In einer Täter-Opfer-Umkehrung erklären deutsche Medien das vom Iran bedrohte Israel zum Aggressor, der sich mit seinem Verteidigungskrieg gegen das Atomprogramm den Nahen Osten unterwerfen wolle.
So, wie es im modernen Krieg keine Pferde mehr gibt, so gibt es auch keine Kriegserklärungen mehr. In vergangenen Zeiten markierten diese völkerrechtlich den Beginn eines Kriegs. Das letzte Mal, dass der US-Kongress eine Kriegserklärung verabschiedete, war im Jahr 1942 gegen Bulgarien, Rumänien und Ungarn.
Seither beginnen Kriege ohne großes Zeremoniell und werden oft nicht einmal mehr so genannt. Die israelischen Angriffe auf militärische und strategische Ziele im Iran sind völkerrechtlich so gut legitimiert wie kaum ein anderer Kriegsakt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wenn es einen gerechten Krieg gibt, dann dieser. Es war der Iran, der Israel den Krieg erklärt hat – nicht nur einmal, sondern immer wieder. Dabei schworen Ali Khamenei und andere Vertreter des Regimes, den Staat Israel auszulöschen. »Dieses Land ist klein. Es ist nicht einmal so groß wie eine der kleinen Provinzen Irans«, sagte General Ali Fadavi, stellvertretender Oberbefehlshaber der Islamischen Revolutionsgarde im Oktober. »Wenn wir wollen, können wir alle Zionisten vernichten.«
Ayatollah Khamenei hat den jüdischen Staat mehr als einmal als »Krebsgeschwür« bezeichnet, das vernichtet werden müsse. Dafür hat er einen Termin genannt: »Noch vor 2040« werde dies geschehen. Die Drohungen sind glaubhaft. Die politische Führung des Irans ist gleichzeitig die höchste religiöse Instanz. Ihrem Selbstverständnis nach irrt und lügt sie niemals und blufft auch nicht – was ja eine Form der Lüge wäre –, sondern spricht von Gott kommende ewige Wahrheiten aus. Wenn sie sagt, dass sie Israel auslöschen werde, dann beabsichtigt sie auch, dies zu tun.
Israel vernichten
Die Vereinten Nationen nehmen keine Notiz von diesen Androhungen der Vernichtung eines UN-Mitgliedstaats geschweige, dass sie das Regime dafür zur Rechenschaft zögen. Das beweist, wie dysfunktional und korrupt diese Organisation ist. So, wie die Welt die Juden angesichts des Holocausts im Stich gelassen, ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen hat, so können sie auch heute nicht auf sie zählen. Die Vereinten Nationen sind eine Organisation, in der hundertzwanzig Diktatoren und autoritäre Regierungen zusammenarbeiten, um Israel zum Sündenbock zu machen und von ihren eigenen Menschenrechtsverletzungen abzulenken.
Das theokratisch-faschistische Regime in Teheran hat Israel nicht nur den Krieg erklärt, sondern die Israelis vom Gazastreifen, dem Libanon, dem Jemen, dem Irak und dem Iran selbst aus immer wieder durch seine Stellvertreter militärisch mit Raketen beschossen, so, wie es die Schifffahrt in internationalen Gewässern und Nachbarstaaten wie Saudi-Arabien und Pakistan angegriffen hat.
Gleichzeitig strebt es nach Atomwaffen, um die Drohung der Vernichtung Israels in die Tat umzusetzen, wie es der damalige iranische Präsident Ali Rafsandschani bereits im Jahr 2001 in einer Rede auf dem Al-Quds-Tag in Teheran angekündigt hatte: »Eine einzige Atombombe«, die innerhalb Israels detoniere, werde »alles zerstören«, während der Schaden eines potenziellen nuklearen Gegenschlags für die islamische Welt begrenzbar sei.
Der Gouverneursrat der aus fünfunddreißig Nationen bestehenden Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen (IAEO) erklärte am Donnerstag, dass der Iran gegen seine Verpflichtungen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen verstoßen habe: »Die Tatsache, dass der Iran der einzige Nicht-Atomwaffenstaat der Welt ist, der auf sechzig Prozent angereichertes Uran produziert und akkumuliert, gibt weiterhin Anlass zu ernster Besorgnis und hat angesichts der potenziellen Folgen für die Verbreitung des Atomwaffenarsenals internationale Aufmerksamkeit erregt.« Der Iran habe in den letzten drei Monaten hoch angereichertes Uran in einer Menge produziert, die etwa einer Atomwaffe pro Monat entspräche, hieß es in einem Bericht der IAEO vom Mai.
