Vor 40 Jahren – Botschaftsbesetzung in Teheran. Wie der Krieg gegen den Westen begann (Teil II)

Zwei US-Geiseln in Teheran (Quelle: Unknown, Public Domain)
Zwei US-Geiseln in Teheran (Quelle: Unknown, Public Domain)

Die Botschaftsbesetzung von 1979 stellte auch den Beginn der getrennten Wege der USA und Deutschlands in der Iranpolitik dar. (Dies ist die Fortsetzung eines Artikels, dessen erster Teil hier erschienen ist.)

Eigentlich hätte die dramatische Geiselnahme der Diplomaten und Botschaftsangestellten einen internationalen Schulterschluss mit den USA zur Folge haben müssen, war doch die Welt mit einer neuen Form des Irrationalismus und einem Gegner konfrontiert, der das 1945 geschaffene System der internationalen Beziehungen als Werk des Satans bekämpft. Gleichwohl konnte von internationaler Solidarität keine Rede sein.

In Deutschland war man eher froh, dass es allein Amerika traf. „Die Deutschen haben (in Teheran) nichts zu leiden“, vermerkte in der ersten Woche der Geiselnahme die FAZ. „Im Gegenteil, ihre Zusammenarbeit wird gesucht.“ Wenn man allerdings „auf einen besonders nervösen bewaffneten Revolutionswächter“ träfe, „könnte man einmal erschossen aufwachen, weil man nicht schnell genug sagen konnte, dass man Deutscher ist.“[1] In der zweiten Woche der Geiselnahme gab die Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer bekannt, dass „Geschäftsreisen nach Teheran durchaus möglich (sind), auch die Teilnahme an einer Nahrungsmittel-Fachausstellung Ende November.“[2]

Manche Kommentatoren zeigten sich von der Geiselnahme geradezu fasziniert. Im Dezember 1979 klang dies bei Dieter Wild, dem Leiter der Auslandsredaktion des Spiegel so:

„Nun kam in Persien der Ajatollah Ruholla Chomeini an Deck, und seither bejammern wir, was doch auch imponierend ist: Die Energien, die er freisetzte, die Herausforderungen an die übermächtigen und doch ohnmächtigen USA, der Aufstand aus dem Geist der Religion gegen die materielle Welt, und sei sie auch unsere. Ja, Chomeini musste wohl her, um dem Westen bewusst zu machen … dass die Wertekrise des Abendlandes, USA inklusive, irgendwann zu einem irrationalen Ausbruch auch in diesen gemäßigten Breiten führen kann.“[3]

USA scheitern bei Feind …

Am 14. Januar 1980 – im dritten Monat der Geiselnahme – legten die USA im UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf vor, der die Mitgliedsstaaten verpflichten sollte, „die Lieferung aller Gegenstände, Grundstoffe und Erzeugnisse, mit Ausnahme von Nahrungsmitteln und Arzneien“ an im Iran betriebene Unternehmen zu verhindern.[4] Der Vorstoß scheiterte am Veto Moskaus. Die einzige weitere Gegenstimme kam damals von einem nicht-ständigen Mitglied des Sicherheitsrats: Der DDR.

… und Freund

Nach diesem Scheitern lud US-Außenminister Cyrus Vance im April 1980 die Botschafter der engsten westlichen Verbündeten ins State Department und forderte sie zur Unterstützung der amerikanischen Sanktionsbemühungen auf. „Alles andere … wäre Verrat an den Geiseln und Legalisierung der Terrorismus“, kommentierte die New Yorker Zeitung Daily News.[5] Es sei „von entscheidender Bedeutung“, bestätigte US-Präsident Jimmy Carter, „dass auch unsere Verbündeten … Opfer bringen.“[6]

Im gleichen Monat warnte jedoch auch der iranische Präsident Bani-Sadr: Falls die Europäer „auf die USA hören, werden sie von uns weder Erdöl bekommen, noch werden wir von ihnen etwas kaufen.“[7] Dieser Spaltungsversuch hatte Erfolg. So winkten beim Thema Sanktionen selbst die engsten Freunde Amerikas ab: „Englands Antwort war halbherzig“, schreibt Mark Bowden, „Kanada wollte sich erst mal mit anderen Nationen absprechen, Japan erklärte, die Idee ,sorgfältig studieren’ zu wollen, Westdeutschland lehnte offen ab, Dänemark gab zu verstehen, dass es ‚zögere‘, die Verbindungen abzubrechen und Italien bezeichnete die Strafmaßnahme als einen Fehler.“[8] Alle wollten ihre Schäfchen ins Trockene bringen und ließen dafür nicht nur die USA, sondern auch das Völkerrecht im Stich.

