ich habe Narben an meinem Körper und in meiner Seele, die nicht verschwinden. Sie haben mich in einen Zustand gebracht, in dem ich keine sexuellen Beziehungen mehr haben kann. Sie steckten mir etwas in mein Geschlechtsteil und zündeten es an.
Die Verhörführer, so erzählte er, hätten ihn verhöhnt und ihm prophezeit: »›Wir sorgen dafür, dass du keine Zukunft hast und dich nicht an die Vergangenheit erinnerst, nur an diesen Schmerz. Du wirst keine Nachkommen haben, keine Kinder und Enkelkinder.‹ Das haben sie geschafft. Gott sei Dank sehe ich heute die Kinder aus der Nachbarschaft als meine Kinder an.«
Über die Jahre hat H. Gelegenheitsjobs angenommen, hauptsächlich Renovierungsarbeiten. Alles läuft unter der Hand, weil er kein Gewerbe betreiben darf. Er sei allein, habe keine Freunde und keine Familie, aber: »Ich bereue nichts. Ich gehe mit erhobenem Kopf und sage mir, dass vielleicht die Menschen, die hier neben mir gehen, dank mir vor einem Angriff bewahrt wurden. Das gibt mir Kraft, weiterzumachen, wie Treibstoff. Seit mehreren Jahren möchte ich das Land verlassen, in einem anderen Land leben, aber dafür brauche ich ein Reisedokument. Ich bekomme kein Reisedokument. Ich kann keinen palästinensischen Pass bekommen, das ist völlig unmöglich, und in Israel kann ich keinen Antrag auf Anerkennung als Flüchtling stellen.«
Der Shin Bet habe ihn nicht anerkannt, so wie insgesamt nur zwei Prozent der Kollaborateure offiziell als solche eingestuft seien. »Im Rahmen der Operation Defensive Shield wurden viele Menschen aus dem Gefängnis entlassen, also haben sie uns nur eine Aufenthaltsgenehmigung gegeben, mehr nicht.«
Auf die Frage, ob er die ihm zugesprochene Entschädigung als gerecht empfinde, meinte H.: »Es ist weniger, als ich erwartet hatte. Ich habe in fünfundzwanzig Jahren mehr als drei Millionen [Schekel] ausgegeben, also steht mir mehr zu, aber zumindest ist es wie eine Rente. Bald werde ich nicht mehr die Kraft haben, weiterzuarbeiten. Ich hoffe, dass sich etwas zum Besseren wenden wird. Dass sie mir ein Reisedokument geben, dass ich meine Familie in einem anderen Land treffen und ein neues Leben beginnen kann.«
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)
The Palestinian Authority that's supposedly the vanguard of the Palestinian National Project and the seeker of the Two-State solution is a corrupt, authoritarian, violent, thuggish, mafia operation that can't run a basic interrogation, much less a post-Hamas, post-war Gaza Strip. https://t.co/6PyVRbwNYB
— Ahmed Fouad Alkhatib (@afalkhatib) July 11, 2025






