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Marokkos widersprüchliche Politik: Beziehungen zu Israel und der Hamas?

Im Dezember normalisierten Israel und Marokko ihre dipolomatischen Beziehungen
Im Dezember normalisierten Israel und Marokko ihre dipolomatischen Beziehungen (Quelle: U.S. Embassy Jerusalem / CC BY 2.0)

Betrachtet man Meldungen über das marokkanisch-israelische Verhältnis aus den letzten Wochen, könnte man erstaunt sein über die scheinbaren jähen Widersprüche.

König von Marokko gratuliert Bennett zur Wahl zum Ministerpräsidenten:

Laut der Website Times of Israel hat der marokkanische König Mohammed VI. dem neuen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett zu dessen Wahl gratuliert. In dem Glückwunschschreiben hieß es, das Königreich werde weiterhin den Frieden in der Region fördern.

In seinem Brief sagte der Monarch, dass Marokko „seine Bemühungen um die Förderung von Frieden, Gerechtigkeit und Koexistenz im Nahen Osten fortsetzen wird, was Sicherheit, Stabilität und Brüderlichkeit für alle miteinander lebenden Völker gewährleisten wird“. In dem Brief wurden zudem „herzliche Grüße und die besten Wünsche für viel Erfolg“ übermittelt.

Als Antwort dankte Bennett dem König für seinen Brief und stellte fest, dass „Israel Marokko als einen wichtigen Freund und Partner bei der Förderung von Frieden und Sicherheit in der Region ansieht.” Laut der Erklärung des Büros des Ministerpräsidenten fügte Bennett hinzu, dass er „an der Stärkung der israelisch-marokkanischen Beziehungen in allen Bereichen arbeiten werde, zum Wohle und Wohlstand beider Völker, deren Freundschaft seit langem besteht“.

Marokkanischer Ministerpräsident gratuliert der Hamas

Unterdessen hat der marokkanische Ministerpräsident Saad-Eddine El Othmani offenbar einen Brief an Hamas-Führer Ismail Haniyeh geschickt, in dem er aus Anlass des „Waffenstillstandsabkommen zwischen den Fraktionen des Widerstands und der zionistischen Entität“ seine „herzlichen Glückwünsche“ zu „dem Sieg des palästinensischen Volkes und dem ausgezeichneten Widerstand“ bekundete.

Marokkanischer Außenminister gibt AIPAC Interview

Ein Mitglied von Othmanis Kabinett, Außenminister Nasser Bourita, gab dem Youtube-Kanal der amerikanischen Pro-Israel-Lobbyorganisation AIPAC Anfang Mai ein Interview. Darin sprach er davon, dass die Juden ein wichtiger Teil der marokkanischen Gesellschaft seien. Die jüdische Gemeinschaft habe auch eine „sehr lange Geschichte“ der Beziehungen zu marokkanischen Monarchen. Diese reiche „bis ins 15. Jahrhundert zurück, als die Juden aus Andalusien vertrieben wurden“, so Bourita.

Die Geschichte der Juden Marokkos sei heute Teil der marokkanischen Schulbücher. Marokko sei „das einzige arabische und islamische Land“, in dem immer noch Juden lebten. Diese Beziehungen seien „einzigartig in der arabischen Welt“.

Über die Beziehungen zum Staat Israel sagte Bourita, diese hätten auf der persönlichen Ebene stets bestanden; nur die „formellen Beziehungen“ seien zeitweise unterbrochen worden. Die Entscheidung von König Mohammed VI., die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen, sei keine „opportunistische“ gewesen, sondern eine aus „Überzeugung“.

Neben den Botschaften, die in Rabat und Tel Aviv eingerichtet worden seien, gebe es „acht Arbeitsgruppen“ beider Länder in den Bereichen „Diplomatie, Sicherheit, Landwirtschaft, Wasser, Tourismus etc.“, wo man sich treffe, „um die Zusammenarbeit zu vertiefen“.

