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Liefern in Israel bald Drohnen Bier und Sushi?

Testlauf für das israelische Lieferdrohnenprojekt
Testlauf für das israelische Lieferdrohnenprojekt (© Imago Images / ZUMA Wire)

In Israel hat ein Projekt begonnen, mit dem der gleichzeitige Einsatz von autonom fliegenden Drohnen zur Auslieferung von Dingen wie Lebensmitteln, zubereiteten Speisen oder Medikamenten erprobt wird.

Wie die Jerusalem Post berichtet, will Israels Nationale Drohneninitiative herausfinden, ob ein zentral koordiniertes Netzwerk einen praktikablen neuen Transportmodus schaffen kann, bei dem Hunderte von selbstgesteuerten Drohnen, die gleichzeitig im ganzen Land Lieferungen durchführen, von einer zentralen Instanz überwacht werden.

„Wie eine Flugsicherungszentrale an einem Flughafen würde das zentrale Kontrollzentrum der Drohneninitiative den Aufenthaltsort jeder autorisierten Drohne in der Umgebung verwalten und überwachen, den Verkehr lenken, Drohnenrouten priorisieren und bei Bedarf den Luftraum räumen“, so die Zeitung. Ziel sei es, eine Umgebung zu schaffen, in der Drohnen eingesetzt werden, um alles Mögliche zu liefern, „von medizinischer Notfallausrüstung und Militärausrüstung bis hin zu Pizza und Eis“.

Die Koordination großer Flotten von Drohnen, die ohne menschliches Eingreifen von Technologie gesteuert werden, ist eine große Herausforderung. Doch der Luftraum sei verfügbar, die Technologie ausgereift und die Regulierungsbehörden bereit, die erforderlichen Änderungen vorzunehmen, sagte Daniella Partem, die das Projekt leitet.

Joint-Venture

Die Nationale Drohneninitiative ist ein im letzten Jahr gegründetes Joint-Venture der israelischen Innovationsbehörde, des Verkehrsministeriums, der Zivilluftfahrtbehörde und der Behörde für intelligenten Transport.

Innerhalb von zwei Jahren, so die Jerusalem Post, werde das Projektteam „eine Reihe von acht immer komplexer werdenden technologischen Missionen durchführen.“ Ziel sei es, „ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit, Wettbewerb und Regulierung herzustellen, um die Zukunft zu gestalten“, sagte Partem.

„Sicherheit, weil alle besorgt sind über die Gefahren von 25 Kilogramm schweren Drohnen, die über uns herumfliegen. Wettbewerb, weil wir glauben, dass wir ein wirtschaftlich tragfähiges, wettbewerbsfähiges Ökosystem brauchen, wenn dies ein Service für alle Menschen sein soll. Und Regulierung, denn all dies erfordert die Schaffung des richtigen regulatorischen Umfelds.“

Der jüngste Probebetrieb dauerte zehn Tage und fand über Wohngebieten in Tel Aviv-Jaffa, Ramat Hasharon, Herzliya und Hadera statt. Nachdem die vorherige Mission im Juni auf Flüge über der nordisraelischen Stadt Hadera (95.000 Einwohner) beschränkt war, standen nun erstmals Flüge über der bevölkerungsreicheren Zentralregion Israels auf dem Programm.

Anwohner erhielten eine Telefonnummer für Beschwerden, etwa für den Fall, dass sie sich von dem Lärm der Drohnen gestört fühlen. Es wurden etwa 300 Flüge pro Tag durchgeführt, bei denen verschiedene Aufgaben auf den vom gemeinsamen Kontrollsystem zugewiesenen Flugwegen ausgeführt wurden.

In Afrika und Australien sind Transportdrohnen bereits im Einsatz

Wie realistisch ist es, dass ein solches Projekt in absehbarer Zeit vom Probe- in den Regelbetrieb übergehen kann – und wird Europa folgen? Mena-Watch fragte dazu Igor Tchouchenkov, Leiter der Forschungsgruppe Verteilte Systeme am Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB).

Drohnenlieferungen hätten viele Vorteile, schreibt Tchouchenkov in einer E-Mail. So sei vielerorts eine schnelle Lieferung möglich – z.B. auch auf Wohnungsbalkone. Der Transport sei kostengünstig, sogar im Vergleich zu den von Lieferdiensten gezahlten Niedriglöhnen. Straßen würden nicht benötigt, was vor allem dort wichtig sei, wo es keine Straßen gebe oder sie überfüllt seien. Zudem sei der Transport weitgehend kontaktlos, was etwa im Hinblick auf COVID-19 ein wichtiger Aspekt sei.

