Der Bürgermeister von London hat eine eigene Buslinie ins Leben gerufen, um die Sicherheit von Londoner Juden zu verbessern.
Die Busse der neuen Linie 310 verkehren täglich von sieben bis neunzehn Uhr alle zwanzig Minuten zwischen Stamford Hill im nordöstlichen Bezirk Hackney und Golders Green in Barnet im Nordwesten – zwei Orte, in denen viele jüdische Familien leben, wie die britische BBC berichtete. Es handelt sich um ein Testprojekt, das zunächst auf ein Jahr angelegt ist; die Fahrgäste werden ermuntert, Feedback zu geben.
»Dies ist das erste Mal, dass die beiden Gebiete durch eine direkte Buslinie verbunden sind«, meldete das staatliche Unternehmen Transport for London. Sadiq Khan, Londons Bürgermeister, erklärte, zugesagt zu haben, diese Linie einzurichten, sollte er wiedergewählt werden. »Ich freue mich, dieses Versprechen einlösen zu können«, sagte er. Die Linie 310 werde »vielen Anwohnern, insbesondere der jüdischen Gemeinde«, nützen und dazu beitragen, »ein sichereres, gerechteres und grüneres London für alle zu schaffen«.
Die Linie wurde als Reaktion auf den seit Jahren geäußerten Wunsch der jüdischen Gemeinde nach einer Verbindung der beiden Stadtteile eingerichtet, teilte das Büro des Bürgermeisters mit. Sie erspart Fahrgästen, die vom einen zum anderen Ort wollen, das Umsteigen und erhöht so das Sicherheitsgefühl.
Auf seinem X-Account begrüßte das London Jewish Forum den Schritt mit den Worten: »Wir freuen uns, dass nach fünfzehn Jahren Einsatz im Interesse der Gemeinde die Buslinie 310 eröffnet wurde, die eine direkte Verbindung zwischen Golders Green und Stamford Hill bietet. Wir danken Sadiq Khan und TfL [Transport for London, die Verkehrsbehörde der Stadt] für ihr Engagement für die streng orthodoxe jüdische Gemeinde.«
Entgegen einem Missverständnis steht die Benutzung der Linie allen offen und ist keineswegs »nur für Juden«.
Die erklärte Zionistin Eve Barlow äußerte harsche Kritik an der Linie. Auf X schrieb sie: »Während es in Israel keine Apartheid gibt, herrscht in Nordlondon Rassentrennung.« Ihr Frust rührt offenbar daher, dass es überhaupt nötig ist, eine neue Buslinie einzuführen, um die Sicherheit der Juden zu erhöhen. In manchen Leserforen, etwa auf der Website der israelischen Tageszeitung Haaretz, äußerten Leser die nicht aus der Luft gegriffene Sorge, die neue Buslinie könnte zum Ziel von Terroranschlägen werden.
Lange Reihe von Vorfällen
Wie in anderen Staaten mit großen, sichtbaren jüdischen Gemeinden wie etwa Frankreich gibt es auch in Großbritannien immer wieder antisemitische Angriffe im öffentlichen Personennahverkehr.
- Anfang Juli berichtete Mena-Watch-Autor Ben Cohen über einen Überfall auf jüdische Kinder in der U-Bahn-Station Belsize Park: »Nach Angaben der Mutter eines der bedrängten Jungen, gerade elf Jahre alt, ›rannte die Bande vor meinem Sohn her und stieß einen seiner Freunde zu Boden. Sie versuchten, ein anderes Kind auf die Gleise zu schubsen. Sie zerrten ihn bis an die gelbe Sicherheitslinie.‹ Als der Sohn einzugreifen versuchte, um seine Freunde zu schützen, wurde er verfolgt und verlor durch einen Ellbogenschlag ins Gesicht einen Zahn. ›Verschwinde aus der Stadt, Jude!‹, schrie die Bande ihn an.«
Wie der Evening Standard – Londons an U-Bahn-Stationen verteilte kostenlose Tageszeitung – schrieb, denkt die Mutter seither darüber nach, Großbritannien zu verlassen. - 2018 wurden an Londoner Bushaltestellen illegal Plakate geklebt, die wie professionelle, bezahlte Reklame aussahen auf denen »Israel ist ein rassistisches Unternehmen« stand.
