Libanons Präsident fordert ein Ende des Regierungsstillstandes

Libanon 2016: Anhänger von Aoun feiern mit Hisbollah-Fahnen seinen Wahl zum Präsidenten
Libanon 2016: Anhänger von Aoun feiern mit FPM- und Hisbollah-Fahnen seine Wahl zum Präsidenten (© Imago Images / ZUMA Wire)

Michel Aoun macht in einer Rede implizit die mit ihm verbündete Hisbollah für den Stillstand verantwortlich, scheint aber am Bündnis mit ihr festhalten zu wollen.

Soraya Ibrahimi, The National

Der libanesische Präsident Michel Aoun forderte am Montag ein Ende des seit elf Wochen andauernden Stillstands, der die Einberufung der Regierung verhindert und die staatlichen Institutionen des Landes weiter unterminiert, während die Wirtschaftskrise weiter andauert.

Aoun machte implizit seinen mächtigen Verbündeten Hisbollah dafür verantwortlich, dass die Regierung nicht zusammentreten konnte, nannte den Namen der militanten Gruppe und der politischen Partei aber nicht explizit.

In einer im Fernsehen übertragenen Rede zählte er auch andere Hindernisse auf, die notwendige Gesetze und Reformen zum Scheitern gebracht hätten, und kritisierte seinen langjährigen Rivalen, den Parlamentssprecher Nabih Berri, ohne jedoch auch ihn zu nennen.

Die Regierung von Premierminister Najib Mikati konnte seit dem 12. Oktober nicht mehr zusammentreten, nachdem die Hisbollah und ihre Verbündeten die Absetzung des leitenden Richters gefordert hatten, der die gewaltige Explosion im Beiruter Hafen im vergangenen Jahr untersucht, bei der mindestens 216 Menschen starben.

Die Hisbollah beschuldigt den Richter Tarek Bitar der Voreingenommenheit und ihre Verbündeten weigerten sich, an Kabinettssitzungen teilzunehmen, bis die Regierung einen Weg gefunden hat, ihn zu entlassen.

Aoun sagte, er sei zu Unrecht kritisiert und seine Autorität untergraben worden, obwohl er das Kabinett nicht zur Einberufung zwingen könne. „Die Lähmung der staatlichen Institutionen ist zum Standard geworden, und das Ergebnis ist die Zerstörung des Staates.“ (…) Aoun sagte, die Regierung müsse so bald wie möglich zusammenkommen, um die noch offenen Probleme zu lösen.

Premier Mikati trat sein Amt im September an, nachdem die Machtverhältnisse in der Regierung während der Krise festgefahren waren. So war die politische Klasse war etwa in Bezug auf Reformpläne, Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds und regionale Beziehungen gespalten.

Aoun, der Lieblingskandidat der Hisbollah, wurde 2016 zum Präsidenten gewählt und besetzte damit ein Amt, das davor mehr als zwei Jahren unbesetzt war. Sein Bündnis mit der Hisbollah wurde 2006 nach seiner Rückkehr aus dem 15-jährigen Exil nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs besiegelt.

Seit seinem Amtsantritt wird das Bündnis jedoch immer wieder auf die Probe gestellt, da Aoun eine beispiellose Wirtschaftskrise bewältigen und sich mit der konfessionell gespaltenen Politik des Libanon auseinandersetzen muss. Am Montag brachte er seine Frustration über den mächtigen Verbündeten zum Ausdruck, der der Grund für die Spannungen mit den Golfstaaten ist.

Saudi-Arabien, gefolgt von anderen Golfstaaten, boykottiert den Libanon seit Oktober wegen abfälligen Äußerungen von George Kordahi, dem damaligen Informationsminister, der mit der Hisbollah verbündet ist. (…)

Aoun, ein ehemaliger Armeegeneral, hütete sich jedoch, die Hisbollah öffentlich zu verurteilen, was darauf hindeuten könnte, dass das Bündnis Bestand hat. Aoun befindet sich im letzten Jahr seiner sechsjährigen Amtszeit.

Der Libanon befindet sich in einer Wirtschaftskrise, die als eine der schlimmsten der Welt in den letzten 150 Jahren beschrieben wird. Die internationalen Finanzinstitutionen sprechen von einer hausgemachten Krise und beschuldigen die politische Elite, die Ressourcen des Landes falsch zu verwalten.

(Aus dem Artikel Lebanon’s president calls for end to government paralysis”, der bei The National erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!