Der UN-Menschenrechtsrat hat die Diskussion über die Verlängerung der Amtszeit von Francesca Albanese als Sonderberichterstatterin für die Rechte der Palästinenser eingestellt.
Mike Wagenheim
Der kongolesische Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf und Vizepräsident des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen Paul Empole Efambe übergab während einer Sitzung des Rats am 26. März das Wort an Hillel Neuer, den Exekutivdirektor der NGO UN Watch: »Herr Vorsitzender«, begann Neuer seine Rede, »die Geschichte wird festhalten, dass wir an diesem Tag hierhergekommen sind, um für das Gewissen der Vereinten Nationen zu kämpfen«, und wies darauf hin, dass der Rat »nur noch wenige Tage« von der Verlängerung der Amtszeit von Francesca Albanese als Sonderberichterstatterin für die Rechte der Palästinenser um weitere drei Jahre entfernt sei.
Nur etwa 35 Sekunden nach Beginn von Neuers Ausführungen wurde er von Efambe unter Verweis auf die Geschäftsordnung unterbrochen, nachdem der palästinensische UN-Gesandte Ibrahim Khraishi den Vizepräsidenten aufgefordert hatte, Neuer das Wort zu entziehen. Kharishi behauptete, Neuer sei »mit dem Mossad verbunden« und forderte, dass ihm »nicht einmal erlaubt werden sollte, in diesem Rat das Wort zu ergreifen und den Sonderberichterstatter anzugreifen«.
»Der Redner ist befugt, die betreffende NGO zu vertreten, die beim Wirtschafts- und Sozialrat akkreditiert ist«, antwortete Efambe auf den Einwurf und übergab Neuer erneut das Wort, aber nach weiteren fünfzig Sekunden unterbrach der palästinensische Beobachter Neuer erneut. Diesmal gab der Vizepräsident des Menschenrechtsrats Neuer das Wort nicht zurück, obwohl er festhielt, dass Neuer noch ein paar Sekunden Redezeit übrig habe. Stattdessen rief er zu »Toleranz« auf und mahnte, »respektlose« Kommentare zu vermeiden.
In seiner derart drastisch verkürzten Rede merkte Neuer an, die Regierungen der USA, Frankreichs, Kanadas und Deutschlands hätten die antisemitischen Äußerungen Francesca Albaneses verurteilt. Die von den Vereinten Nationen als unabhängige Experten betrachteten Sonderberichterstatter sind unbezahlt und werden vom Menschenrechtsrat ernannt, ohne dass sie gegenüber dem breiteren UN-Gremium oder seinen Mitgliedsstaaten rechenschaftspflichtig sind.
When I urged the UN to oppose the reappointment next week of Francesca Albanese—who's been condemned for antisemitism and Holocaust distortion by France, Germany, Canada & the US—the PLO rep interrupted me, accused me of being Mossad, and demanded I be “stopped from speaking.” pic.twitter.com/aOWRlRIcFr
— Hillel Neuer (@HillelNeuer) March 27, 2025
Geheimhaltung
Das Jewish News Syndicate (JNS) hat UN-Generalsekretär António Guterres wiederholt um eine Stellungnahme zu den antisemitischen Äußerungen Albaneses gebeten und die Antwort erhalten, die UNO könne ihre Äußerungen nicht überwachen, sie repräsentierten aber auch nicht die globale Organisation.
Albaneses dreijährige Amtszeit, zu der sie am 1. April 2022 ernannt wurde und die sie am 1. Mai desselben Jahres antrat, steht diese Woche zur Genehmigung an und erfordert die stillschweigende Zustimmung des 47-köpfigen Rats, jedoch keine direkte Abstimmung.
»Erstaunlicherweise weigern sich die Vereinten Nationen selbst, den Zeitpunkt der Wiederernennung bekannt zu geben. In einer geschlossenen Sitzung zwischen verschiedenen NGO und dem Schweizer Botschafter Jürg Lauber am 27. März wurde der Präsident des Menschenrechtsrats ausdrücklich danach gefragt und weigerte sich zu antworten«, so Hillel Neuer gegenüber JNS.