Das islamische Regime hat also erstens die Absicht, Israel zu vernichten und arbeitet zweitens ernsthaft daran, die Mittel dazu zu erwerben. Darüber hinaus hat es mit der jahrzehntelangen Unterdrückung der eigenen Bevölkerung, seinen im Ausland durchgeführten Terroranschlägen und den Angriffen auf Israel immer wieder klar gemacht, dass es keinerlei Skrupel hat, sich über alle Gesetze, Abkommen und jegliche Humanität hinwegzusetzen.
Kampf gegen Lynchmob
Israel führt einen Verteidigungskrieg gegen jene, die es vernichten wollen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war kaum ein Kriegsakt so gut völkerrechtlich legitimiert. Doch ebenso war vorherzusehen, dass die Feinde Israels – also diejenigen, die Israel scheitern sehen wollen –, wieder eine Täter-Opfer-Umkehr betreiben und Israel an den Pranger stellen würden.
Bob Dylan hat dies in einem Song, den er 1981 nach dem israelischen Angriff auf den mit Frankreichs Hilfe gebauten Atomreaktor Osirak schrieb, in die Geschichte des Neighborhood Bully (Nachbarschaftsschikaneur) gefasst, der, wie ihm seine Todfeinde vorwerfen, angeblich das Viertel schikaniert:
»Nun, er schaltete einen Lynchmob aus, dafür wurde er kritisiert.
Alte Frauen verurteilten ihn; sagten, er soll sich entschuldigen.
Dann zerstörte er eine Bombenfabrik, niemand war froh.
Die Bomben waren für ihn bestimmt, er sollte sich schlecht fühlen,
er ist der Nachbarschaftsschikaneur.
Nun, die Chancen sprechen dagegen, die Aussichten sind gering,
dass er nach den Regeln leben wird, welche die Welt für ihn macht.
Da ist eine Schlinge um seinen Hals und eine Knarre in seinem Rücken
und eine Lizenz, ihn zu töten, erteilt an jeden Irren.«
Er sei »umzingelt von Pazifisten, die alle Frieden wollen«, heißt es weiter:
»Sie beten jede Nacht dafür, dass das Blutvergießen aufhören müsse,
also, sie würden keiner Fliege etwas zuleide tun.
Täten sie einem etwas zuleide, sie würden weinen.
Sie liegen auf der Lauer und warten darauf,
dass dieser Nachbarschaftsschikaneur einschläft.«
Warten bis zum Atompilz?
Atomwaffen im Besitz des Regimes, das Israels Vernichtung anstrebt, seien »kein Kriegsgrund«, behauptet Bernd Dörries in der Süddeutschen Zeitung. Israel hätte warten müssen, bis die Raketen mit den fertigen Atomsprengköpfen aus den Silos geholt und auf Israel abgefeuert werden, denn ein Präventivschlag sei »nur gestattet, wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht«.
Die Alternative? Statt die Bombenfabriken zu bombardieren, hätte Israel, »ein paar gezielte Stiche versetzen« sollen; dies hätte den Iran »an den Verhandlungstisch gezwungen«, das Regime hätte sich eines Besseren besonnen und reumütig den Bau von Atombomben für immer eingestellt. Diese Fantasie ist so konfus, dass man es kaum glauben möchte, dass die Süddeutsche Zeitung so etwas druckt.
Nicht der seit Jahren andauernde Terrorkrieg, mit dem das Mullah-Regime die Region überzogen hat, störe den Frieden, so Dörries, sondern dass Israel nun etwas dagegen unternimmt. Was Ali Khamenei und sein Regime angehe, sei dieses zwar »menschenverachtend« und »korrupt«, aber nach Einschätzung des Autors doch nicht so schlimm, dass es abtreten müsse: es sei eigentlich sogar ganz gut für die Region: »Eine Region ohne den ›Obersten Führer‹ Ali Chamenei« müsse »nicht unbedingt eine bessere sein«, warnt er.
Was wäre der Iran ohne die Diktatur? Bernd Dörries hält Despoten für Garanten von Stabilität; ohne sie werde der Iran womöglich in »Anarchie und Chaos untergehen«. Das Argument des starken Mannes, der nötig sei, um »Chaos« zu verhindern –, das ist just jene Argumentation, welche die Nationalsozialisten verwendeten, um die Weimarer Republik zu diskreditieren.