Deutschland nimmt Sonderrolle ein

Weitere Monate der Geiselhaft gingen in die Lande, bevor die Europäische Gemeinschaft am 17. Mai 1980 – dem siebten Monat und dem 195. Tag der Geiselnahme – erstmals Sanktionen vereinbarte. Das Ergebnis langwieriger Vorgespräche glich jedoch einer Parodie: Das hier beschlossene Embargo galt nur für jene Wirtschaftsverträge, die nach der Botschaftsbesetzung abgeschlossen waren. Damit blieb das Gros der Handelsbeziehungen ungestört.

Für die Bundesrepublik wurde selbst diese EG-Vereinbarung noch weiter verwässert: Man kündigte die zwischen November 1979 und Mai 1980 getätigten Geschäftsvereinbarungen nicht auf, sondern legte sie der dafür zuständigen Bundesbehörde zur erneuten Genehmigung vor. „Welche dieser Verträge den amtlichen Genehmigungsstempel erhalten und welche verboten werden, dies konnte der Wirtschaftsminister seinen Kabinettskollegen und den Exportmanagern noch nicht verraten“, spottete der Spiegel. „Darüber werde noch mit den EG-Partnern verhandelt.“[9]

Man muss somit Mark Bowden beipflichten, wenn er schreibt:

„Der Weltgemeinschaft ist vorzuwerfen, auf die Beleidigung [d.h. die Geiselnahme] nicht adäquat reagiert zu haben. Abgesehen von Erklärungen, fanden sich die Vereinten Nationen und die meisten unserer Verbündeten damit ab, die besetzte amerikanische Botschaft ihrem Schicksal zu überlassen.“[10]

Dies trifft besonders für Westdeutschland zu. Die BRD war 1979 mit Exporten von 2,3 Milliarden DM der wichtigste Lieferant Irans vor den USA (970 Mio. $). Gleichzeitig waren die westdeutschen Erdölbezüge aus dem Iran im ersten Quartal 1980 – zeitgleich mit der Geiselnahme! – um etwa 50 Prozent, gemessen am Vorjahr, gestiegen.[11]

Zwar kamen die Geiseln am 20. Januar 1981 schließlich frei. Doch war dies weder einer weltweiten oder auch nur alliierten Solidarität geschuldet noch einer bestimmten amerikanischen Politik. Die Geiseln kamen frei, weil man in Teheran ihrer überdrüssig war und Saddam Husseins Krieg gegen den Iran, der im September 1980 begonnen hatte, andere Prioritätensetzungen erzwang.

Doch selbst die Freilassung der Geiseln inszenierte Khomeini als Triumph: Sie durften den Iran erst an dem Tag verlassen, an dem auch Jimmy Carter das Weiße Haus verließ. Somit hatte der islamistische Staat seinen ersten außenpolitischen Erfolg errungen: Er hatte die internationale Staatengemeinschaft beispiellos provoziert und kam ungeschoren davon.

Von Teheran nach Beirut

Vor 40 Jahren – Botschaftsbesetzung in Teheran. Wie der Krieg gegen den Westen begann (Teil II)
US-Marine vor der zerstörten Botschaft in Beirut (Quelle: U.S. Department of Defense)

Nach der islamischen Revolution von Februar 1979 hatte sich die amerikanische Regierung hoffnungsfroh um einen modus vivendi mit dem neuen Regime bemüht.