- Im November 2021 wurde auf der Oxford Street ein Bus, in dem etwa vierzig jüdische Jugendliche saßen, die anlässlich des Chanukka-Festes unterwegs waren, von einem Mob angegriffen. Eine Gruppe Männer beschimpfte sie, machte obszöne Gesten und warf einen Einkaufskorb auf den Bus.
Nicht minder skandalös war die Berichterstattung der BBC, in der behauptet wurde, dass zuvor aus dem Bus heraus eine »antimuslimische Beleidigung« gemacht worden sei. Wie sich herausstellte, war dies eine Verleumdung; für die Behauptung gab es keinerlei Beleg, auch nicht in einer von der BBC als Quelle angeführten Tonaufnahme. - Im Mai 2023 wurde ein jüdischer Fahrgast in einem Londoner Bus als »verdammter Teufel« beschimpft, wie online veröffentlichte Videoaufnahmen zeigten. Der Täter, der eine lange, gelbe Stange schwenkte, wie sie womöglich Fensterputzer bei ihrer Arbeit nutzen, ist zu sehen, als er in dem Bus Beleidigungen ausstößt und unzusammenhängendes Zeug redet. Unter anderem sagte er: »Da kommst du her, du solltest nicht in Palästina sein, du bist ein verdammter Mörder. Tötest Kinder … Du hast 500 Jahre lang schwarze Menschen versklavt, Du Jude.«
- Sechs Monate später, an einem Tag, als in London eine große Anti-Israel-Demonstration mit Zehntausenden Teilnehmern stattfand, wurde eine junge Frau in einem Bus gefilmt, die zu Fahrgästen sagt: »Seid ihr Juden?« Der Vorfall begann, nachdem die Frau gehört hatte, wie Fahrgäste über die Pommes frites bei McDonald’s sprachen. Sie unterbrach sie mit den Worten: »Nur Juden essen bei McDonald’s.« Anschließend drohte sie mit Gewalt.
Eine Augenzeugin beschrieb den Angriff als »beunruhigend« und »beängstigend«. Gegenüber MailOnline sagte sie: »Es ist im Moment nicht sicher, in London Jude zu sein. Wir erleben alles, wovor man uns als Kinder gewarnt hat. Die Bus- oder Zugfahrt werden immer beängstigender und wir fragen uns, ob wir diesen Ort weiterhin unser Zuhause nennen können. Als Enkelin zweier Holocaust-Überlebender bin ich entsetzt, aber leider nicht völlig überrascht, dass ich mich in meinem Leben damit auseinandersetzen muss. Ich hatte Angst. Diese Strecke fahre ich täglich, und während mein Mann diesmal bei mir war, frage ich mich, wer für mich eintreten würde, wäre ich alleine?« - Antisemitismus geht offenbar auch von einzelnen Busfahrern aus. Im Dezember 2023 berichtete die Londoner Polizei über eine Beschwerde, die sie erhalten hatte. Bei dem Vorfall warteten mehrere jüdische Schüler an der Bushaltestelle Egerton Road in Stamford Hill und signalisierten dem Bus, anzuhalten. Der Fahrer habe zunächst gebremst, sei dann aber weitergefahren, ohne anzuhalten, heißt es in der Beschwerde. Mehrere Fahrgäste sollen »das angebliche Verhalten des Fahrers gefördert, antisemitische Bemerkungen gemacht und ihre Dankbarkeit dafür ausgedrückt« haben, dass der Bus nicht angehalten habe, teilte die Metropolitan Police mit.