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Konsequent einseitig: Die CNN-Untersuchung zum Tod einer Journalistin

Die CNN-Untersuchung zum Tod von Shireen Abu Akleeh hat mit objektivem Journalismus wenig zu tun. (© imago imags/Hans Lucas)
Die CNN-Untersuchung zum Tod von Shireen Abu Akleeh hat mit objektivem Journalismus wenig zu tun. (© imago imags/Hans Lucas)

Der Nachrichtensender CNN glaubt genau zu wissen, wer am Tod einer Journalistin in Jenin schuld ist. Mit einer objektiven Untersuchung hat das jedoch nichts zu tun.

Am frühen Morgen des 11. Mai wurde die Al Jazeera-Reporterin Shireen Abu Akleeh während eines bewaffneten Zusammenstoßes zwischen der israelischen Armee und militanten Palästinensern von einer Kugel tödlich getroffen. Mehr als zwei Wochen später sind die genauen Umstände ihres Todes noch immer ungeklärt. Das liegt vor allem daran, dass die palästinensische Führung den Kernbeweis, nämlich die Kugel selbst, die aus dem Kopf der Journalistin herausoperiert wurde, nicht freigeben will – weder an die Israelis noch an unabhängige Experten. Trotzdem sieht sich der Nachrichtensender CNN, der stets deklariert, er hätte sich unerschrocken und bedingungslos der Wahrheit verschrieben, zu einer perfiden Anschuldigung bemüßigt: Israelische Soldaten, so ließ er vergangenen Dienstag verkünden, hätten die Reporterin nicht nur umgebracht, sie hätten dabei auch vorsätzlich gehandelt.

Haben die Palästinenser etwas zu verbergen?

Kurz nach dem unglücklichen Zwischenfall gab es von der Führung der israelischen Militärstreitkräfte (IDF) anstelle unbegründeter Schuldzuweisungen klare, offene Worte. Man sei betroffen über den Tod der Journalistin und bedauere ihn sehr. Der Schuss, so wurde eingeräumt, hätte sowohl von palästinensischer als auch von israelischer Seite kommen können. Um sich Klarheit zu verschaffen, würde man die palästinensische Führung zu einer gemeinsamen Ermittlung auffordern, gegebenenfalls unter Beisein internationaler Zeugen. Die palästinensische Regierung wies die Forderung aber umgehend zurück und verweigert bis heute die Herausgabe der tödlichen Kugel. Neutrale Beobachter fragen sich nun, ob die Palästinenser möglicherweise hier etwas zu verbergen haben.

CNN lanciert eigene Ermittlungen

Der Nachrichtensender CNN fragt sich das nicht. Ob er wohl weniger neutral ist? Jedenfalls lancierte er alsbald eine eigene Recherche und ließ in blumig-sentimentaler Sprache über sensationsträchtige Erkenntnisse berichten. An einem friedlichen Morgen unter dem blauen Sonnenhimmel Jenins sei die nichtsahnende Shireen Abu Akleeh, die zudem klar mit kugelsicherer Weste und Helm als Reporterin zu erkennen war, von israelischen Scharfschützen vorsätzlich getötet worden, so resümieren die CNN-Ermittler.

Dass der Schuss gezielt abgegeben worden war, sei aus mehreren Indizien zu erkennen, etwa dem Augenzeugenbericht der Akleeh-Kollegin Shatha Hanaysha; der Distanz, die die Kugel laut ihrem Begleitgeräusch durchquert haben muss und auf ein israelisches Militärfahrzeug als Ursprungsort des Geschosses hindeute, und schließlich die drei Einschusslöcher auf dem Baum, neben dem Akleeh getroffen wurde.

Einseitige Befragung, schlampige Recherche

An der CNN-Recherche mutet vieles merkwürdig an. Die hauptbefragte Augenzeugin Shatha Hanaysha beispielsweise ist, genau wie Shireen Abu Akleeh, Palästinenserin und berichtet für Al Jazeera. Ihre Sichtweise kann man kaum als objektiv ansehen. Ähnlich voreingenommen sind wohl auch die weiteren Augenzeugen, auf die sich CNN beruft und die allesamt Bewohner von Jenin sind. Die unterschwellige Beschreibung Jenins als idyllisches Städtchen, in dem sich junge Männer morgens um 6 Uhr 30 zu einem freundlichen Plausch an der Straßenecke treffen, ist gleichermaßen irreführend. Wäre das der Fall, so würden sich die Al Jazeera-Reporter wohl nicht so sehr für den Schauplatz interessieren. Zudem hätten sie sich, so sie den Ort trotzdem besuchten, an den warmen Vorsommertagen wahrscheinlich nicht mit schweren, kugelsicheren Westen bekleidet.

