Palästinensische Mission in Deutschland: Pseudo-juristischer Jargon ohne Substanz

Basis für die Anklage gegen Israels Siedlungen: Die IV. Genfer Konvention
Basis für die Anklage gegen Israels Siedlungen: Die IV. Genfer Konvention

Die Palästinensische Mission in Deutschland ist unzufrieden mit einem Auszug aus dem im Mai erscheinenden Buch „Vereinte Nationen gegen Israel. Wie die UNO den jüdischen Staat delegitimiert“, der vor einigen Tagen an dieser Stelle veröffentlicht wurde.

Gibt es ein palästinensisches Rückkehrrecht?“, lautete die Frage, die wir negativ beantworteten und anhand der UN-Resolution diskutierten, auf die normalerweise verwiesen wird, wenn von einem Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge die Rede ist. Die Palästinensische Mission kommt nun in ihrer Replik zu einem ganz anderen Ergebnis: Selbstverständlich soll es ein solches „Recht“ – für alle Flüchtlinge, nicht nur die palästinensischen – geben. Das sei „unter Völkerrechtskundigen … unstreitig“.

Nichts anderes war zu erwarten, trotzdem ist die Replik durchaus aufschlussreich, demonstriert sie doch eindrücklich eine der üblichen Vorgangsweisen palästinensischer Propaganda: Durch den Verweis auf eine Vielzahl autoritativ klingender Quellen soll der eigenen Position der Anschein internationalen Rechts verliehen werden – das klingt eindrucksvoll, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen aber als der vergebliche Versuch, die inhaltliche Substanzlosigkeit der erhobenen Behauptungen durch juristischen Jargon zu übertünchen.

Pauschal unterstellte Feindseligkeit?

Beginnen wir unsere Erörterung der Replik der Palästinensischen Mission mit einem Punkt, der keiner ausführlichen Auseinandersetzung bedarf. Es wird die Behauptung aufgestellt, die Autoren des Buches, Alex Feuerherdt und ich, hätten „pauschal“ unterstellt, dass etwaige palästinensische „Rückkehrer nicht friedlich seien und damit die Voraussetzung eines friedlichen Zusammenlebens nicht möglich sei“.

In UN-Generalversammlungsresolution 194 vom Dezember 1948 erging der Appell, dass Flüchtlingen, „die in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen“, die Rückkehr ermöglicht werden solle. Wir haben darauf hingewiesen, dass angesichts des schon zum Zeitpunkt der israelischen Staatgründung bereits jahrzehntelang andauernden Konflikts „der Wille zum friedlichen Zusammenleben nicht vorausgesetzt werden konnte“, und gefragt, wie eine Überprüfung dieses Willens hätte aussehen sollen. Urteilen Sie selbst, ob das die pauschale Unterstellung von Feindseligkeit darstellt.

Resolution 242, UN-Generalversammlung

Palästinensische Mission in Deutschland: Pseudo-juristischer Jargon ohne Substanz

Die Palästinensische Mission führt Resolution 242 an, die der UN-Sicherheitsrat nach dem Sechstagekrieg 1967 verabschiedete. Tatsächlich ist darin von der Notwendigkeit einer „gerechte(n) Lösung des Flüchtlingsproblems“ die Rede. Mehr aber auch nicht: Weder werden darin Palästinenser erwähnt, die damals noch nicht als distinkte arabische Bevölkerungsgruppe gesehen wurden, noch findet sich auch nur der leiseste Hinweis auf ein angebliches „Rückkehrrecht“. Der Verweis auf Resolution 242 tut schlicht nichts zur Sache.

Die Palästinensische Mission schreibt: „Die Vereinten Nationen (VN) haben sich seit ihres Bestehens mit dem Nahost-Konflikt und damit auch mit der Frage nach der Lösung des Flüchtlingsproblems der vielen palästinensischen Flüchtlinge befasst. Dies zeigt die Vielzahl der Resolutionen des Sicherheitsrates und der Generalversammlung.“

Was den Sicherheitsrat betrifft, wird aber nur die eine bereits besprochene Resolution angeführt, in der das „Rückkehrrecht“ überhaupt nicht vorkommt. Unzweifelhaft hat die UN-Generalversammlung in ihrer Geschichte unzählige Resolutionen über den Konflikt verabschiedet, nur hilft auch dieser Verweis nicht weiter: Resolutionen der UN-Generalversammlung haben nämlich keinerlei rechtlich bindende Wirkung, sondern sind bestenfalls Empfehlungen.

