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Ist Netanjahu gegen eine Zwei-Staaten-Lösung?

Sehr geehrter Herr Kapern,

in Ihrem gestrigen Ö1-Abendjournal-Beitrag zu den israelischen Reaktionen auf die UNO-Resolution von vergangenem Freitag führten Sie aus, dass Premierminister Netanjahu die Einladung zur Pariser Nahostfriedenskonferenz im Januar 2017 abgelehnt habe, „weil er fürchtet, dass dort die Eckpunkte für eine Zwei-Staaten-Lösung untermauert werden.“ Damit suggerierten Sie Ihren Hörern, dass Netanjahu ein prinzipieller Gegner der Zwei-Staaten-Lösung sei, obwohl er sich mehrfach öffentlich zu diesem Ziel bekannt hat.

So hat Netanjahu den Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde wiederholt zu direkten Gesprächen über genau solch eine Lösung eingeladen: nicht zuletzt während der UNO-Vollversammlung im September 2016, wo er Mahmud Abbas das Angebot machte, vor dem israelischen Parlament zu sprechen. Es ist Abbas, der diese Einladungen noch jedes Mal abgelehnt und stattdessen den Weg einer Internationalisierung des Konflikts eingeschlagen hat – womit er gegen bestehende Verträge wie etwa das Osloer Abkommen verstößt. Darin wurde vereinbart, eine Lösung des Konflikts in bilateralen Verhandlungen zu finden und einseitige Schritte vor internationalen Gremien zu unterlassen.

Genau solch ein internationales Gremium jedoch ist die geplante Pariser Friedenskonferenz. Aus diesem Grunde auch lehnt Netanjahu eine Teilnahme ab: Weil die dort geplanten multilateralen Verhandlungen einen Bruch bestehender Vereinbarungen zwischen Israel und den Palästinensern darstellen und Teil jenes „diplomatischen Jihad“ sind, den Mahmud Abbas Anfang Dezember 2016 auf dem 7. Kongress der Fatah ausgerufen hat – wenige Tage nachdem er sich auf einer Gedenkveranstaltung für Jassir Arafat gegen jeden Kompromiss mit Israel ausgesprochen hat.

Während sich Mahmud Abbas also de facto einer Zwei-Staaten-Lösung verweigert, die ohne Kompromisse nicht zustande kommen kann, lehnt die Hamas, die mit dem Gazastreifen einen nicht unerheblichen Teil des von den Palästinensern beanspruchten Territoriums regiert, solch eine Lösung grundsätzlich ab: In ihrer Charta bezeichnet sie jegliche Verhandlungen als Verrat, preist den militärischen Jihad als einzigen Weg und legt die Vernichtung Israel als ihr Ziel fest.

Wenn Netanjahu also in einem Interview im März 2015 davon sprach, dass unter den „gegebenen Umständen“ ein palästinensischer Staat nicht möglich sei, dann bezog sich das auf die intransigente Haltung seines Gegenübers sowie auf die Gefahr, dass ein solcher Staat zu einem militärischen Aufmarschgebiet islamistischer Terrormilizen gegen Israel werden könnte. Zugleich jedoch erinnerte der israelische Premier an seine 2009 an der Bar-Ilan Universität gehaltene Grundsatzrede, in der er sich öffentlich auf die Zwei-Staaten-Lösung verpflichtet hatte, und bekräftigte, dass er an den dort gemachten Ausführungen weiterhin festhalte.

Wie Elliott Abrams und Michael Singh kürzlich in der Washington Post feststellten, wird der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern durch die UNO-Resolution 2334 (noch) komplizierter. Denken Sie nicht, dass es in solch einer Situation die Aufgabe der Medien wäre, den Zustand vor Ort realitätsgerecht zu schildern, anstatt einseitige Behauptungen über die israelische Seite aufzustellen, die ein verzerrtes Bild der Sachlage zeichnen?

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Alexander Gruber
Mena Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank

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