BDS in Berlin: Am Jahrestag der Pogromnacht gegen Israel gehetzt

Von Alex Feuerherdt

Die Berliner BDS-Gruppe hat am Jahrestag der Pogromnacht von 1938 in der Nähe eines früheren Deportationsortes gegen den jüdischen Staat demonstriert. Das fand auch der Regierende Bürgermeister infam. Nun bietet sich ihm gleich die nächste Gelegenheit, gegen Antisemitismus in seiner Stadt vorzugehen: In einem mit viel öffentlichem Geld subventionierten Kino soll ein erklärter Israelhasser einen Preis verliehen bekommen.

Eines muss man der Bewegung für einen Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel – kurz: BDS – wirklich lassen: Sie versäumt selten eine Gelegenheit, ihren antisemitischen Charakter und ihr ganz spezielles historisches Bewusstsein öffentlich unter Beweis zu stellen. Das jüngste Beispiel dafür war in Berlin zu beobachten, wo die örtliche BDS-Dependance dazu aufgerufen hatte, sich am „Aktionstag für eine Welt ohne Mauern“ zu beteiligen. Erwartungsgemäß legte sie dabei einen Schwerpunkt auf die, wie sie es nennt, „israelische Apartheid-Mauer auf palästinensischem Land“ – und das am 9. November, dem Jahrestag der nationalsozialistischen Pogromnacht von 1938. Auch den Ort für ihren „Aktionstag“ hatte BDS Berlin zielsicher ausgewählt: Die Vereinigung versammelte sich auf dem Potsdamer Platz, der unweit des früheren Anhalter Bahnhofs liegt, von wo aus ab Juni 1942 rund 10.000 Berliner Juden ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurden.

Israel habe „ganz entscheidend dazu beigetragen, dass es zu dieser neuen weltweiten Ära der Mauern gekommen ist“, behauptete die Gruppe in ihrem Aufruf. Vor 15 Jahren habe der jüdische Staat damit begonnen, „seine bis zu 8 Meter hohe und über 700 Kilometer lange Mauer auf besetztem palästinensischem Land zu bauen“, hieß es weiter. Sein Ziel sei es, „60 Prozent der Westbank zu konfiszieren und die dortige palästinensische Bevölkerung auf nicht mehr als 13 Prozent ihres historischen Heimatlandes einzusperren“. Hinzu komme „die israelische Mauer, die seit 1994 den palästinensischen Gazastreifen umschließt und ihn vollständig isoliert“. Doch die Palästinenser hätten „nie aufgehört, Widerstand gegen diese Mauern und die unaufhörliche Vertreibung der Menschen von ihrem Land zu leisten“.

Eine solche Dämonisierung Israels funktioniert nur, wenn man mit Verdrehungen, Übertreibungen, Auslassungen und handfesten Unwahrheiten operiert. Deshalb ist es kein Zufall, dass der tatsächliche Grund für den Bau der israelischen Sperranlage unterschlagen wird, nämlich die zahlreichen Selbstmordattentate auf israelische Zivilisten, die palästinensische Terroristen aus dem Westjordanland im Zuge der zweiten „Intifada“ am Anfang dieses Jahrtausends in israelischen Bussen, Cafés und Restaurants sowie an anderen belebten Orten verübten. Erst durch die Errichtung dieser Absperrung – die nur zu einem kleinen Teil aus einer Mauer besteht und ansonsten aus einem Zaun – gingen die Anschläge allmählich bis auf null zurück, weil die Terroristen nun nicht mehr ungehindert ins israelische Kernland vordringen konnten.

Kritik vom Regierenden Bürgermeister

Das Ziel der Grenzanlage war und ist es also mitnichten, große Teile des Westjordanlandes zu „konfiszieren“ und die palästinensische Bevölkerung grundlos „einzusperren“. Vielmehr schützt der jüdische Staat seine Bürger auf diese Weise vor tödlichen Angriffen. Auch die Abriegelung des Gazastreifens geschah aus diesem Grund: Nachdem sich die israelische Armee und die israelischen Siedler im Jahr 2005 von dort zurückgezogen hatten, nahm die Hamas immer wieder das israelische Kernland mit Raketen unter Beschuss. Wenn BDS Berlin nun davon spricht, die Palästinenser leisteten „Widerstand gegen diese Mauern und die unaufhörliche Vertreibung der Menschen von ihrem Land“, dann verherrlicht die Organisation die Selbstmordanschläge und den Raketenbeschuss als Formen von legitimem Protest. In Wirklichkeit jedoch handelt es sich um nichts anderes als antisemitischen Terror, der den Zweck verfolgt, so viele Juden wie möglich zu töten.

