Eine „künstlich hochgespielte Kopftuch-Debatte“?

Sehr geehrte Kurier-Redaktion,

Eine „künstlich hochgespielte Kopftuch-Debatte“?Bernhard Ichner schreibt im heutigen Kurier, eine Boulevardzeitung habe eine „künstlich hochgespielte Kopftuch-Debatte“ kreiert, indem sie aus einer „theologischen Information für Muslime“ ein „Kopftuch-Gebot“ gemacht habe. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), so wird deren Präsident wiedergegeben, „rate … Muslimen keineswegs zur Verhüllung“. Diese Behauptungen sind so absurd, dass man aus dem Staunen kaum mehr herauskommt.

Ichner selbst zitiert den entscheidenden Abschnitt aus der Mitte Februar veröffentlichten Stellungnahme des „Beratungsrates für Glaubenslehre und religiöse Angelegenheiten“ der IGGiÖ zum Thema „Stellung der Verhüllung im Islam“:

„Für weibliche Muslime ab der Pubertät ist in der Öffentlichkeit die Bedeckung des Körpers, mit Ausnahme von Gesicht, Händen und nach manchen Rechtsgelehrten Füßen, ein religiöses Gebot (farḍ) und damit Teil der Glaubenspraxis.“

Es bleibt Ichners großes Geheimnis, warum ein von der IGGiÖ unmissverständlich formuliertes „religiöses Gebot“ für weibliche Muslime zur „Bedeckung des Körpers“ kein Kopftuch-Gebot sein soll. Wenn er schon so offenkundig die Bedeutung der geschriebenen deutschsprachigen Worte ignoriert, mag es vielleicht weniger verwundern, dass er dem in Klammer hinzugefügten Wort „fard“ keinerlei Aufmerksamkeit schenkt: es bezeichnet eine „göttliche Vorschrift, die von den Gläubigen bedingungslos einzuhalten ist, eine unbedingte religiöse Pflicht, deren Befolgung belohnt – und deren Missachtung bestraft wird.“

Ein religiöses Gebot, das explizit als bedingungslos einzuhaltende göttliche Vorschrift charakterisiert wird, soll Ichner zufolge überhaupt kein Gebot darstellen; dass weibliche Muslime laut göttlicher Vorschrift ihren Körper zu bedecken haben, soll „keineswegs“ ein Aufruf zum Tragen des Kopftuchs sein – wirklich erstaunlich, wie man etwas zitieren kann, um sodann schlicht das Gegenteil zu behaupten.

Ichner unterließ es darüber hinaus, auf einen anderen interessanten Aspekt der Stellungnahme der IGGiÖ einzugehen: Der Beratungsrat „befürwortet und unterstreicht … die persönliche Freiheit der einzelnen Frau“ – die darin besteht, dass sie sich mit Gesichtsschleier und Handschuhen noch weitergehend verhüllen darf, als die Glaubensgemeinschaft es als religiöse Pflicht erachtet. Es soll niemand behaupten, dass die IGGiÖ nicht für die „persönliche Freiheit“ der Frauen eintritt!

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Mena Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank

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