50 Jahre Sechstagekrieg: Das Ende des Wartens

Zerstörte Flugzeuge der ägyptischen Luftwaffe
Zerstörte Flugzeuge der ägyptischen Luftwaffe

Von Florian Markl

Mit Angriffen auf ägyptische Luftwaffenstützpunkte begann heute vor 50 Jahren der Sechstagekrieg. Israel setzte damit der angespannten Zeit des Wartens ein Ende. Sie hatte mit dem Vordringen ägyptischer Truppen auf die Halbinsel Sinai, dem erzwungenen Abzug der „United Nations Emergency Force“ (UNEF) und der ägyptischen Sperrung der Straße von Tiran wenige Wochen zuvor begonnen – und konnte nicht weiter in die Länge gezogen werden.

Internationales Versagen

Am 23. Mai hatte Ägyptens Präsident Nasser die Blockade des schmalen Seeweges am südlichen Ende des Golfes von Akaba für israelische Schiffe bekannt gegeben, über den 90 Prozent der israelischen Ölimporte nach Israel kamen. Die Verhinderung des freien Schiffsverkehrs durch dieses strategische Nadelöhr, der nach dem Suez-Krieg von 1956 international garantiert worden war, stellte für Israel einen Kriegsgrund dar. Noch bevor die Sperre international bekannt wurde, informierte Israels Außenminister Abba Eban den Generalsekretär der Vereinten Nationen, U Thant:

„Die Freiheit der Passage durch die Straße von Tiran … liegt im höchsten nationalen Interesse und stellt eine Rechtsposition dar, die Israel um jeden Preis erhalten und verteidigen wird. Israels Weigerung, eine erneute Blockade [wie vor 1956, Anm. F.M.] hinzunehmen, ist entschieden und unbedingt.“[1]

Israels Position war unmissverständlich: Die Blockade der Straße von Tiran werde nicht akzeptiert. Vorzuziehen wäre, wenn internationale Bemühungen einen drohenden Krieg zu verhindern vermochten. Gleichzeitig behielt Israel sich allerdings das Recht vor, nötigenfalls auch militärisch gegen die ägyptische Aggression und die zunehmende Einkreisung durch arabische Truppen vorzugehen.

Israels Premier Levi Eschkol befand sich, wie Michael Oren in seinem Standardwerk über den Sechstagekrieg feststellt, in einem Zwiespalt: Einerseits musste er die so genannte internationale Gemeinschaft davon überzeugen, dass er zum Handeln gezwungen sei, wenn sie nicht durch konzertiertes und entschlossenes Handeln der arabischen Aggression entgegentrete. Andererseits musste er den Israelis erklären, warum der Zeitpunkt zum Handeln eben noch nicht gekommen sei.[2] Sein Versuch, auf Zeit zu spielen, und sein gelegentlich wenig resolutes Auftreten wurden im Lande als Zögerlichkeit interpretiert.

Die erhofften internationalen Aktionen zur Beilegung der Krise blieben freilich aus. UN-Generalsekretär U Thant scheiterte bei seinem Versuch, Nasser zu einer Rücknahme der Sperre der Straße von Tiran zu bewegen. Die u.a. von Briten und Amerikanern vorgebrachte Idee, die Blockade mit einer multinationalen Flotte zu brechen, kam trotz gegenteiliger diplomatischer Beteuerungen über den bloßen Vorschlag nie hinaus: Kein anderes Land wollte in einer möglichen Konfrontation mit der ägyptischen Armee das Leben eigener Männer riskieren. Der UN-Sicherheitsrat erwies sich als handlungsunfähig.

50 Jahre Sechstagekrieg: Das Ende des Wartens
Außenminister Abba Eban und der israelische UN-Botschafter Gideon Rafael.

Auf der Suche nach internationaler Unterstützung reiste der israelische Außenminister Abba Eban nach Frankreich, Großbritannien und in die USA. US-Präsident Johnson versicherte seinem Gast die Unterstützung der Vereinigten Staaten, weigerte sich aber, dessen wichtigstem Anliegen nachzukommen: öffentlich zu erklären, dass die USA alles in ihrer Macht stehende unternehmen würden, um die Straße von Tiran wieder zu öffnen. Abba Eban gegenüber erklärt er in einer gleichermaßen gewandten wie opaken Formulierung, Israel werde „nicht allein sein, solange es keinen Alleingang beschließt“ („will not be alone unless it decides to go alone“).

Nach Außenminister Eban reiste auch der israelische Geheimdienstchef Meir Amit zu Konsultationen nach Washington. Als er am 3. Juni nach Israel zurückkehrte, waren die Würfel aus israelischer Sicht gefallen. Israels UN-Botschafter beschrieb die Lage folgendermaßen:

„Israel forderte die führenden Männer der drei wichtigsten Mächte – Frankreich, Großbritannien, die Vereinigten Staaten – auf, gemeinsam und wirkungsvoll zur Erhaltung des Friedens aktiv zu werden. Es behielt einen kühlen Kopf und bewahrte Geduld. Aber als niemand anders es wagte, den Würgegriff zu lösen, musste Israel selbst handeln.“[3]

Kein Zermürbungskrieg

Während auf der internationalen Ebene keine erfolgversprechenden Initiativen zu sehen waren, zog sich der arabische Belagerungsring um Israel immer stärker zusammen. Am 30. Mai flog Jordaniens König Hussein nach Kairo, um mit Präsident Nasser ein Verteidigungsbündnis einzugehen, ganz ähnlich jenem, das Ägypten und Syrien bereits im November des vergangenen Jahres unterzeichnet hatten. Die jordanische Armee wurde ägyptischem Kommando unterstellt und die Umzingelung Israels von drei Seiten vollendet.

Der jüdische Staat konnte in diesem Zustand nicht mehr länger verharren. Die israelischen Streitkräfte waren (und sind bis heute) eine Armee von Reservisten. Angesichts der massiven arabischen Truppenaufmärsche waren bis Anfang Juni 1967 zigtausende Männer einberufen worden, die zu Hause und an ihren Arbeitsplätzen fehlten. Die Belastung, die das auch in wirtschaftlicher Hinsicht für das Land bedeute, konnte nicht beliebig verlängert werden. Israel konnte sich einen kalten Zermürbungskrieg, in dem sich israelische und arabische Truppen womöglich monatelang gegenüberstehen würden, in mehrfacher Hinsicht nicht leisten.

Auch deshalb beschloss das israelische Kabinett am 4. Juni, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen. Am Morgen des 5. Juni begann der Angriff auf Stützpunkte der ägyptischen Luftwaffe. Ha-Hamtana, das Warten, wie die nervenaufreibenden Wochen seit Mitte Mai im Hebräischen genannt wurden, war damit vorüber.


Anmerkungen

[1] Zit. nach: Rafael, Gideon: Der umkämpfte Frieden. Die Außenpolitik Israels von Ben Gurion bis Begin, Frankfurt/Main et. al 1984, S. 187.

[2] Vgl.: Oren, Michael B.: Six Days of War. June 1967 and the Making of the Modern Middle East, New York 2003, S.87.

[3] Rafael: Der umkämpfte Frieden, a.a.O., S. 201.

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