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Der Libanon und das Dilemma der Hisbollah-Entwaffnung

Die Hisbollah im Libanon mag geschwächt sein, geschlagen ist sie noch nicht
Die Hisbollah im Libanon mag geschwächt sein, geschlagen ist sie noch nicht (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Es mehren sich Berichte über die Schwäche der Hisbollah und den Niedergang ihres Einflusses auf die libanesische Politik. Hat Beirut eine Chance, die Miliz vollständig zu entwaffnen?

Jüngsten Berichten des Wall Street Journal (WSJ) zufolge hat die libanesische Armee einen Großteil der Waffen der Hisbollah im Südlibanon entschärft. Die Zeitung zitierte amerikanische und israelische Regierungsvertreter, die sich »überrascht über die Fortschritte der libanesischen Armee bei der Entwaffnung der Hisbollah« zeigten und hinzufügten, dass diese bemerkenswerten Erfolge mit »teilweiser Unterstützung« des israelischen Geheimdienstes erzielt worden seien.

Das WSJ zitierte auch eine Erklärung des libanesischen Premierministers Nawaf Salam, laut der die Regierung »etwa achtzig Prozent ihrer Ziele« bei der Entwaffnung des Südens erreicht habe, und betonte, dass »der Staat das Waffenmonopol im gesamten Libanon innehaben muss«. Salam fügte hinzu, die Regierung wolle »das Land nicht in einen Bürgerkrieg stürzen, sondern ist entschlossen, die Autorität des Staates auszubauen und zu stärken«.

Darüber hinaus zitierte das WSJ libanesische Beamte, die erklärten, die Hisbollah sei »gezwungen worden, die Sicherheitskontrolle am Flughafen von Beirut und in weiteren Gebieten aufzugeben«.

Das Ende letzten Jahres geschlossene Waffenstillstandsabkommen zwischen dem Libanon und Israel sieht den Rückzug der Hisbollah hinter den etwa dreißig Kilometer nördlich der Grenze gelegenen Litani-Flusses und die Stationierung der libanesischen Armee in Gebieten südlich des Litani vor, darunter 33 Grenzposten zu Israel. Auch die Demontage ungenehmigter militärischer Einrichtungen, die an der Waffenherstellung im Libanon beteiligt waren, sowie die Beschlagnahmung aller illegalen Waffen sind in dem Abkommen festgehalten.

Währenddessen zitierte der saudische Sender al-Hadath am Freitag Quellen aus dem Umfeld der Hisbollah, laut denen »der Großteil des militärischen Arsenals der Partei zerstört wurde und Israel während des Krieges die Luft- und Seeverteidigungssysteme der Partei außer Gefecht gesetzt hat«. Angeblich wurden zwischen sechzig und siebzig Prozent des Personals der Drohneneinheit getötet; weiters verfüge die Partei derzeit nur noch über leichte Waffen.

Geht es nach den Quellen, seien »die Waffen mit einer Reichweite zwischen vier und zehn Kilometern nach dem Rückzug nördlich des Litani-Flusses wertlos geworden«. Während die Hisbollah ihre leichte Waffen behalten wolle, um ihre innenpolitische Präsenz zu schützen, sei die Terrorgruppe zu einer umfassenden Vereinbarung mit Israel bereit, sollte sie Garantien erhalten.

Vollständige Entwaffnung?

Die Forscherin Randa Slim vom Johns Hopkins Institute auf die Frage, ob die libanesische Regierung die Hisbollah angesichts ihrer derzeitigen Schwäche vollständig entwaffnen werde können: »Solange die Hisbollah nicht bereit ist, freiwillig ihre Waffen abzugeben, sehe ich kein Szenario, in dem die libanesische Regierung sie gewaltsam entwaffnen könnte.« Daher sollte jede Weigerung der Partei politisch kostspielig gemacht werden, »indem der Wiederaufbau der mehrheitlich schiitischen Gebiete an die Entwaffnung geknüpft wird«.

Darüber hinaus schloss der libanesische Politologe Radwan Akil die Möglichkeit aus, dass Präsident Joseph Aoun oder Premierminister Nawaf Salam einen Schritt unternehmen würden, der die Armee in eine militärische Konfrontation mit der Hisbollah ziehen würde. Akil erklärte gegenüber der Deutschen Welle, dass angesichts dessen »die Zeit weder für die Hisbollah noch für die libanesische Seite spricht«, da der internationale Trend klar und eindeutig sei, dem Libanon keine finanzielle Hilfe für den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu gewähren, solange die Frage der Waffen der Hisbollah nicht geklärt sei.

Die Frage des Wiederaufbaus stelle einen enormen Druckfaktor für die Hisbollah und ihr Umfeld dar und könnte die Partei zu Zugeständnissen zwingen. Angesichts ihrer ideologischen und intellektuellen Prägung werde es für die Partei jedoch nicht leicht sein, ihre Waffen aufzugeben »und sie wird sich im erwarteten nationalen Dialog so weit wie möglich bemühen, ihren Standpunkt darzulegen, dass diese Waffen zum Nutzen aller eingesetzt werden können«.

Der libanesische Politikberater Marwan Harb erklärte gegenüber Independent Arabia, der Staat müsse direkte Verhandlungen mit der Hisbollah aufnehmen, um sie zu bewegen, ihre militärischen Pläne aufzugeben, »und zwar unter internen Bedingungen, die dazu beitragen, den externen Druck zu bewältigen, den die Partei nicht ignorieren kann«. Selbst, käme es zu einem größeren Armeeeinsatz, werde das nicht ausreichen, die Sicherheitsstruktur der Hisbollah vollständig zu zerschlagen, wenn dieser nicht von einem politischen Dialog und einem klaren Wirtschaftsplan begleitet wird. Ohne einen solchen Prozess »wird die Armee einem Druck ausgesetzt sein, der ihre Fähigkeiten übersteigt, sei es intern aufgrund sicherheitspolitischer und politischer Herausforderungen oder regional aufgrund eskalierender Spannungen in der Region«.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der libanesische Staat keine militärische oder sicherheitspolitische Lösung für die Waffen der Hisbollah anstreben wird, da dies angesichts der komplexen demografischen Zusammensetzung des Landes zu inneren Unruhen führen könnte. Es gibt jedoch einen alternativen Weg, um die militärische Macht der Terrorgruppe weiter einzuschränken, der auf einem internen Dialog und dem Einsatz von Druck von außen basiert, um die Führung der Hisbollah unter Druck zu setzen.

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