Wie deutsche Firmen Nahost-Despoten mit mörderischen Giftgasen versorgten

Von Thomas von der Osten-Sacken

„Die subventionierte Aufrüstung des Irak ist ein besonders schmutziges Kapitel deutscher Wirtschafts- und Nahostpolitik, über dessen Beteiligte in den Ministerien und Diensten der BRD nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt wurde. … Noch schäbiger als das damalige Irakgeschäft ist nur der Umgang der Bundesrepublik mit den Opfern selbst. Bis heute hat es kein Eingeständnis der Mitverantwortung gegeben und folgerichtig auch keinen Versuch, der unter den Folgen leidenden Bevölkerung substantiell zu helfen.“ Diese Zeilen stammen aus einer Erklärung zum fünfzwanzigsten Jahrestag des Giftgasangriffes des Saddam-Regimes auf die Stadt Halabja. Geändert hat sich seitdem wenig, und die Überlebenden warten noch immer auf eine Entschuldigung der Bundesregierung und fordern Jahr für Jahr am 16. März von der deutschen Regierung, jene Firmen endlich zu belangen, die damals den Giftmord erst möglich gemacht haben.

 

halabja

 

2013 wurde nicht nur der fünfundzwanzigste Jahrestag des Halabja Angriffes begangen, im August desselben Jahres setzte das Assad Regime in den Ghoutas gezielt Giftgas gegen die Zivilbevölkerung ein. Über 1.500 Menschen starben sofort, wie viele an den Spätfolgen zu leiden haben ist bis heute unbekannt. Und nur wenige Tage später stellte sich heraus: Auch am syrischen Giftgasprogramm waren deutsche Firmen beteiligt. Während man in Halabja auf eine Entschuldigung wartet, wird in den Ghoutas weiter gestorben, denn seit Jahren sind diese Vororte von Damaskus von syrischen Regierungstruppen und Hizbollah Milizen hermetisch abgeriegelt und werden regelmäßig bombardiert.

Derweil drücken sich in Teheran europäische Delegationen die Klinke in die Hand. Erst jüngst wurde dort eine ganze Abordnung deutscher Wirtschaftsvertreter vorstellig. Und wer reiste in ihrer Mitte? Björn Stritzel hat für Bild recherchiert: „Dr. Michael Fraenzel, Geschäftsführer der Firma Karl Kolb GmbH aus dem hessischen Dreieich.“  Karl Kolb, das ist einer der deutschen Namen, die man in Halabja zu gut kennt. Denn:

„In den 1980er-Jahren war Michael Fraenzels Vater Klaus für die Karl Kolb GmbH und deren Tochterfirma Pilot Plant Büroleiter in Bagdad. Für das Baathregime des früheren Diktators Saddam Hussein lieferte Karl Kolb mit seiner Tochterfirma Pilot Plant mehrere Anlagen, die wichtiger Bestandteil des irakischen Chemiewaffen-Programms waren.

 Die größte Anlage dieses Programms war der Muthanna-Komplex unweit der irakischen Stadt Samarra. Offiziell wurden hier Pestizide zum Schutz der Dattelernte hergestellt. Tatsächlich wurden in dem Komplex mit dem Codenamen ‚Projekt 922‘ Hunderte Tonnen Chemiewaffen produziert, darunter Hautkampfstoffe wie das so genannte Senfgas, aber auch die Nervenkampfstoffe Sarin und Tabun. ‚Sauerkraut-Boulevard‘ nannten UN-Inspekteure die Hauptstraße der C-Waffen-Anlage – wegen der hohen Beteiligung deutscher Unternehmen. Ganz vorn mit dabei: Die Firma Karl Kolb aus dem hessischen Dreieich mit ihrer Tochterfirma Pilot Plant.“

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel war leider unpäßlich und konnte die Delegation zu den Ayatollahs nicht begleiten. Sonst hätte er im Flieger vielleicht sogar neben Herrn Fraenzel gesessen. Aber natürlich hat, wie sie immer wieder betont, die Bundesregierung nichts mit den Giftgaslieferungen in den Nahen Osten zu tun.

Und in Teheran, da vergibt und vergisst man offenbar gerne, dass tausende iranischer Soldaten und Zivilisten von jenem irakischen Giftgas getötet wurden, dass nur mit Hilfe deutschen Know Hows produziert werden konnte. Sonst würde man den Geschäftsführer von Karl Kolb kaum einreisen lassen oder ihn direkt am Flughafen verhaften. Schließlich hatte noch letztes Jahr der iranische Außenminister öffentlichkeitswirksam erklärt, man wolle die verantwortlichen Waffenlieferanten für den Giftgasangriff auf die Stadt Sardasht zur Verantwortung ziehen.

Damals, in den 80er, erklärte ein irakischer Arbeiter beim Bau einer dieser Produktionsstätten:

„Wir stellen Mittel gegen Ungeziefer her – gegen Wanzen, Flöhe, Heuschrecken, Perser, Israelis.”

Gegen Perser geht es heute nicht mehr, ein Ziel aber verband, die damaligen Kriegsgegner Irak und Iran: Der Wunsch und Wille, Israelis wie Ungeziefer zu vernichten. Daran hat sich in Teheran bis heute nichts geändert, und man weiß dort, was man an den deutschen Händlern des Todes hat. Denn auf die ist bekanntlich Verlass.

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