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Israelboykott: Fällt Irland in die selbst gegrabene Grube?

Die Folgen von Irlands kurz vor der Verabschiedung stehenden Gesetzgebung zum Boykott israelischer Produkte aus den umstrittenen Gebieten könnten für Unternehmen, die sowohl in Israel als auch in der Republik Irland aktiv sind, gravierend sein – und langfristig zu einer Schwächung der irischen Wirtschaft führen.

Auf einige haarsträubende Folgen des Gesetzes hat Chris Mitchell, der Jerusalemkorrespondent des christlichen Fernsehsenders CBN, in einem von Mena Watch übersetzten Beitrag ja schon aufmerksam gemacht:

„Das vorgeschlagene Gesetz würde das Kaufen der Waren und Dienstleistungen von israelischen Bürgern in den von Irland als besetzt definierten Gebieten für irische Bürger als illegal einstufen. Es wäre also illegal, in der Altstadt Jerusalems ein Eis, eine Postkarte oder eine Flasche Wasser zu kaufen. … ‚Das in Frage stehende irische Gesetz ist das extremste antiisraelische Gesetz, das außerhalb der Arabischen Liga jemals vorgeschlagen wurde,‘ sagt Professor Eugene Kontorovich. ‚Wenn du in die Heilige Stadt kommst und heiliges Wasser kaufst, wenn du einen jüdisches Gebetsschal oder religiöse Bücher kaufst und sie nach Irland zurückbringst – bum: Schon sitzt du im Gefängnis.‘

 In dem Artikel erklärt der Staatsrechtler Kontorovich, dass die irische Regierung noch zögere, das Gesetz zu verabschieden, weil sie die Auswirkungen der amerikanischen Anti-Boykott-Gesetze auf irische Unternehmen fürchte. Das mag gut sein. Doch lange bevor Amerika ins Spiel kommt, drohen der irischen Wirtschaft Risiken: Allein dadurch, dass viele multinationale Konzerne nicht in der Lage sein werden, dem geplanten irischen Gesetz Folge zu leisten und deshalb gezwungen sein könnten, sich aus Irland zurückzuziehen.

Um das zu verstehen, muss man wissen, dass die Republik Irland für viele ausländische Unternehmen eine wichtige Adresse ist. Nicht, weil der Markt so groß wäre, sondern als Steueroase. Weil der Unternehmenssteuersatz in Irland nur 12,5 Prozent beträgt, können Konzerne ihre Steuerlast erheblich reduzieren, wenn sie Gewinne in Irland versteuern. Zahlreiche Weltkonzerne wie Apple, Facebook, Microsoft oder Amazon sind sowohl in Irland vertreten als auch in Israel und nutzen somit die Standortvorteile beider Länder. Zudem sind Israel und Irland beide wichtige Standorte der Mikrochipindustrie, wo der kalifornische Intel-Konzern Halbleiter fertigen lässt.

Bis hierhin werden die irischen Abgeordneten, die die Gesetzesvorlage unterstützen, nicht sehen, wo es ein Problem geben soll. Das Gesetz, werden sie sagen, richte sich ja lediglich gegen wirtschaftliche Beziehungen mit den „besetzten Gebieten“, inklusive „Ostjerusalem“. Und dort hat kein großer ausländischer Konzern eine Niederlassung, weder Intel noch Apple oder irgendein anderer.

Doch das geplante Gesetz mit seinen drakonischen Strafen (bis zu fünf Jahre Haft) ist sehr weitreichend, wie das Beispiel mit der Flasche Wasser und der Postkarte zeigt. Ein Unternehmen, das in Israel und Irland aktiv ist, weiß womöglich gar nicht, dass irgendein Produktionsfaktor gegen das irische Boykottgesetz verstößt. Darauf machte schon im Januar ein Kommentator aufmerksam. „Obwohl das vorgeschlagene Gesetz sich nur auf die West Bank bezieht und nicht auf ganz Israel, wäre es in der Praxis schwierig, eine solche Unterscheidung durchzusetzen“, so der Bloomberg-Kolumnist Eli Lake.

Lake befragte dazu den Juraprofessor Orde Kittrie von der Arizona State University. Kittrie glaubt, dass ein israelischer Angestellter von Apple, der ein Homeoffice in der West Bank habe, schon ein Verstoß gegen das irische Gesetz sein könnte. Dadurch, dass Irland ganz Ostjerusalem als „besetztes Gebiet“ betrachte, werde die Lage noch komplizierter. Eli Lake folgert: „Das würde US-Unternehmen in ein Dilemma stürzen. Wenn sie dem irischen Gesetz folgen, müssten sie entweder den Angestellten im Homeoffice feuern oder ihm verbieten, von zu Hause aus zu arbeiten. Täten sie aber Letzteres, würden sich die Unternehmen an einem Boykott beteiligen, der von der US-Regierung nicht gebilligt wird“ – und in den USA harte Bestrafung fürchten.

Israelboykott: Fällt Irland in die selbst gegrabene Grube?
Jackie Goodall

Mena Watch sprach darüber mit Jackie Goodall, der Direktorin der Ireland Israel Alliance in Dublin. „Für Unternehmen mit Sitz in den USA und Geschäftstätigkeit in Irland könnte das Gesetz weitreichende Folgen haben“, sagt Goodall. „Erstens haben die EU-Staaten vereinbart, dass die EU die alleinige Zuständigkeit hat, was die Außenhandelspolitik betrifft. Da sich Irland entschieden hat, ein EU-Mitgliedsstaat zu bleiben, kann es keine unilaterale Politik im Außenhandel betreiben.“ Zudem sieht auch Goodall möglicherweise gravierende Konsequenzen für US-Unternehmen: „In den USA gibt es eine umfangreiche ‚Gegenboykott’-Gesetzgebung. Sie sieht für Unternehmen, die sich an Boykotten von israelischen Gewerben beteiligen – auch wenn sie in Jerusalem und der West Bank operieren –, empfindliche Haftungen und Sanktionen vor, was für US-Unternehmen mit Dependancen in Irland etwa den Verlust von Steuervorteilen in den USA bedeuten könnte.“

Der Fall Airbnb habe das deutlich vor Augen geführt. „Als Airbnb ankündigte, seine Dienstleistungen nicht mehr für Immobilien in israelischen Siedlungen in der West Bank anzubieten, haben zahlreiche US-Bundesstaaten rechtliche Maßnahmen gegen diesen Schritt ergriffen. Es ist somit schwer vorstellbar, wie Airbnb weiterhin in Irland seine Hauptquartiere für Europa und den Nahen Osten betreiben könnte und gleichzeitig Strafen und Sanktionen vermeiden.“ Airbnb und andere amerikanischen Unternehmen müssten sich dann „ernsthaft Gedanken darüber machen“, sich aus Irland zurückzuziehen, glaubt Goodall – „mit möglicherweise gravierenden Folgen für die Beschäftigung und die Steuereinnahmen der Regierung.“ Zudem drohten dem irischen Staat enorme Schadensersatzforderungen, wenn sich herausstelle, dass das Gesetz nach EU-Recht illegal ist. Goodall glaubt daher an einen Sieg der Vernunft: „Die Ireland Israel Alliance hält die Gesetzesvorlage nicht nur für eine, die spaltet und diskriminiert, sondern für klar illegal – darum wird das Gesetz auch nicht in Kraft treten.“

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