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Die hofierten Genossen

Sehr geehrter Herr Oswald,

in Ihrem Kommentar „Die verunsicherten Genossen“ (Standard, 17. Apr. 2016) kritisieren Sie die mangelhaft argumentierte „180 Grad Kehrtwende“ von Bundeskanzler Faymann in der Asylpolitik und schreiben: „Wenn es um Alternativvorschläge geht, handelt es sich meist um solche, die Österreich entweder nicht selbst in der Hand hat (Bürgerkriege in Syrien, Irak und Afghanistan beenden), oder um solche, die realpolitisch kaum bis gar nicht umzusetzen sind“. Nun haben Sie zweifelsohne Recht, dass Österreich die angesprochenen Konflikte nicht alleine lösen kann. Aber die österreichische Regierung ist im Hinblick auf diese Krisenherde keineswegs untätig, sondern betreibt eine mehr als fragwürdige Politik, in der ausgerechnet die Hauptverursacher des Elends als Partner für dessen Bekämpfung umworben werden.

Nehmen wir das Beispiel Syrien: Seit mehr als fünf Jahren führt das Regime Bashar al-Assads Krieg gegen die eigene Bevölkerung, die den Aufstand gegen die Diktatur gewagt hatte. Dabei setzt es bis zum heutigen Tage Chemiewaffen ein und legt mittels der völkerrechtlich geächteten Fassbomben ganze Städte und Dörfer in Schutt und Asche. Die Ergebnisse sind bekannt: Über 300.000 Menschen wurden getötet, die Hälfte der Bevölkerung ist im In- und Ausland auf der Flucht.

Um sich selbst als Vorkämpfer gegen den Islamismus in Szene setzen zu können, betrieb Assad gezielt die Förderung und Stärkung der Dschihadisten. Entgegen seiner Propaganda hat das syrische Regime nicht nur eine lange Geschichte der Zusammenarbeit mit islamistischen Terrororganisationen, sondern betreibt diese bis zum heutigen Tage. Auch hierzulande sollte bekannt sein, dass der Assad-Clan finanzielle Geschäfte mit dem Islamischen Staat (IS) macht und kein Interesse an seiner Niederschlagung hat. Die regimetreuen Truppen richteten ihre Anstrengungen lange Zeit gegen die syrische Opposition und ließen dem IS weitestgehend freien Lauf.

Dennoch setzt Österreich ausgerechnet auf den Verursacher der Katastrophe in Syrien: Assad, dem noch 2009 auf Einladung von Präsident Heinz Fischer in Wien ein herzlicher Empfang bereitet wurde, wird von Sebastian Kurz als „unverzichtbarer Partner“ im Kampf gegen den IS betrachtet. Der Außenminister fordert einen „Schulterschluss“ mit dem syrischen Regime und dem iranischen Gottesstaat.

Ohne den tatkräftigen Beistand Teherans wäre das Assad-Regime vermutlich längst Geschichte. Der Einsatz der libanesischen Hisbollah sowie die Entsendung schiitischer Milizionäre durch das iranische Regime waren maßgeblich dafür verantwortlich, Assad an der Macht zu halten. Dabei ist Syrien nur einer von vielen Schauplätzen in der Region, an denen die Diktatur der Mullahs ihr Unwesen treibt. Dennoch ließ Präsident Fischer es sich im vergangenen Jahr nicht nehmen, als erstes europäisches Staatsoberhaupt seit vielen Jahren dem iranischen Regime einen Besuch abzustatten. Groß war die Enttäuschung, dass die Visite des iranischen Präsidenten Rohani in Wien unlängst in letzter Minute ins Wasser gefallen ist.

Neben dem Beistand durch den Iran konnte sich Assad vor allem auf die diplomatische Unterstützung Russlands verlassen, das im UN-Sicherheitsrat jegliches Vorgehen gegen das syrische Regime verhinderte – und im vergangenen Herbst selbst militärisch in Syrien eingriff. Trotzdem hat Präsident Fischer gerade eben auch Russlands Despoten Vladimir Putin einen „wichtigen und wertvollen Besuch“ in Moskau abgestattet und ihm öffentlich zugesichert, dass er sich für ein Ende der EU-Sanktionen einsetze. Fischer hat zwar formal seine Zustimmung zu ebendiesen erklärt, doch Kreml-nahe Medien verstanden sofort, was gemeint war. Die russische Nachrichtenagentur Tass veranlasste dies zu Euphorie: „Österreich strebt die Aufhebung der antirussischen Sanktionen der EU an.“

Es sind gerade die Putins, Rohanis und Assads dieser Welt, die von der österreichischen Politik hofiert und zu Partnern gemacht werden. Sie folgt der irrigen Annahme, dass die Regime, die für Tod und Vertreibung verantwortlich sind, Stabilität und Sicherheit garantieren könnten. Ja, Österreich kann nicht im Alleingang die Konflikte des Nahen Ostens lösen. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn es aufhören würde, die Regime zu fördern, die maßgebliche Verantwortung für das Grauen tragen, das Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat.

Mit freundlichen Grüßen,
David Kirsch
Mena Watch – Der unabhängige Nahost-Thinktank

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