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Das Massaker in Texas und ein Mord in Beirut

Die in den USA so häufigen Massaker wecken beim NBA-Coach Steve Kerr Erinnerungen an die Ermordung seines Vaters durch die Hisbollah. (© imago images/ZUMA Wire)
Die in den USA so häufigen Massaker wecken beim NBA-Coach Steve Kerr Erinnerungen an die Ermordung seines Vaters durch die Hisbollah. (© imago images/ZUMA Wire)

NBA-Coach Steve Kerr sorgte nach dem Massaker in einer Schule in Texas mit einem emotionalen Auftritt für Aufsehen. Sein Vater wurde einst in Beirut von der Hisbollah ermordet.

Unter den vielen öffentlichen Reaktionen auf das schreckliche Massaker in einer Volksschule im texanischen Uvalde am vergangenen Dienstag hat vor allem eine Meldung – auch international – viel Beachtung gefunden. Bei der Pressekonferenz vor einem wichtigen Playoff-Spiel der amerikanischen Profibasketballliga NBA machte Steve Kerr, Chefcoach der Golden State Warriors, seinem Ärger über das erneute Blutbad in den USA Luft.

Trotz des wichtigen bevorstehenden Spiels wollte er bei dem Pressetermin, mit Tränen in den Augen und um Fassung ringend, nicht über Sport sprechen. »Fragen über Basketball zählen nicht«, stellte er fest, um dann mehrfach mit den Händen auf das Pult zu schlagen und wütend Anklage zu erheben:

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»Wann werden wir etwas dagegen unternehmen? Ich habe die Schnauze voll davon, hier aufzutreten und den am Boden zerstörten Familien mein Mitgefühl auszudrücken. Ich habe die Schnauze voll von den Entschuldigungen, den Momenten der Stille. Genug! (…) Ich habe genug, mir reicht’s. Wir werden heute Abend da rausgehen und das Spiel spielen, aber ich will, dass jeder, der hier zuhört, an seine eigenen Kinder oder Enkelkinder denkt, an Mutter, Vater, Schwester, Bruder: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihnen das passieren würde?«

Mitten im arabischen Kalten Krieg

Auch wenn Steve Kerr über die wiederkehrenden Amokläufe in den USA sprach, so hatte sein Ärger sicherlich auch persönliche Gründe: Er weiß genau, wie es ist, von der Ermordung eines engen Verwandten zu erfahren.

Kerr kam am 27. September 1965 in der libanesischen Hauptstadt Beirut auf die Welt. Sein Vater Malcolm Kerr, der selbst schon im Libanon geboren wurde und aufgewachsen war, war ein Universitätsprofessor und Experte für den Nahen Osten und die arabischen Länder. Seine akademische Karriere hatte ihn von seiner Dissertation an der Johns Hopkins University in Washington, D. C., über Kairo zurück in den bereits seit Jahren von einem andauernden Bürgerkrieg zerrütteten Libanon geführt, wo er im Herbst 1982 das Amt des Präsidenten der American University of Beirut übernahm.

Die bekannteste Arbeit von Malcolm Kerr ist das Buch Der arabische Kalte Krieg, eine Erörterung des regionalen Machtkampfes zwischen dem arabischen Nationalismus vom Schlage des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser und den konservativen arabischen Monarchien.

Tod in Beirut

Eineinhalb Jahre nach Kerrs Dienstantritt in Beirut, am 18. Januar 1984, erhielt sein Sohn Steve, der ein Stipendium an der University of Arizona bekommen hatte und für das dortige College-Basketballteam spielte, einen niederschmetternden Anruf: Sein Vater Malcolm war im Gang vor seinem Büro in Beirut von Attentätern mit mehreren Schüssen in Rücken und Kopf niedergestreckt und ermordet worden.

In einem Telefonanruf an das lokale Büro der Nachrichtenagentur Agence France Press bekannte sich ein Mann im Namen des Islamischen Dschihad zu der Tat, einer Vorläuferorganisation der pro-iranischen, schiitischen Terrorgruppe Hisbollah, die schon für die verheerenden Selbstmordattentate auf die Stützpunkte französischer und amerikanischer Truppen in Beirut am 23. Oktober 1983 verantwortlich gewesen war.

Der Ermordete, so teilte der Anrufer mit, sei »ein Opfer der amerikanischen militärischen Anwesenheit in Beirut«. Die Gruppe gelobte, dass »kein einziger Amerikaner oder Franzose in unserem Land bleiben wird«. (The New York Times, 19. Januar 1982)

Mordanschläge und Entführungen standen zu dieser Zeit im Libanon praktisch auf der Tagesordnung. Schon Malcolm Kerrs Vorgänger als Präsident der AUB war einst entführt, aber wieder freigelassen worden.

Basketball als Trauerbewältigung

Steve Kerr sah im Basketball den einzigen Weg, mit dem Verlust umzugehen. Seine Karriere führte ihn vom College in die NBA, wo er als Spieler insgesamt fünf Meistertitel gewinnen konnte. Den wohl bekanntesten Korb seiner Laufbahn erzielte er für die Chicago Bulls in Spiel 6 der Finalserie 1997 gegen die Utah Jazz: Auf einen Pass von Michael Jordan erzielte er die spielentscheidenden zwei Punkte und sicherte den Bulls damit den Meistertitel in dieser Saison.

Nach seiner Spielerkarriere wurde er ein erfolgreicher Trainer, der sein Team, die Golden State Warriors rund um Superstar Stephen Curry, bis dato drei Mal zum Meistertitel führte. Aktuell stehen die Warriors wieder im Finale, ihr Gegner steht noch nicht fest.

Prägende Erinnerung

Für Steve Kerr war die Ermordung seines Vaters selbstverständlich ein prägendes Erlebnis, das ihm immer wieder ins Gedächtnis gerufen wird, wenn in den USA wieder ein Massaker die Schlagzeilen beherrscht.

Nach einem solchen Vorfall 2016 bemerkte er gegenüber einem Journalisten, die Schweigeminute, die im Gedenken an die Opfer abgehalten worden war, sei für ihn »sehr emotional« gewesen. »Ich habe an meinen Vater gedacht«.

»Es ist eine so persönliche Sache, wenn du so etwas selbst durchgemacht hast. Du verstehst, wie sehr sie leiden, genau wie deine Familie es getan hat. Du denkst daran, dass hinter all den Zahlen und Statistiken Namen und Gesichter stehen. Es waren alles Menschen, die wir verloren haben.«

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