Ebenso habe »sich der Sprecher des UN-Menschenrechtsrats, Pascal Sim, am 28. März in einer Mail-Antwort an einen Reporter geweigert, das Datum zu nennen, an dem die Angelegenheit vom Rat erörtert würde«, fuhr Neuer fort und erklärte, dass »Mandatsträger für besondere Verfahren immer stillschweigend verlängert wurden. Es gibt kein formelles Verfahren für den Rat, um das Mandat eines Mandatsträgers zu verlängern.«
Neuer teilte mit, es gebe Grund zu der Annahme, dass der Menschenrechtsrat Albaneses Mandat in der letzten Woche seiner 58. Sitzung, die am 4. April endet, erneuern werde. In dieser Woche ist ein Treffen zur Ernennung neuer Mandatsträger für Sonderverfahren geplant. »Das niederländische Außenministerium gab ferner an, dass es keinen spezifischen Ratsbeschluss oder -akt zur Wiederernennung Albaneses geben wird, sondern diese automatisch erfolgt, sofern keine Maßnahmen ergriffen werden, um ihre Wiederernennung zu verhindern«, so Neuer.
Eigenes Verfahren missachtet
Neuer teilte JNS mit, dass der Menschenrechtsrat im Juni 2008 ein Verfahren verabschiedet hat, wonach der Ratspräsident dem Rat Informationen mitzuteilen hat, die ihm »über Fälle anhaltender Nichteinhaltung des Verhaltenskodex des Rats durch einen Mandatsträger« zur Kenntnis gebracht wurden, insbesondere vor der Verlängerung der Amtszeit von Mandatsträgern. »Der Rat wird solche Informationen prüfen und gegebenenfalls entsprechend handeln«, heißt es in den 2008 verabschiedeten Regeln. »Liegen die oben genannten Informationen nicht vor, verlängert der Rat die Amtszeit der Mandatsträger um eine zweite dreijährige Amtszeit.«
Es habe jedoch den Anschein, »dass die Vereinten Nationen und verschiedene Interessengruppen im Laufe der Jahre beschlossen haben, diese Bestimmung zu ignorieren und so zu tun, als gäbe es sie nicht«, sagte Neuer weiter. »Werden die Vereinten Nationen nach den Verfahren für die Wiederernennung gefragt, werden die [2008 beschlossenen] Regeln nie angesprochen, weil Diplomaten und NGO enge Beziehungen zu den Sonderberichterstattern und Angst vor einem System haben, das sie zur Rechenschaft ziehen oder ihre Wiederernennung behindern würde.« Begründet werde das Schweigen mit dem Argument, »dass Diktaturen, dürften sie das Verfahren anwenden, den guten Sonderberichterstattern schaden würden«.
UN Watch fordere »so viele Regierungen wie möglich auf, den Präsidenten des Menschenrechtsrats offiziell darüber zu informieren, dass sie gegen die Wiederernennung von Francesca Albanese sind«, sagte Neuer. »Soweit ich weiß, haben dies bisher nur Israel und Argentinien getan. Aus unbekannten Gründen hat die niederländische Regierung, obwohl sie den Parlamentsmitgliedern schriftlich mitgeteilt hat, dass sie gegen die Wiederernennung Albaneses ist, ihren Einspruch noch nicht bei den Vereinten Nationen eingereicht.« Die niederländische Regierung erklärte am 26. März, dass »mehrere ihrer Äußerungen in den sozialen Medien im Widerspruch zum Verhaltenskodex stehen«, das »Kabinett diese Äußerungen missbilligt« und »eine mögliche Wiederernennung von Francesca Albanese nicht unterstützt«.
In its letter today to Secretary-General Guterres, the U.S. formally opposed Francesca Albanese’s renewal as special rapporteur, and condemned her “virulent antisemitism, which demonizes Israel and supports Hamas,” stating that she “has clearly violated the UN’s code of conduct.”
— Hillel Neuer (@HillelNeuer) April 3, 2025
Kritik jüdischer Organisationen
Der Jüdische Weltkongress (JWC) und die Anti-Defamation League (ADL) forderten den Menschenrechtsrat ebenfalls auf, Albaneses Amtszeit nicht zu verlängern. In einem Brief an den französischen Außenminister schrieben 42 Mitglieder des französischen Parlaments, die Verlängerung von Albaneses Mandat würde »ein bedauerliches Signal an Opfer, Menschenrechtsverteidiger und Staaten senden, die sich für einen glaubwürdigen Multilateralismus einsetzen«.