Das „völkerrechtlich geltende Rückkehrrecht“, von dem die Palästinensische Mission spricht, kann aus ihnen nicht begründet werden. Beschlüsse der Generalversammlung könnten ein moralisches und politisches Gewicht beanspruchen, doch wird diese Möglichkeit durch die extreme, gegen Israel gerichtete Einseitigkeit des Gremiums hintertrieben. Seit Ende der 1960er Jahre gibt es in der Generalversammlung eine quasi automatische Mehrheit für jede x-beliebige gegen Israel gerichtete Resolution.

Die tatsächlich vorhandene Vielzahl der von ihr verabschiedeten Resolutionen belegt jedoch lediglich die israelfeindliche Obsession dieses Gremiums, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der gefassten Beschlüsse.

Die Geburt des „Rückkehrrechts“: Resolution 194

Palästinensische Mission in Deutschland: Pseudo-juristischer Jargon ohne Substanz

Das „Rückkehrrecht“ wird in aller Regel aus Resolution 194 vom Dezember 1948 konstruiert. Das ist, wie wir in unserem Buchauszug argumentiert haben, nicht nur inhaltlich unzulässig, sondern Resolution 194 war auch nicht mehr als eine rechtlich unverbindliche Empfehlung der UN-Generalversammlung. Die Palästinensische Mission gibt das indirekt zu, wenn sie schreibt, dass die Resolution „streng genommen“ kein „Rückkehrrecht“ enthalte, behauptet aber weiter, dass sie „lediglich Bezug auf das Völkergewohnheitsrecht“ nehme.

Damit ergeben sich aber drei Probleme: Erstens präsentiert die Palästinensische Mission selbst an anderer Stellte auf ihrer Webseite Resolution 194 als Beweis für das „Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr“. (Wenn auch in einer gekürzten Version, in der sie Passagen einfach unterschlägt, die ihrer Argumentation zuwiderlaufen – auf diese von uns geäußerte Kritik ging sie in ihrer Replik nicht ein.)

Zweitens bleibt sie jeden Hinweis darauf schuldig, woraus sich das Völkergewohnheitsrecht herleiten bzw. wo das „geltende Völkerrecht“ zu finden sein soll, auf das sich Resolution 194 im Jahre 1948 angeblich bezogen habe. Und drittens stellt sich die Frage, warum außer den Palästinensern niemand sonst auf der Welt dieses angebliche Völkergewohnheitsrecht in Anspruch nimmt? Haben all die anderen Flüchtlingsgruppen der vergangenen Jahrzehnte von diesem angeblichen Recht einfach nichts gewusst?

Die Palästinensische Mission verweist zur Begründung des „Rückkehrrechts“ auf zwei Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) und einen Passus im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966). Diese bedürften einer etwas ausführlicheren Erläuterung, doch seien mir einige kurze Bemerkungen dazu erlaubt.

In Artikel 12, Absatz 4 des zuletzt genannten Paktes, der inhaltlich fast identisch mit den entsprechenden Passagen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist, heißt es: „Niemand darf willkürlich das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureisen.“

Wenn die Palästinensische Mission meint, aus diesem kurzen Satz ein sehr weitreichendes „Rückkehrrecht“ herauslesen zu können, dann sollte sie bedenken, dass sie dann aber auch gezwungen wäre, ihre Definition des ‚vererbbaren‘ Flüchtlingsstatus für Palästinenser aufzugeben: Niemand, der beispielsweise in Beirut geboren ist, sein Leben lang im Libanon verbracht hat und niemals in Israel war, kann ernsthaft behaupten, dass der jüdische Staat „sein eigenes Land“ sei, in das er „zurückkehren“ wolle.

Darüber hinaus muss sie in ihrer Interpretation das Wort „willkürlich“ überlesen, das im zitierten Satz zu finden ist. Israel kann mit guten Gründen argumentieren, dass die Zurückweisung eines „Rückkehrrechts“ keineswegs auf Willkür basiert, sondern sich auf den im selben Artikel unmittelbar zuvor erwähnten „Schutz der nationalen Sicherheit [und der] öffentlichen Ordnung“ berufen, die Einschränkungen bestimmter Recht erlauben. Kein Staat der Welt kann dazu gezwungen werden, nationalen Selbstmord zu begehen, indem er Millionen von Menschen ins Land lässt, die niemals dessen Staatsbürger waren.

