Israels neue Freunde in Lateinamerika

Von Stefan Frank

Israels neue Freunde in Lateinamerika
Templo Libertad Synagogue in Buenos Aires. In Argentinien lebt die größte jüdische Gemeinde Lateinamerikas.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reist nächste Woche nach Lateinamerika und wird dabei Staats- und Regierungschefs von Ländern treffen, die noch kein israelischer Ministerpräsident je besucht hat. Damit setzt Netanjahu seine Bemühungen fort, engere Kontakte zu Staaten entwickeln, die zu Israel in der Vergangenheit nicht immer freundschaftliche Beziehungen gepflegt haben oder dem Land zeitweise sogar feindlich gegenüberstanden. Somit ist die Zielsetzung eine ähnliche wie bei Netanjahus neuer Afrikadiplomatie. „Ministerpräsident Netanjahu wird seine Amtskollegen treffen, um Israels wirtschaftliche und diplomatische Bündnisse zu vertiefen und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu erörtern“, sagt sein Sprecher David Keyes gegenüber der israelischen Nachrichtenwebsite Times of Israel. Beginnen wird er seine Reise in Argentinien, gefolgt von Kolumbien und Mexiko. Neben Treffen mit den Staatsoberhäuptern sind auch Begegnungen mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinden geplant. Von Mexiko aus wird Netanjahu nach New York weiterreisen, wo er vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprechen und voraussichtlich auch US-Präsident Donald Trump treffen wird.

Argentiniens jüdische Gemeinde ist die größte in Lateinamerika. 180.000 Juden leben in Buenos Aires, 20.000 in Rosario; kleinere Gemeinden existieren in Cordoba (9.000) und in Santa Fe (4.000). In Buenos Aires wird Netanjahu mit Präsident Mauricio Macri Gespräche führen und an Gedenkfeiern für die Opfer zweier Terroranschläge in den 1990er Jahren teilnehmen. Bei dem Anschlag auf die israelische Botschaft im März 1992 wurden insgesamt 29 Menschen getötet und 242 verletzt. Bei dem Anschlag auf die Zentrale der jüdischen Gemeinde (AMIA) wurden im Juli 1994 85 Menschen getötet und 300 Personen verletzt. Hinter beiden Taten wird die vom Iran unterstützte libanesische Terrororganisation Hisbollah vermutet. Das zeigt, wie wichtig es ist, dem iranischen Einfluss in Südamerika zu kontern.

Der Aufenthalt in Kolumbien am Mittwochvormittag dauert nur wenige Stunden – dabei steht ein Treffen mit dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos auf dem Programm, die Unterzeichnung einer Reihe von bilateralen Verträgen und ein Besuch der jüdischen Gemeinde. „Die Reise nach Kolumbien wird kurz, aber sehr intensiv sein“, sagt Modi Ephraim, der im israelischen Außenministerium für die Beziehungen zu Lateinamerika zuständig ist. Bogota wurde kurzfristig ins Reiseprogramm aufgenommen, als Dank für die „uneingeschränkte Unterstützung Israels“ und das Freihandelsabkommen, das beide Regierungen kürzlich ausgehandelt haben und das in Kürze vom kolumbianischen Parlament ratifiziert werden soll. Am Nachmittag geht es weiter zu Gesprächen nach Mexiko. Dort leben 40.000 Juden, die drittgrößte jüdische Gemeinde Lateinamerikas.


Technologie als Türöffner

„Netanjahus Besuch ist ein wichtiger Teil der Stärkung der bilateralen Beziehungen zwischen Israel und den lateinamerikanischen Ländern“, sagt Claudio Epelman, Exekutivdirektor des Lateinamerikanischen Jüdischen Kongresses gegenüber der Website Jewish News Service. Auch für die jüdischen Gemeinden der Region sei er bedeutsam. „In Lateinamerika gibt es viele jüdischen Gemeinden, alle sehr verschieden voneinander, große und kleine, doch sie alle teilen eine große Sympathie für den Staat Israel“, so Epelman.

Begleitet wird Netanjahu von einer Wirtschaftsdelegation. „In Mexiko operieren etwa 150 israelische Unternehmen, in Kolumbien über hundert, dazu eine wachsende Zahl in Argentinien“, sagt Modi Efraim. „Die Welt der Diplomatie und die der Wirtschaft vermischen sich schon seit einiger Zeit“, so Eli Groener, Direktor des Büros des Ministerpräsidenten. „Wir nehmen bei unseren diplomatischen Reisen eine wachsende Zahl von Geschäftsdelegationen mit, weil das die Art ist, wie die Welt funktioniert, und das ist ein Wettbewerbsvorteil, den Israel hat: unsere Technologie und unsere Fertigkeiten.“

Das Verhältnis zwischen Israel und den Ländern Süd- und Mittelamerikas war in der Geschichte wechselhaft. 1947 votierten 13 lateinamerikanische Staaten für den Teilungsplan der Vereinten Nationen und nahmen in der Folge diplomatische Beziehungen zum jüdischen Staat auf. Doch es gibt auch eine Tradition der Feindschaft gegenüber Israel, vor allem aufseiten der Linken. Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 schickte Kubas kommunistischer Diktator Fidel Castro 500 Panzerkommandanten zur Unterstützung nach Syrien. Ab Ende der 1990er Jahre kamen dann in Lateinamerika immer mehr linksgerichtete Regierungen an die Macht, u.a. in Brasilien, Argentinien, Venezuela und Bolivien. Sie unterstützten Israels Feinde und knüpften Bande zum Iran. In Venezuela entstand unter dem Sozialisten Hugo Chávez ein militanter Antisemitismus, wie er bis dato in dem Land unbekannt gewesen war. Venezuela und Bolivien brachen 2009 die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab.

Doch die Zeit der Linksregierungen ist vorbei. „Seit einigen Jahren ist auf dem Kontinent ein politischer Wandel zu beobachten. Viele populistische linke Regierungen verschwinden von der Karte, heute haben wir es mit gleichgesinnten und sehr freundlichen Regierungen zu tun“, sagt Modi Ephraim. „Der Ministerpräsident wird vier befreundete Präsidenten treffen, die die Position ihrer jeweiligen Länder zu Israel geändert haben. Wir sehen eine erstaunliche Entwicklung der bilateralen Beziehungen.“

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