„Wir haben nun also alle Werkzeuge zur Zusammenarbeit, wir haben zudem den politischen Willen“. Er hoffe, dass es schon „sehr bald“ hochrangige gegenseitige Staatsbesuche geben werde. „Der Himmel ist die einzige Grenze.“ Zum „Nutzen beider Völker“ und der „Region“ werde Marokko die Zusammenarbeit mit Israel „so weit wie möglich“ vorantreiben.

Flüge von Tel Aviv nach Marrakesch

Die israelische Fluglinie Israir wird ab Juli regelmäßig von Tel Aviv nach Marrakesch fliegen.

Marokkanische Delegation reist nach Israel

Aus Anlass der Landwirtschaftsmesse Agromashov ist eine marokkanische Delegation Mitte Juni nach Jerusalem gereist.

Hamas reist nach Marokko

Ebenfalls Mitte Juni reiste Hamas-Führer Ismail Haniyeh nach Marokko. Eingeladen habe ihn die regierende islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD), heißt es. Haniyeh soll mehrere Tage bleiben, um Gespräche mit verschiedenen Parteien zu führen.

Der Besuch finde im Rahmen der „Beziehungen zwischen Marokko und Palästina statt“ und „trage zur Unterstützung der palästinensischen Sache bei“, ließ sich Slimane El Amrani, der stellvertretende Generalsekretär der PJD, vernehmen.

Wahlkampfmanöver?

Wie ist diese widersprüchliche Politik – gute, ja: herzliche Beziehungen zur israelischen Regierung und zur Hamas – zu erklären? Den Empfang Haniyehs zeigt laut der Nachrichtenagentur Reuters, dass Marokko die Beziehungen „zu Israel und den Palästinensern“ „ausbalancieren“ wolle und zeigen, „dass Rabat trotz der freundschaftlicheren Beziehungen zu Israel immer noch die palästinensischen Unabhängigkeitshoffnungen unterstützt“.

Das ist möglich. Was diese Einschätzung aber außer Acht lässt, ist, dass alle Freundschaftsbekundungen gegenüber Israel entweder von König Mohammed VI. selbst kommen oder von jemandem, der ihm nahesteht. Das gilt auch für Außenminister Bourita. Bourita ist ein Berufsdiplomat und wurde 2016 vom König nominiert.

Die guten Beziehungen zur Hamas hingegen werden vor allem von der islamistischen PJD gepflegt, die seit 2011 den Ministerpräsidenten stellt. Das letzte Wort in allen politischen Fragen hat in Marokko der König. Würde die PJD das nicht akzeptieren, wäre sie nicht in der Regierung, sondern verboten. Weil sie treu zur Monarchie stehen, werden die Politiker der PJD auch als die „königstreuen Islamisten“ bezeichnet.

Mit der Freundschaft zu Israel und auch mit der Legalisierung des Anbaus von Cannabis für medizinische und bestimmte andere Zwecke hat die PJD ihren Wählern aber einiges zugemutet. Noch im August 2020, nur vier Monate vor der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Israel im Dezember 2020, hatte Ministerpräsident Othmani einen solchen Schritt öffentlich ausgeschlossen. Innerhalb der Partei gab es darum im Dezember Streit.

Nun aber geht es auf die Wahlen zu. Im September werden in Marokko das Nationalparlament, die Regionalparlamente und die Kommunalparlamente neu gewählt. Die Einladung der Hamas nach Marokko konnte nur mit Billigung des Königs erfolgen. Das heißt aber nicht, dass dieser dafür außenpolitische Motive hätte oder gar Sympathien für die Terroristen.

Wahrscheinlicher scheint, dass er der PJD auf diese Weise kurz vor der Wahl erlauben möchte, bei ihren islamistischen Wählern Sympathiepunkte zu sammeln. Denkbar ist es nämlich, dass König Mohammed VI. die PJD in den vergangenen zehn Jahren schätzen gelernt hat und weitere fünf Jahre mit ihr zusammenarbeiten möchte. Denn der Verwirklichung seines außen-, wirtschafts- und innenpolitischen Programms steht sie ja offensichtlich nicht entgegen.

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