Die Genfer Konventionen

Palästinensische Mission in Deutschland: Pseudo-juristischer Jargon ohne Substanz

Die Palästinensische Mission behauptet, das „Rückkehrrecht“ sei Bestandteil des humanitären Völkerrechts, und verweist auf mehrere Passagen in den Genfer Konventionen, in denen genau das festgeschrieben sein soll: „bspw. in Art. 5 und 63 der 1. GK, Art. 62 der 2. GK, Art. 5 und 142 der 3. GK, Art. 6 und 45 der 4. GK“. Bei gleich so vielen Stellen kann es doch keinen Zweifel geben, schließlich wird die Palästinensische Mission nicht einfach auf irgendwelche Artikel verweisen, die mit der Sache gar nichts zu tun haben! Oder doch? Lassen wir uns von der eindrucksvoll wirkenden Aufzählung nicht abschrecken, sondern schauen wir uns die Stellen im Detail an.

Artikel 5 und 63 der I. GK: Das erste der vier Abkommen trägt den Titel „Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde“. Was das mit einem „Rückkehrrecht“ von Flüchtlingen zu tun haben soll? Keine Ahnung, aber sehen wir weiter.

Artikel 5 lautet: „Auf geschützte Personen, die in die Gewalt der Gegenpartei gefallen sind, ist dieses Abkommen bis zu ihrer endgültigen Heimschaffung anzuwenden.“ Wie unschwer zu erkennen ist, hat dieser von der Palästinensischen Mission angeführte Artikel mit einem „Rückkehrrecht“ von Flüchtlingen nicht das Geringste zu tun. Genauso wenig übrigens wie Artikel 63, in dem es um die „Freilassung und Heimschaffung der durch das vorliegende Abkommen geschützten Personen“, also um verwundete und kranke Soldaten geht.

Artikel 62 der 2. GK: War schon beim Verweis auf das erste Genfer Abkommen, dessen Gegenstand das „Los der Verwundeten und Kranken der Heere im Felde“ ist, unklar, was das mit einem „Rückkehrrecht“ für Flüchtlinge zu tun haben soll, so ist die Verwunderung hier noch größer. Denn das zweite Genfer Abkommen dreht sich um die „Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See“.

Artikel 62 dieser Konvention ist das Pendent zum vorhin zitierten Artikel 63 der ersten Genfer Konvention. Festgehalten wird darin, dass die Kündigung des Abkommens durch eine der Vertragsparteien nicht gültig werde, solange die „Freilassung und Heimschaffung der … geschützten Personen“ nicht abgeschlossen sei. Ja, es ist von Heimschaffung die Rede, was zumindest entfernt an ein „Rückkehrrecht“ erinnert, aber das war’s auch schon. Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige der Marine in der Gewalt einer Kriegspartei sind hier das Thema, nicht Flüchtlinge in anderen Ländern.

Artikel 5 und 142 der 3. GK: Gegenstand der dritten Genfer Konvention ist die „Behandlung von Kriegsgefangenen“. Finden wir hier endlich etwas über das „Rückkehrrecht“? Nein, denn in beiden angeführten Artikeln geht es um die „endgültige Befreiung und Heimschaffung“ von Kriegsgefangenen. Von Flüchtlingen findet sich keine Spur.

Artikel 6 und 45 der 4. GK: Letzte Chance, und diesmal sieht es wenigstens insofern besser aus, als das vierte Genfer Abkommen sich dem „Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten“ widmet, also nicht allein schon vom Titel her eine glatte Themenverfehlung nahelegt.

In den beiden angeführten Artikeln ist von „Freilassung, Heimschaffung oder Niederlassung“ die Rede, doch handelt es sich in diesem Fall bei den vom Abkommen geschützten Personen um solche, die „sich im Falle eines Konflikts oder einer Besetzung zu irgendeinem Zeitpunkt und gleichgültig auf welche Weise in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei oder einer Besatzungsmacht befinden“ (Artikel 4) – also gerade nicht um Flüchtlinge, die das Kriegsgebiet verlassen haben und sich außer Landes befinden. Auch diese Passagen haben weder mit Flüchtlingen, noch mit deren angeblichem „Rückkehrrecht“ zu tun.

Die Palästinensische Mission verweist in ihrer Replik zur Untermauerung ihrer Position auf sieben Stellen aus den Genfer Konventionen – und keine einzige davon dreht sich tatsächlich um den angeblich darin behandelten Gegenstand. Die behauptete „zentrale Regel“ des „Rechts auf Rückkehr“ löst sich buchstäblich in nichts auf, sobald man den pseudo-juristischen Jargon durchdringt und die Substanz der Argumentation überprüft.

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