Gabriel ist ein guter Wahlkampfstratege – oder, mit einem anderen, weniger schmeichelhaften Wort: ein Populist. Der Eklat wurde von ihm nicht nur in Kauf genommen, sondern war offenbar gewollt. Denn klar ist, dass es ihm Sympathien einbringt, wenn er sich Israel gegenüber als starker Mann inszeniert und dem in Deutschland verhassten Netanyahu die Stirn bietet. Zweifelsohne ist dieses Kalkül aufgegangen: In der Süddeutschen wurde Netanyahu als ‚Wladimir Tayyip Netanyahu‘ verunglimpft, in der Taz das ‚Ende der Leisetreterei‘ bejubelt und in der Spiegel-Morgenlage hieß es, die ‚historisch bedingte Sonderbehandlung Israels‘ stoße an ihre Grenzen. ‚Sonderbehandlung‘ – das war im Nationalsozialismus eine euphemistische Umschreibung für die Ermordung von Juden und anderen. Der Spiegel-Kolumnist und Freitag-Verleger Jakob Augstein schließlich frohlockte, Gabriel habe ‚Tapferkeit vor dem Freund gezeigt‘.
Die linksliberalen Medien feierten ihren Außenminister, der keine Rücksicht mehr auf historischen Ballast nimmt, endlich durchgreift, und den Israelis zeigt, wo der Frosch die Locken hat. Welche Organisationen antisemitisch sind, bestimmt jedenfalls nicht der israelische Ministerpräsident und auch kein Expertenkreis im Bundestag, sondern das bestimmen die Deutschen – vertreten durch ihren Außenminister. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau schrieb Gabriel nach der Reise: ‚Es ist an der Zeit, dass sich die Europäer – und die Deutschen – Israel und Palästina heute wieder verstärkt widmen.‘ Die Israelis dürften das vollkommen zu Recht als Drohung begreifen.“ (Alexander Nabert: „Populismus gegen Israel“)