Hilft Beten gegen die Bomben des IS-Terrorismus?

Wir kennen ihre Namen nicht. Wir wissen nicht was sie gemacht haben an jenem Freitagmorgen, auf dem Weg zu einem Kloster nahe dem ägyptischen al-Minja, das nach Samuel dem Bekenner benannt ist. Ein Bus mit koptischen Pilgern, ein Kleinbus mit Kindern, ein kleiner Truck mit Arbeitern. Vielleicht waren sie noch schläfrig von der Nacht, vielleicht erzählten sie einander die alltäglichen Belanglosigkeiten, die man unterwegs eben so erzählt. Bis drei Geländewagen am Horizont auftauchten.

Die Geländewagen stoppten den kleinen Konvoi. Schwer bewaffnete maskierte Männer eröffneten das Feuer auf den Kleinbus mit den Kindern. Mindestens sechs Kinder starben im Kugelhagel, das jüngste war gerade einmal zwei Jahre alt. Die acht Arbeiter im Truck wurden erschossen. Die Angreifer stürmten den Bus mit den Pilgern, erschossen die Männer und raubten den Schmuck der Frauen. Sie streuten islamistische Propaganda-Flugblätter über die Leichen, sammelten die Beute ein und verschwanden in der Wüste. Zurück blieben 29 Tote und 24 Verwundete, zerstörte Familien, blankes Entsetzen.

Ägyptische Medien veröffentlichten Bilder von drei kleinen Jungen, die den Angriff überlebt hatten, mit Blut bedeckt, die Augen im Schock weit aufgerissen, ein kleiner Bub noch immer die Handtasche seiner toten Mutter umklammernd. „Wir versuchen sie zu beruhigen. Ein Mädchen hat ihre Eltern und die Tante verloren. Ein anderes Kind, jetzt gerade vor mir, hält die Handtasche seiner Mutter, es weiß noch gar nicht, dass sie tot ist.“, schilderte Mikhail Ayoub, ein Sprecher der Koptischen Kirche, die grauenvollen Szenen in einem Interview.

Der Anschlag zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan ist der jüngste einer ganzen Serie von Anschlägen gegen die Kopten in Ägypten. Am Palmsonntag sprengten Selbstmordattentäter vor zwei Kirchen in Alexandra und Tanta mindestens 45 Menschen in den Tod. Am 11. Dezember 2016 wurden bei einem ähnlichen Attentat mindestens 29 Menschen in der Kirche St. Paul in Kairo ermordet. Eine koordinierte Serie von Morden an Christen im Sinai zwingt immer mehr Christen zur Flucht.

200 Millionen verfolgte Christen weltweit

Die koptisch-orthodoxe Kirche Ägyptens gehört zu den ältesten christlichen Kirchen der Welt. Heute leben in Ägypten zwischen 6 und 9 Millionen koptische Christen, wobei die Zahlen je nach Quelle stark differieren. Mit ungefähr 10% der Gesamtbevölkerung sind die Kopten jedenfalls die größte religiöse Minderheit des Landes. Seit Jahrzehnten sind die Kopten Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, in den letzten Jahren häufen sich die Anschläge auf die Minderheit. Heute ist kein Christ in Ägypten oder im Libanon mehr sicher.

Nicht nur Kopten werden ermordet, weil sie Christen sind. Während hierzulande das Phantom der Islamophobie beklagt wird, mit dem jegliche Kritik am Politischen Islam pathologisiert werden soll, werden Christen tatsächlich weltweit verfolgt, vertrieben und ermordet. Von allen Menschen, die zur Zeit wegen ihres Glaubens verfolgt werden, bekennen sich 75–80 Prozent zum Christentum.

Der Open Doors World Watch Report 2017 schätzt, dass weltweit 200 Millionen Christen unter einem hohen Maß an Verfolgung leiden. Allein den 12 Monaten bis Oktober 2016 wurden mindestens 1.329 Kirchen angegriffen und 1.207 Christen ihres Glaubens wegen ermordet, die Hälfte davon in Nigeria. Das sind weniger als in den Jahren zuvor, weil die islamistische Boko Haram inzwischen militärisch zurückgedrängt werden konnte. Am schlechtesten ist die Situation für Christen in Nord-Korea, wo geschätzte 70.000 in Arbeitslagern gefangen gehalten werden. In 14 der 20 christenfeindlichsten Länder, und in 35 der Top-50, ist der islamische Extremismus die Haupttriebfeder der Verfolgung

Evangelische Verheimlichung von Christenverfolgung

Hilft Beten gegen die Bomben des IS-Terrorismus?Der Evangelische Kirchentag kommentierte die Lage der Christen auf seinem offiziellen Twitter-Account mit dem bemerkenswerten Satz: „Es ist nicht unbedingt hilfreich immer wieder zu sagen, dass Christen verfolgt werden“. Der Tweet wurde nach massiven Protesten inzwischen gelöscht. Ob dieser Satz tatsächlich vom Berliner Bischof Markus Dröge stammt, wie lange angenommen wurde, lässt sich zur Zeit nicht bestätigen. Unabhängig davon charakterisiert er wie kaum ein anderer die völlige Selbstaufgabe der evangelischen Gemeinde Deutschlands. Anstatt ihren bedrängten Glaubensbrüdern und -schwestern beizustehen, fordert sie dazu auf, die andere Wange hinhalten. Nach wie vor meinungsbildend wirkt die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, die in einem Interview mit dem Spiegel den Krieg gegen Hitler delegitimierte und auf dem Kirchentag 2011 der Bundewehr praktische Ratschläge im Umgang mit den Taliban gab. Ihre Ermahnung, dass ein Gebet für die Taliban eine „wesentlich bessere Idee als die Bombardierung von Tanklastwagen“ sei, wurde von tausenden Zuhörern frenetisch bejubelt.

Doch im wirklichen Leben werden Terroristen nicht durch Beten gezähmt. Im wirklichen Leben müssen wir damit zurecht kommen, dass jedes Konzert, jedes Fußballspiel, jedes Café und jede Fußgängerzone potenzielle Anschlagziele sind. Und mit jeder wohlgesetzten, vor Betroffenheit triefenden Rede von Amtsträgern, die uns mehr oder weniger offen dazu auffordern, uns an den Terror zu gewöhnen, wächst die Wut jener Bürger, die ihm tatsächlich ausgesetzt sind.

Denn im Gegensatz zum linken Terror der 1970er Jahre sind es nicht mehr die Entscheidungsträger, die gefährdet sind. Nicht die politisch-bürokratischen Eliten, die in gepanzerten Limousinen reisen und deren Familien von Leibwächtern beschützt werden, zahlen den Preis für das multiple Staatsversagen. Den Preis für Regierungen, die ihren Bürgern erklären, Terror und sexuelle Übergriffe gehörten zum normalen Lebensrisiko statt sie davor zu schützen, zahlen die zerstörten Familien von Nizza bis Stockholm, die Toten von Berlin bis London.

Die Kinder im Bus bei al-Minja sind unsere Kinder. Die Kinder von Manchester sind unsere Kinder. Die Toten vom Breitscheid-Platz sind unsere Toten. Nennen wir ihre Namen. Erzählen wir ihre Geschichten. Vergessen wir nicht, wer den höchsten Preis bezahlt hat.

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