Es war die Botschaftsbesetzung, die im Verhältnis zwischen dem Westen und dem Islam den Wendepunkt markiert. Sie leitete eine Entwicklung ein, die sich in den schiitischen Attentaten der Achtzigerjahre niederschlug: Am 18. April 1983 sprengten vom Iran unterstützte Selbstmordattentäter die amerikanische Botschaft im Libanon in die Luft (50 Tote, darunter 17 Amerikaner), am 23. Oktober 1983 zerstörten Islamisten die Hauptquartiere der amerikanischer und französischer Soldaten in Beirut (241 getötete Amerikaner, 58 getötete Franzosen), am 19. Januar 1984 wurde auch der Präsident der Amerikanischen Universität in Beirut, Malcolm Kerr, von Islamisten ermordet.[12] Als Khomeini im Februar 1984 den fünften Jahrestag seiner Revolution feierte, zogen sich die erneut gedemütigten USA auch aus dem Libanon zurück.

Die Anschläge von Beirut konfrontierten die Welt mit der Wirkungsmacht einer Waffe, die 1979 noch gänzlich unbekannt gewesen ist: Das islamisch motivierte Selbstmordattentat. Nur wenige Jahre später wurde der Islamismus durch das Ende der Sowjetunion weiter gestärkt. „Seit dem Fall des Marxismus hat der Islam ihn ersetzt“, prahlte Ahhmad Khomeini, der Sohn des Revolutionsführers. Während Khomeini 1979 noch eine Randerscheinung des Kalten Kriegs gewesen war, ist der Islamismus seither (und besonders seit dem 11. September) zum wichtigsten Widersacher Israels und des Westens geworden.

Getrennte Wege

1980 begannen die deutsche und die amerikanische Iranpolitik getrennte Wege zu gehen. Während Washington sein nationales Embargo gegen die Verursacher des Terrors allmählich verschärfte, heizte Deutschland, dessen Diplomaten und Soldaten weder gekidnappt noch in die Luft gesprengt wurden, den Iranhandel mit immer großzügigeren Hermes-Bürgschaften an.

Auch heute noch knüpft der islamistische Iran – mittlerweile als Quasi-Atommacht – an die Konfrontation von 1979 an. Dies ist nicht nur daran erkennen, das alljährlich der 4. November, der Tag des Beginns der Geiselnahme, als „Nationalfeiertag für den Kampf gegen die globale Arroganz“ gefeiert wird. Sondern es werden auch heute der UN-Sicherheitsrat und dessen Beschlüsse für null und nichtig erklärt; wie damals, werden auch heute Strafmaßnahmen des Westens verlacht; wie damals, wird auch heute Europa gegen die USA ausgespielt.

Als es 1980 um das Verbrechen gegen amerikanische Staatsbürger ging, ließen die europäischen NATO-Partner Amerika trotz vieler wortreicher Beteuerungen im Stich. Werden sie dann, wenn es um Sein oder Nichtsein des jüdischen Staates geht, auch Israel im Stich lassen?

Anmerkungen:

[1] Karl-Alfred Odin, Iran zwischen Lächeln und Gewalt, in: FAZ, 12. November 1979.

[2] Klaus Broichhausen, Selbstverständliche Solidarität, in: FAZ, 15. November 1979.

[3] Dieter Wild, Chomeini soll leben, in: Spiegel 49/1979, 3.12.1979.

[4] Keesing’s Archiv der Gegenwart (AdG), 14.1.1980, S. 23 440.

[5] Die Amerikaner sind wundgescheuert, in: Der Spiegel, 16/1980, 14. 4.1980.

[6] Ebd.

[7] AdG, 11.4.1980, S. 23 449.

[8] Mark Bowden, Guests of the Ayatollah. The First Battle In America’s War With Militant Islam, New York 2006, S. 407.

[9] Spiegel 22/1980, 26. Mai 1980, S. 26.

[10] Bowden, a.a.O., S. 595.

[11] AdG, 8. April 1980, S. 23449.

[12] Die Reagan-Administration hatte die US-Marines im September 1982 im Libanon stationieren lassen, um (nach dem gegen die PLO gerichteten Einmarsch Israels in den Libanon im Juni 1982)  im Namen der UNO den Rückzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Libanon und die Ausweitung der Kontrolle der libanesischen Regierung auf das ganze Land sicherzustellen. Vgl. Christos P. Ioannides, America’s Iran. Injury and Catharsis, Lanham, New York, London, 1984, S.130.

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