Hass auf die Feinde der Tyrannen
Wenn ohne Ayatollah Khamenei der Untergang des Irans droht (tut er natürlich nicht), müsste man ihm dann nicht wünschen, hundertzwanzig Jahre alt zu werden und dann immer noch die Zügel zu halten? Das ist nur ein Zwischenschritt in der zynischen Argumentation. Nachdem Dörries meint, bewiesen zu haben, dass eine Diktatur besser sei als ihr Ruf und ohne sie »Anarchie und Chaos« drohten, beschuldigt er die israelische Regierung, eben Letzteres zu wollen: »Eine Katastrophe, für Netanjahu kein schlechtes Ergebnis.« Die »Katastrophe« ist, wohlgemerkt, der mögliche Sturz jener Diktatur, die Homosexuelle an Baukränen aufhängt und Mädchen in Gefängnissen vergewaltigen und ermorden lässt.
Sollte der Sturz dieser Diktatur als Folge israelischer Angriffe auf die Pfeiler des Regimes eintreten – was ja nur passieren könnte, sollten die Iraner den historisch günstigen Augenblick für einen Volksaufstand nutzen –, dann verdiente Benjamin Netanjahu aus Sicht des Kolumnisten nicht etwa Lob und Anerkennung, sondern Schimpf und Schande.
Diktatur gut; Angriffe auf sie schlecht. Dörries dreht die Schraube noch weiter: Nicht nur, dass es für die Iraner seiner Meinung nach besser sei, wenn das Khamenei-Regime intakt gelassen würde; macht er es auch noch zu einem Helden des Widerstands gegen die übergriffigen Juden, die nach der Weltherrschaft greifen: Israels Ziel seien letztlich »schwache Nachbarn, die man nach Belieben dominieren kann«.
Und nicht nur das: Der jüdische Staat, so unterstellt es Bernd Dörries, wolle den Krieg als Selbstzweck. »Israel will kein Völkerrecht, es will allein entscheiden, wen es wann bombardiert, es will unterwerfen und demütigen. Es baut Festungen, wird selbst zu einer. Es will die totale Macht.« Hamas, Hisbollah und iranische Raketen auf Israel als »Widerstand«? Die Süddeutsche übernimmt das Selbstbild der Terrororganisationen und des Ayatollah-Regimes.
Israel wehrlos machen
Alles, was Israel gegen seine Feinde unternimmt, dient diesen nur als weitere Munition in ihrem ewigen Feldzug der Dämonisierung und Delegitimierung. Sie wollen, dass Israel aufhört sich zu verteidigen, wollen es wehrlos machen.
Der Wirtschaftslobbyist und Politiker im Bündnis Sahra Wagenknecht, Michael Lüders, hat schon vor Jahren plädiert, der Westen solle mit Diktaturen »Deals« machen, die den Interessen der Tyrannen Rechnung trügen: »Ihr seid okay, wir sind okay. Wir mögen uns vielleicht nicht in ideologischer Hinsicht, aber wir müssen lernen, miteinander auszukommen – wir mit Euch, Ihr mit uns. Jetzt lasst uns einfach Deals machen, lasst uns reden: Wo sind Eure Interessen, wo sind unsere? Dann sehen wir mal weiter.«
Nun tobt auch er, weil Israel etwas unternimmt, um seine geplante Vernichtung aufzuhalten. Im ZDF sagte er: »Man muss es nüchtern betrachten: Was die israelische Seite macht, ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Man kann das nicht als Präventivschlag bezeichnen.«
Auch Lüders sieht den jüdischen Staat auf dem Weg zum Beherrscher der Welt: Israel wolle »freie Hand, um den Nahen Osten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das bedeutet: Vertreibung der Palästinenser, mehrheitlich, und es bedeutet, es gibt keinerlei Gegner und Feinde mehr, die der israelischen Vorherrschaft in der Region gefährlich werden könnten.«
Hier ist die Schnittstelle zum amerikanischen Ku Klux Klan: Dessen Exfunktionär, der Neonazi David Duke, antwortete auf die Frage eines Journalisten, warum er sich einer Anti-Israel-Demonstration anschließe, dies seien die einzigen Kräfte, die »uns vor der jüdischen Vorherrschaft retten«. – Vielleicht können die Süddeutsche Zeitung und das ZDF ihn einmal als Nahostexperten interviewen.