Dass sich BDS Berlin auch noch ausgerechnet den 9. November für den „Aktionstag“ ausgesucht hatte, führte zu deutlichen Worten des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller. Er sagte: „Mit welcher Infamie BDS am Gedenktag der Novemberpogrome ohne Rücksicht auf die Opfer der Shoa, ihrer Angehörigen und auf die jüdische Gemeinschaft insgesamt ihre israelfeindliche antisemitische Propaganda betreibt, ist unerträglich.“ Müller war unlängst selbst in die Kritik geraten, weil er gegenüber antisemitischen Aktivitäten in seiner Stadt – nicht zuletzt vonseiten der BDS-Bewegung – passiv geblieben war. Erst nach einem verbalen Warnschuss des Simon Wiesenthal Centers änderte sich daran etwas: Müller kündigte daraufhin an, „alles Mögliche [zu] tun, um BDS Räume und Gelder für seine antiisraelische Hetze zu entziehen“. In Frankfurt hatte der Magistrat der Stadt bereits im August einen solchen Beschluss gefasst, in München hat das Direktorium der Stadt auf Betreiben von SPD und CSU eine entsprechende Beschlussvorlage formuliert, die anderen Städten als Blaupause dienen könnte.

BDS in Berlin: Am Jahrestag der Pogromnacht gegen Israel gehetztDer „Aktionstag“ von BDS Berlin stieß übrigens nur auf wenig Interesse. „7 Leute, 6 Stellwände, 2 Musiker, 1 Dackel“, fasste es Fabian Weißbarth von der Berliner Außenstelle des American Jewish Committee auf Twitter zusammen. Ein Grund zur Beruhigung ist das gleichwohl nicht. Zwar hält sich in Deutschland, anders als beispielsweise in Großbritannien und den USA, die Teilnehmerzahl bei BDS-Kundgebungen in engen Grenzen, und die Zahl der BDS-Aktivisten ist – noch – überschaubar. Dafür gelingt es ihnen bei anderen Anlässen mit geringem personellen Aufwand immer wieder, unangenehm aufzufallen, zu stören und zu sabotieren. So wurden beispielsweise im Juni dieses Jahres eine Shoa-Überlebende und eine israelische Parlamentarierin bei einer Veranstaltung in Berlin von BDS-Vertretern mit Parolen wie „Das Blut des Gaza-Streifens klebt an ihrer Hand“ und „Kindermörder“ niedergebrüllt. Ebenfalls in der deutschen Hauptstadt erreichte die BDS-Bewegung im August, dass das Musikfestival Pop-Kultur von eingeladenen arabischen Künstlern boykottiert wurde. Anlass dafür war ein geringer Reisekostenzuschuss der israelischen Botschaft.

Israelfeinde in öffentlich bezuschusstem Berliner Kino

Wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin seine eigenen Worte ernst nimmt, muss er außerdem die öffentliche Bezuschussung des Kinos Babylon auf den Prüfstand stellen. Denn dort soll am 14. Dezember zum fünften Mal der „Kölner Karlspreis für engagierte Literatur und Publizistik“ verliehen werden, den das obskure Internetportal Neue Rheinische Zeitung vergibt. Erhalten soll ihn diesmal der Verschwörungstheoretiker und frühere Radiomoderator Ken Jebsen, der unter anderem glaubt, die USA würden von Menschen mit jüdischen Wurzeln gesteuert, deren Ziel die „Schaffung eines israelischen Großreichs“ sei, und der davon überzeugt ist, dass Zionisten die Vereinten Nationen, den Internationalen Währungsfonds und die Atomenergiebehörde kontrollieren. Zudem ist Jebsen der Ansicht, dass der jüdische Staat das Ziel einer „Endlösung“ in Form der Ermordung aller Palästinenser in den palästinensischen Gebieten verfolgt.

BDS in Berlin: Am Jahrestag der Pogromnacht gegen Israel gehetztDie Laudatio auf ihn soll Mathias Bröckers halten, der vor allem durch seine Verschwörungstheorien zu den Anschlägen des 11. September 2001 bekannt geworden ist. Zudem sind Redebeiträge unter anderem von Evelyn Hecht-Galinski und Anneliese Fikentscher vorgesehen, zwei Aktivistinnen, die einen besonders vulgären Antizionismus pflegen, einen Boykott Israels vehement befürworten und die Dämonisierung des jüdischen Staates zu ihrer Hauptbeschäftigung gemacht haben. Fikentscher, die auch die Moderation der Veranstaltung übernehmen soll, gehörte überdies zu einer vom Querfrontjournalisten Jürgen Elsässer angeführten Reisegruppe, die im Frühjahr 2012 nach Teheran flog, um den damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad zu treffen. Für die musikalische Untermalung der Veranstaltung sorgt neben Gilad Atzmon und anderen auch die Gruppe Die Bandbreite, die ebenfalls immer wieder mit verschwörungstheoretischen Texten von sich reden macht.

Das Babylon wird vom Berliner Senat jährlich mit mehr als 350.000 Euro subventioniert. Wenn Michael Müllers Versprechen, keine Räume und Gelder mehr für antiisraelische Hetze zu gewähren, nicht nur für BDS-Gruppierungen gelten, sondern sich auch auf andere israelfeindliche und antisemitische Aktivitäten beziehen soll – und davon kann man ausgehen –, dann darf ein Veranstaltungsort wie jener am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz nicht länger von öffentlichen Geldern profitieren. Der Regierende Bürgermeister wird also an seiner Ankündigung zu messen sein.

UPDATE: Nach einem Telefonat zwischen dem Berliner Kultur-Staatssekretär Torsten Wöhlert und dem Geschäftsführer des Babylon, Timothy Grossman, hat das Kino die Preisverleihung an Ken Jebsen abgesagt.

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