Allerdings gebe es auch Probleme, so der Ingenieur. Drohnen seien witterungsabhängig. Nicht nur Regen oder Schnee seien ein Problem; ein Windstoß mit 50 km/h in der Nähe eines Gebäudes könne für eine kleine Drohne „fatale Folgen haben“, eine Gefahr, die durch großflächige Ladung aufgrund der Segeleffekte bei Wind erheblich wachse.

Die Kapazität von Drohnen sei begrenzt, was das Gewicht der Ladung betreffe. Eine vollautomatische Lieferung bis direkt zum Kunden sei auch nicht überall möglich, etwa nicht bei Hochhäusern, die keine Balkone haben. Die Zuverlässigkeit – etwa der Schutz vor Absturz, Hacking oder Diebstahl – sei schwer zu gewährleisten. Die Luftverkehrsregelung sei insbesondere in Ballungsräumen und bei Masseneinsatz schwierig.

Auch Zusammenstoße seien möglich, selbst bei Passagierflugzeugen komme das ja trotz des hohen Aufwands für Luftverkehrsregelung manchmal vor. Auch gebe es in Teilen der Bevölkerung Vorbehalte gegenüber Drohnen. „Last but not least“ seien da gesetzliche Beschränkungen, die einem großflächigen Drohneneinsatz zu Transportzwecken entgegenstehen könnten.

Am weitesten auf diesem Gebiet ist Australien, erklärt Tchouchenkov. Dort seien schon jetzt drohnengestütze Lieferdienste im kommerziellen Einsatz. Als weitere Beispiele für Länder, in denen Transportdrohnen bereits regulär eingesetzt werden, nennt Tchouchenkov Ruanda, Ghana und Tansania. Dort werden die Drohnen benutzt, um bei medizinischen Notfällen schnell Arzneimittel oder Blutplasma zu transportieren.

Testlauf am Strand

Bei dem Testprojekt in Israel, so Tchouchenkov, seien die Drohnen auf einem wenig frequentierten Strandabschnitt gelandet, der sich dafür sehr gut eigne. „In Deutschland gibt bzw. gab es mehrere Vorhaben in diese Richtung wie z.B. den Dönercopter in Freiburg. Die Projekte haben meines Wissens nicht zu regulären Einsätzen geführt“, erläutert der Ingenieur.

Natürlich starteten fast alle neuen Technologien klein, hätten mit vielen Problemen zu kämpfen und müssten „oft einen langen und steinigen Weg zum Erfolg gehen“, fügt er hinzu. „In diesem Sinne sollten Bemühungen zur Etablierung von Drohnenlieferungen begrüßt und gefördert werden – auch in Deutschland.“  Tchouchenkov betont, dass er legale Drohnenlieferungen meint. Illegale, wie etwa „Drogenlieferungen in eine JVA, über Landesgrenzen etc.“ seien leider schon jetzt „weit verbreitet“.

Irgendwann werde kommerzielle Drohnenlieferung auch in Deutschland üblich werden, glaubt er. „Einen Zeithorizont kann ich aber nicht benennen, weil zu viele Faktoren – nicht nur technische – dies beeinflussen. Zuerst kommt es vermutlich in ländliche Gebiete und auch dorthin, wohin eine Lieferung relativ sicher möglich ist – z.B. offene Grundstücke oder Flachdächer in Industriegebieten und Krankenhäusern. Mit der Weiterentwicklung der Drohnentechnik werden auch weitere Anwendungen möglich, d.h. vor allem sicher und rentabel genug.“

Innerhalb von großen Hallen könnten Drohnenlieferungen schon jetzt relativ problemlos getätigt werden: „Da gibt es in der Regel keinen Wind, keinen Regen und man kann sichere – z.B. abgeschottete – Flugwege schaffen.“

Die Fraunhofer-Gesellschaft „arbeite aktiv daran, die Situation mit Drohnenlieferungen zu verbessern“, so Tchouchenkov. „Es geht dabei sowohl um größere Drohnen, bei welchen viele der oben genannten Probleme nicht sehr akut sind, als auch um kleinere Drohnen für Indoor und Outdoor Logistik.“

Bei dem Testlauf in Israel waren es Journalisten, die in den Genuss der gelieferten Waren kamen. Nachdem sie mithilfe einer Smartphone-App ihre Bestellungen getätigt hatten, wurde ihnen Sushi, Bier und Eiskreme über eine Distanz von fünf Kilometern an den Strand geliefert, wo sie warteten, berichtet Times of Israel.

Einige Strandspaziergänger seien sehr verwundert gewesen. Einer von ihnen machte Fotos und Videos. Gegenüber dem Reporter von Times of Israel sagte er: „Das ist wirklich bemerkenswert. Die Welt hat sich so verändert. Ich werde jetzt älter, ich bin traurig, dass ich nicht mehr lange da sein werde, um zu sehen, was die Zukunft noch bereithält.“

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