Der ehemalige israelische Premierminister Lapid stellt klar: Terrorgruppen und deren staatliche Unterstützer haben kein Recht, andere Länder anzugreifen.
Wenn etwas die Debatten in Politik und Medien in den vergangenen zehn Monaten gekennzeichnet hat, so ist das ein weitgehender Verlust politischer und moralischer Maßstäbe, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Der Staat Israel, der auf den mörderischsten Terroranschlag in seiner Geschichte reagieren musste, und die Terrororganisation Hamas, die für das Blutvergießen verantwortlich ist, werden vielfach behandelt, als handle es sich bei ihnen um gleichberechtige Akteure, oder, noch schlimmer, Israel wird als Paria-Staat verurteilt, während die Hamas und deren Verantwortung in der Betrachtung völlig außen vor bleiben.
Dieses Phänomen kommt auch im Norden Israels zum Vorschein, der seit dem 7. Oktober 2023 von Tausenden Raketen der Hisbollah angegriffen wird, ohne dass dies international nennenswerte Reaktionen, ganz zu schweigen von klaren Verurteilungen, ausgelöst hätte. Unausgesprochen wird vielfach so getan, als hätte die vom iranischen Regime protegierte Hisbollah ein wie auch immer geartetes »Recht«, Israel zu beschießen, während der jüdische Staat das einfach hinnehmen müsse und jedenfalls nicht militärisch darauf reagieren dürfe, weil er damit einen »Flächenbrand« riskiere.
Oder als hätte die Mullah-Diktatur ein »Recht« drauf, Israel massiv anzugreifen, nachdem sie peinlicherweise nicht in der Lage war, das Leben des Terror-Führers Ismail Haniyeh zu beschützen, dem es in seiner Hauptstadt Teheran einen freundlichen Empfang bereitet hatte.
Terroristen genießen keine Immunität
In der Times of Israel nahm vor einigen Tagen der ehemalige israelische Premierminister Yair Lapid zu diesen zutiefst unmoralischen Sichtweisen Stellung:
»Als die Vereinigten Staaten Osama bin Laden ausschalteten, dachte niemand, dass dies einen Al-Qaida-Angriff auf Washington oder New York rechtfertigen würde. Als [ISIS-Führer] al-Baghdadi in Syrien getötet wurde, erwartete niemand, dass die USA die unvermeidliche Rache von ISIS gelassen hinnehmen würden. Terroristen gedeihen, weil sie sich nicht an die Regeln halten, doch heute tut die Welt so, als ob ihre Regeln vernünftig wären. (…) Selbst gegenüber den abscheulichsten Mördern der Welt gibt es kein richtig und falsch mehr. Diejenigen, die Terroristen töten, müssen bedenken, dass deren Gefühle verletzt worden sein könnten und wir keine andere Wahl haben, als ihre Rache zu akzeptieren.«
Aber Terroristen, strich Lapid hervor, genießen keine Immunität und haben kein Recht, gegen Staaten loszuschlagen, die sich gegen sie zur Wehr setzen:
»Sie handeln nicht im Rahmen des Gesetzes. Sie leben und operieren außerhalb der Regeln, und wir sind berechtigt, sie dafür bezahlen zu lassen. Hisbollah und Hamas zielen auf unschuldige Zivilisten, verstecken sich hinter unschuldigen Zivilisten und schießen wahllos auf unsere unschuldigen Zivilisten.«
Und das gelte auch für das iranische Regime, den Patron etlicher Terrorgruppen:
»Trotz seiner Versuche, sich als normaler Staat darzustellen, ist und bleibt der Iran der größte staatliche Sponsor des Terrorismus in der Welt. Die Welt muss den Iranern sagen, dass sie Terroristen nicht bei sich zu Hause aufnehmen sollten, wenn sie nicht wollen, dass sie in Teheran getötet werden.«
Keine Beschränkung auf Nahen Osten
Nach welcher Moral, fragte Lapid, müsse Israel den Raketenregen der Hisbollah oder einen massiven Angriff des iranischen Regimes einfach akzeptieren?
»Dieses Narrativ ist ungeheuerlich. Es setzt die legitimen Verteidigungsmaßnahmen eines gesetzestreuen Staates mit den offenkundig illegalen Aktionen terroristischer Organisationen [und deren Förderer] gleich.«
Die Staaten der sogenannten internationale Gemeinschaft müssten sich im Klaren sein, dass die perversen Maßstäbe, die sie an Israel anlegen, früher oder später auch auf sie zurückschlagen werden:
»Wenn sich dieses Narrativ durchsetzt, wird es sich auf jedes Land auswirken, das versucht, den Terrorismus zu bekämpfen. Es ist an der Zeit, dem ein Ende zu setzen und einen klaren moralischen Standpunkt einzunehmen: Der Iran, die Hisbollah und die Hamas können Israel (oder New York, die Londoner U-Bahn oder Pariser Musikclubs) nicht angreifen, und es kann keine Rechtfertigung dafür geben. Sollten sie sich dennoch zu einem Angriff entschließen, sollte der Westen hinter Israels Reaktion stehen, weil es das moralisch Richtige ist und ein im Nahen Osten geschaffener Präzedenzfall niemals im Nahen Osten bleibt.«