Kaum ein Wort verlieren die CNN-Ermittler über den Grund, weshalb es überhaupt zu den Zusammenstößen in Jenin gekommen ist. In der Stadt im Westjordanland haben sich in den letzten Jahren die Hamas und der islamische Jihad breit gemacht und die Bevölkerung gehörig gegen Israel aufgewiegelt. Tatsächlich wurde die Mehrzahl der jüngsten Terroranschläge in Israel von Bewohnern von Jenin verübt. Die IDF führen nun nächtliche Razzien durch, um weitere Attacken zu vereiteln.

Eine besonders empfindliche Schwachstelle der CNN-Ermittlungen ist aber ihre völlige Einseitigkeit. Kein einziger Israeli kommt hier zur Sprache. Keiner erklärt die israelische Perspektive. Keiner äußert den geringsten Zweifel an den subjektiven Aussagen der befragten Palästinenser. Ihre Worte werden als Fakten gehandelt.

Ungeheuerliche, unbegründete Anschuldigung

All das verblasst allerdings gegenüber der ungeheuerlichen und unbegründeten Anschuldigung, die IDF hätten Akleeh vorsätzlich erschossen. Für diesen Vorwurf gibt es keinerlei Beweis, keinen logischen Grund, kein Motiv. Von palästinensischer Seite wird suggeriert, Israel wolle dergestalt die Dokumentation der kriegerischen Aktivitäten verhindern. Allein, wenn in Jenin alles so friedlich war, wie CNN es darstellt, dann hätte es ja ohnehin nichts zu dokumentieren gegeben.

Rufmord und unvermeidlichen PR-Schaden?

Bleibt die Frage, was man gegen die einseitige und irreführende Darstellung des international anerkannten Nachrichtensenders unternehmen kann. Israel verhält sich betont sachlich, reagiert weder wütend noch defensiv. Die Anschuldigungen seien unbegründet, so heißt es lediglich von offizieller Seite. Ohne gemeinsame Untersuchung der tödlichen Kugel ließe sich der Tatbestand nicht nachvollziehen. In Sachen PR hilft diese sachlich-geradlinige Haltung den Israelis wenig. In der internationalen Presse und auf zahllosen Social-Media-Seiten ist Israel nun als »kaltblütiger« Journalistenkiller verschrien.

Helfen nackte Zahlen auf TikTok?

Einen effektiveren Ansatz gegen das wahllos versprühte Gift scheint Noah Tishby gefunden zu haben. Die Schauspielerin und Aktivistin fungiert seit Kurzem als Israels allererste Sondergesandte zur Bekämpfung von Antisemitismus und der Delegitimierung Israels.

Sie postete ein Video auf TikTok, in dem sie Folgendes erklärt: Laut internationalem Journalistenverband seien in den letzten dreißig Jahren sage und schreibe 2.658 Journalisten in Kriegsgebieten ums Leben gekommen. 340 im Irak, 178 in Mexiko, 160 auf den Philippinen, 138 in Pakistan und 116 in Indien. Zwölf der Todesfälle wären Al Jazeera-Journalisten gewesen. Sieben von ihnen hätten in Syrien, zwei im Irak, einer im Jemen, einer in Libyen und eine eben letzte Woche den Tod gefunden.

Jeder der Fälle sei tragisch, aber an den Namen der anderen 2.657 Journalisten, so Tishby weiter, könnte sich wohl kaum einer erinnern. Nur den Namen der einen Reporterin, die bei den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Terroristen und der israelischen Armee unter unklaren Umständen getötet worden war, den kennten alle. Kein anderer dieser Todesfälle habe eine solche Flut gehässiger Reaktionen losgetreten wie eben jener von Shireen Abu Akleeh. Hier, so sinniert Tishby, handle es sich also um eine Doppelmoral, die auf einem zuweilen unbewussten Antisemitismus fuße.

»Denken Sie bitte kurz darüber nach«, ruft Tishby abschließend ihrem Publikum zu. Vielleicht leistet ja der eine oder andere CNN-Zuschauer ihrem Aufruf Folge.

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