»Die Handlungen von Francesca Albanese wurden weithin verurteilt und ihre Untauglichkeit, ein Amt bei den Vereinten Nationen zu bekleiden, wurde von mehreren Regierungsbeamten aus Kanada, Frankreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten hervorgehoben», schrieb AIPAC-Direktor Jonathan Greenblatt in einem Brief an den Präsidenten des Menschenrechtsrats.
Albanese habe »antisemitische Narrative und die Verzerrung und Verfälschung des Holocausts gefördert sowie unüberprüfte Behauptungen von Terrororganisationen wie der Hamas ein Sprachrohr geboten. Ihre Rhetorik, einschließlich der jüngsten Kommentare, in denen sie jüdische Organisationen beschuldigt, bei ihrem Einsatz für jüdische Gemeinden ›Mafia-Taktiken‹ anzuwenden, zeigt einmal mehr, dass sie für einen Posten bei den Vereinten Nationen nicht geeignet ist.«
Solche Aussagen hielten nicht nur gefährliche antisemitische Klischees am Leben, »sondern beeinträchtigen auch die Glaubwürdigkeit des UN-Menschenrechtsrats bei der Bekämpfung von Vorurteilen und Hass sowie das erklärte Engagement des UN-Generalsekretärs [Guterres] für die Bekämpfung des globalen Antisemitismus«.
Die geschäftsführende Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses Maram Stern verfasste ebenfalls ein Schreiben an den Ratspräsidenten: Albanese habe »wiederholt öffentliche Äußerungen gemacht, die gefährliche antisemitische Klischees verbreiten, die Legitimität des Staates Israel infrage stellen und eine Rhetorik verwenden, welche die Glaubwürdigkeit des Menschenrechtsrats selbst untergräbt. Ihr anhaltender Mangel an Objektivität und ihr Versäumnis, einen ausgewogenen und unparteiischen Ansatz zu wahren, der von ihr als Sonderberichterstatterin erwartet wird, kompromittiert ihre Glaubwürdigkeit als unabhängige Expertin.«
Die Geschäftsführerin der europäischen Büros des American Jewish Committee (AJC) Simone Rodan-Benzaquen erklärte, Albanese lege »systematisch ein beunruhigendes Verhaltens- und Ausdrucksmuster an den Tag, das mit der Verantwortung, Neutralität und Integrität, die von einem UN-Sonderberichterstatter erwartet werden, unvereinbar ist. Anstatt die Gräueltaten vom 7. Oktober 2023 unmissverständlich zu verurteilen, hat Albanese solche Gewalt routinemäßig relativiert und in einen Kontext gesetzt, der sie als unvermeidliches Ergebnis des israelisch-palästinensischen Konflikts dargestellt. Dieser Ansatz untergräbt auf gefährliche Weise die Rechte der Opfer, ermutigt Extremisten und diskreditiert den Anspruch der UNO auf moralische Führung.«
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)
Noch einmal zur Erinnerung für alle Relativierer, was Francesca Albanese 2014 gesagt hat: Sie hat gegen die "jüdische Lobby" agitiert, die die USA "unterjocht" habe, und gegen den 'Schuldkult' gewettert, der Europa hindere, Israelkriktik zu üben. Damit macht man sich gemein… https://t.co/eMHbAOVmcz pic.twitter.com/PuZ6vg00yE
— Mena-Watch (@MENA_WATCH) February 12, 2025
So perfide schrieb Francesca Albanese am 8. August 2024 über Deutschland, dem sie mit Bezug auf die deutsche Geschichte vorwirft, erneut falsch zu liegen, wenn es sich auf internationaler Ebene nicht gegen Israel stellt… @AuswaertigesAmt @GermanyUNGeneva https://t.co/SrwCLKNJ2R pic.twitter.com/a3U3tmxEmt
— Jörg Gehrke 🇪🇺 (@JoergMGehrke) April 3, 2025