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Libanesisches Parlament scheitert bei Wahl eines neuen Staatspräsidenten

Das libanesische Parlament in Beirut
Das libanesische Parlament in Beirut (© Imago Images / Image Source)

Sollte sich das Parlament bis zum 31. Oktober nicht auf ein neuen Präsidenten einigen können, hätte der Libanon weder eine voll handlungsfähige Regierung noch ein Staatsoberhaupt.

Das libanesische Parlament ist am Donnerstag daran gescheitert, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen, das Präsident Michel Aoun nach Ablauf seiner Amtszeit am 31. Oktober ablösen soll, womit wahrscheinlich wird, dass der Posten ausgerechnet zu einer Zeit unbesetzt bleiben könnte, in der das Land mit einer gravierenden Finanzkrise zu kämpfen hat.

Der schiitische Parlamentssprecher Nabih Berri sagte, er werde erst dann eine neue Sitzung einberufen, wenn er das Gefühl habe, dass es einen Konsens über einen Kandidaten für das Amt gebe, das im konfessionellen System des Libanon einem maronitischen Christen vorbehalten ist. Die Wahlregeln sollen garantieren, dass keine Partei ihre Wahl im Alleingang durchsetzen kann, weswegen ein Zweidrittel-Quorum im politisch zersplitterten Parlament erforderlich ist.

Seit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 war das Präsidentenamt bereits mehrmals vakant. In Erwartung eines sich einstellenden Machtvakuums haben die Politiker ihre Bemühungen verstärkt, sich auf ein neues Kabinett unter der Leitung des als Verwalter fungierenden sunnitisch-muslimischen Premierministers Najib Mikati zu einigen, auf den die Befugnisse des Präsidenten übergehen könnten.

Die mächtige, vom Iran unterstützte schiitische Hisbollah stimmte bei der Präsidentenwahl ebenso ungültig wie ihre Verbündeten, die schiitische Amal-Bewegung und Aouns Freie Patriotische Bewegung, die zusammen insgesamt 63 der 122 anwesenden Abgeordneten stellten. »Das Land befindet sich in einer tiefen und schweren Krise, die eine Einigung auf einen Konsenskandidaten erfordert und nicht auf einen Präsidenten der Konfrontation«, sagte der Hisbollah-Abgeordnete Ibrahim Moussawi.

Der Einfluss der Hisbollah auf das Parlament hat abgenommen, seit die Gruppe und ihre Verbündeten bei den Wahlen im Mai ihre Mehrheit verloren haben, was zu einer noch größeren Zersplitterung des Parlaments führte.

Der zur Präsidentenwahl antretende Hisbollah-Gegner Michel Moawad, dessen Vater Rene 1989 nur achtzehn Tage nach seinem Amtsantritt ermordet worden war, wurde von 36 Abgeordneten unterstützt, darunter auch von den mit den Saudis verbündeten Libanesischen Kräften (LF). Die wichtigen maronitischen Kräfte im Libanon sind tief gespalten. Während der LF-Führer Samir Geagea der Hisbollah feindlich gegenübersteht, ist der Führer der Marada-Bewegung, Suleiman Frangieh, ein Verbündeter der schiitischen Terrorgruppe, sodass Analysten gegenwärtig auch keine Möglichkeit auf einen Kompromisskandidaten sehen.

Ein Vakuum im Präsidentenamt könnte die Entscheidungsfindung der Regierung weiter erschweren, während der Libanon ins vierte Jahr seiner schweren Finanzkrise schlittert, gegen den die politischen Entscheidungsträger wenig oder nichts unternehmen konnten. Dem Land könnte die schlimmste Krise seit dem Bürgerkrieg 1975 bis 1990 bevorstehen, denn sollte sich das Parlament bis zum 31. Oktober nicht auf ein neues Kabinett einigen können, hätte der Libanon weder eine voll handlungsfähige Regierung noch einen Präsidenten.

Bereits ab 2014 war das Präsidentenamt für 29 Monate lang unbesetzt, bevor Aoun 2016 dank einem Bündnis mit der Hisbollah und einer Vereinbarung mit Saad al-Hariri, der dadurch Premierminister wurde, gewählt werden konnte. Im Jahr 2008 wurde ein sechsmonatiges Präsidentschaftsvakuum durch eine damals von Katar vermittelte und von anderen Regionalmächten unterstützte Einigung beendet.

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